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Als Mars sein Gesicht änderte

Astronomie|Physik

Als Mars sein Gesicht änderte
Vor 3,9 Milliarden Jahren war unser Nachbar warm, feucht – und keineswegs rot. Nun versuchen vier Sonden im Orbit und zwei Roboter herauszufinden, was zu dem urzeitlichen Gesichtsverlust führte.

Seit Januar 2004 kurven die beiden amerikanischen Rover Spirit und Opportunity auf dem Mars umher. Ihre ursprünglich geplante Lebensdauer von drei Monaten haben sie bereits um das Zehnfache überschritten. Sie legten insgesamt sieben Kilometer zurück und funkten mehr als 150 000 Fotos zur Erde. Diese Bilder und viele Messungen der chemischen und mineralogischen Zusammensetzung des Gesteins begeistern die Forscher.

Als wenig spektakulär erwies sich dagegen der Landeplatz von Spirit, ein 130 Kilometer großer Krater namens Gusev. Amerikanische Forscher hatten die Hoffnung, es handele sich um einen ehemaligen See, weil sich durch den südlichen Kraterrand ein ausgetrocknetes Flusstal zu schneiden scheint. Für diese Idee sprach auch eine scheinbare Ablagerung, die sich als Delta interpretieren ließ. Doch Spirit enttäuschte die Forscher: Nur vulkanischer Basalt bedeckt die Oberfläche. Wenn es hier einst Wasser gab, so sind dessen Spuren heute darunter verborgen.

Opportunity sorgte für bessere Stimmung. Der Rover war auf der gegenüberliegenden Seite des Planeten in der weiten Ebene Meridiani Planum gelandet. Hier hatten Mars-Forscher zuvor mit einem Spektrometer der Sonde Global Surveyor Hinweise auf grauen Hämatit gefunden – ein eisenhaltiges Mineral, das in einer oxidierenden und wasserreichen Umgebung entsteht.

Opportunity war in einem kleinen Krater von 20 Meter Durchmesser gelandet, der den Namen „Eagle“ erhielt. Schon die ersten Messergebnisse bestätigten die Existenz von Hämatit. Außerdem gab es bei der Landestelle kugelförmige Körnchen, die die Forscher „Blueberries“ nannten. Auch diese „Heidelbeeren“ bestehen zum größten Teil aus Hämatit.

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Für Überraschungen sorgten Untersuchungen an hellem Gestein im Krater. Es enthielt die höchsten jemals auf dem Mars gemessenen Schwefelkonzentrationen: bis zu zehn Gewichtsprozent. Gleichzeitig wurde ein hoher Brom-Gehalt nachgewiesen. So könnte das Gestein entstanden sein: In einem ursprünglichen See waren einst Salze gelöst, ähnlich wie in irdischen Ozeanen. Als das Gewässer verdunstete, stieg der Salzgehalt. Sobald die Sättigungsgrenze überschritten war, fielen die gelösten Salze als feste Stoffe aus und sanken zu Boden. Mit der Zeit sammelten sie sich zu den jetzt beobachteten Schichten an.

Der kleine Krater hat noch mehr zu bieten: An seiner Innenwand tritt geschichtetes Gestein zutage. Anscheinend hat der Einschlag eines Meteoriten die alten Gesteinslagen freigelegt. In ihnen fand Opportunity ebenfalls Hämatit – und somit ein weiteres Indiz für einstiges Wasser. Aber die Schichten sind nur in einem kleinen Bereich zu sehen. Um herauszufinden, wo es sie noch gibt und wie tief sie reichen, beschlossen die Wissenschaftler, den Rover zu einem 800 Meter entfernten, 130 Meter großen Krater zu schicken, der fast 20 Meter tiefer in den Boden hineinreicht als Eagle. Tiefer bedeutet, dass ältere Schichten offen liegen.

Die weite Reise, auf der Opportunity das Gestein untersuchte, dauerte 100 Tage – länger, als der Rover je durchhalten sollte. Augenzwinkernd nannten die Forscher den Krater daher Endurance („ Ausdauer“). Opportunitys Fotos vom Innern des Kraters bestätigten die Hoffnungen: An mehreren Stellen war deutlich geschichtetes Gestein zu sehen. Als der Rover vorsichtig in den Krater hineinfuhr, dachte niemand, dass er je so weit in die Tiefe vordringen könnte. Doch da Tests gezeigt hatten, dass die Rover-Räder auf Gestein besonders gut haften, wagten es die NASA-Verantwortlichen, das Gefährt über 30 Grad steiles Gelände hinunterfahren zu lassen. Mit Erfolg: Fast 50 Tage verbrachte Opportunity im Kraterbecken. Dort tastete der Rover einen sieben Meter langen Abschnitt der Innenwand ab. Es war das erste Mal, dass auf einem anderen Planeten eine Folge von Gesteinsschichten vollständig untersucht wurde. Geologen sprechen von einer ersten stratigrafischen Sektion.

Mit der Mikroskopkamera identifizierten die Forscher in den Gesteinsschichten die schon bekannten Blueberries, eingebettet in ein feinkörniges, zementartiges Material, das wiederum größtenteils aus Sulfaten und Hämatit besteht. Die Blueberries entstanden vermutlich, als sich Eisen zunächst in stehendem oder sehr langsam bewegtem Wasser aus dem Gestein löste. Dann änderten sich die Umgebungsbedingungen: Das Eisen wurde ausgefällt und bildete feste Kügelchen, die bei der späteren Verwitterung des Gesteins übrig blieben.

Interessanterweise offenbarten einzelne Steine unter dem Mikroskop kleine kristallförmige Hohlräume. Vermutlich befanden sich an diesen Stellen ursprünglich Sulfat-Kristalle. Als das Gestein mit Wasser in Kontakt geriet, lösten sich die Kristalle, und die Hohlräume blieben zurück. Erosion legte sie schließlich frei. Einige dieser Hohlräume haben eine kubische Gestalt, die von Steinsalz-Kristallen (Natriumchlorid) herrühren könnte.

Einen weiteren Hinweis auf ehemalige Wasservorkommen fanden Forscher auf einem Felsen, den sie Last Chance genannt hatten. Er besteht aus einem bröseligen Material, das in mehreren wellenförmigen Schichten übereinander liegt. John Grotzinger vom Caltech in Pasadena vermutet, dass es sich um Sedimentgestein handelt, das am Boden eines Sees entstanden ist. Denkbar ist, dass Wasser mit Geschwindigkeiten von 10 bis 50 Zentimetern pro Sekunde darüber hinwegströmte und dabei das beobachtete Muster formte. „Wellen, die durch Wind entstehen, können es nicht gewesen sein, denn sie sehen anders aus als dieses Muster“, sagt Grotzinger.

Unterstützt werden seine Vermutungen durch chemische Analysen, die im Gestein wiederum hohe Konzentrationen an Chlor und Brom nachwiesen. Auffallend ist: Mit der Tiefe nimmt die Konzentration von Chlor bis auf das Dreifache zu. Dagegen werden die Konzentrationen von Magnesium und Schwefel mit der Tiefe geringer. „Ein Hinweis darauf, dass die verschiedenen Gesteinsschichten eine unterschiedliche Entstehungsgeschichte haben“, sagt Rudi Rieder vom Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz. Welche, darüber rätseln die Forscher noch.

Opportunity und Spirit können das Gestein zwar detailliert analysieren, sind aber auf ihre Umgebung beschränkt. Sonden in der Umlaufbahn haben dagegen den globalen Überblick, und ihre Aufnahmen können anhand der Rover-Messdaten kalibriert werden. Beide Systeme ergänzen sich also.

Mit ihrer Hilfe stieß Brian Hynek von der University of Colorado in Boulder auf ein ehemaliges riesiges Meer. Auf Infrarotkarten der NASA-Sonde Mars Odyssey identifizierte Hynek in Terra Meridiani zwei Gesteinsarten: eine dunkle Schicht, die reich an Hämatit ist, und eine helle Schicht, in der Opportunity die hohe Schwefelkonzentration gemessen hatte. Hynek vermutet, dass der gesamte Grund des Terra Meridiani aus dem hellen Gestein besteht und dass Hämatit stellenweise darüber liegt. Dafür sprechen Einschlagskrater eines Meteoriten in den dunklen Gebieten: Auf ihren Böden tritt das helle Gestein zu Tage, und auch im Auswurfsmaterial kommt es vor.

Nach Hyneks Theorie könnte das riesige Terra Meridiani – das etwa die Größe Deutschlands besitzt – so entstanden sein: Einst befand sich dort ein Meer, dessen Gesteinsgrund das heutige helle schwefelreiche Material bildete. Dann lagerte sich die Hämatit-Schicht darauf ab. Nachdem das Meer verdunstet war, erodierte der Wind Teile dieser oberen Sedimentlage weg, und der helle Grund trat stellenweise hervor.

Die HINWEISE auf ehemals flüssiges Wasser auf dem Mars häufen sich also. Doch wann war diese Ära? Ein internationales Forscherteam um Jean-Pierre Bibring vom Institut d’Astrophysique Spatiale in Orsay, Frankreich, behauptete unlängst, dass es allenfalls in der frühesten Entwicklungsphase des Roten Planeten Wasser gegeben haben kann. Die Planetenforscher analysierten mineralogische Karten, die sie mit ihrem Instrument Omega auf der Sonde Mars Express der Europäischen Weltraumorganisation ESA erstellt hatten. Hierin suchten sie gezielt nach Mineralien, die unter dem Einfluss von Wasser entstehen. Dazu gehören die Phyllosilikate: Tonmineralien, die sich aus vulkanischen Basalten gebildet haben. Die Forscher fanden diese Substanz nur an wenigen Stellen und ausschließlich in den ältesten Gebieten des Mars, die zwischen 4,5 und 3,9 Milliarden Jahre alt sind. Das Alter ermittelten sie anhand von Kraterzählungen: Je älter ein Gebiet ist, desto länger war es dem Meteoritenbombardement ausgesetzt und desto mehr Einschlagskrater befinden sich darauf. Wie passt dieser Befund zu den Analysen der schwefelreichen Gesteinsschichten?

Die wahrscheinliche Erklärung lautet: Die Sulfate befinden sich in jüngeren Regionen, und sie bildeten sich wohl unter anderen Umweltbedingungen als die Tonmineralien. Das Ausfällen der Sulfate erfordert das Verdunsten von Wasser, was prinzipiell an der Oberfläche geschehen sein muss. Anders als bei den Tonmineralien muss das Klima aber nicht unbedingt durchgehend warm und feucht gewesen sein. Denkbar ist auch, dass die schwefelhaltigen Schichten in Meridiani Planum in einer sandigen Wüstenlandschaft entstanden sind, wo es kurzfristig saure und salzige Seen gab, die immer wieder austrockneten. Wind könnte die schwach verfestigten Schichten abgetragen und das Material an andere Stellen verfrachtet haben. „Die beste Analogie auf der Erde sind vielleicht saure Salzseen in Südwestaustralien, die durch kurzzeitige Überflutung, Verdunstung und nachfolgende Austrocknung entstehen“, erklärt Ernst Hauber vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Berlin. Diskutiert wird derzeit aber auch eine ganz andere Möglichkeit: Demnach hätten sich die Sulfate gar nicht an der Oberfläche gebildet, sondern in Grundwasser-Reservoirs.

Viele Forscher sind heute überzeugt davon, dass die Tonmineralien in der ersten Entwicklungsphase des Mars entstanden sind, als der Planet noch von einer dichteren Atmosphäre umgeben und warm war. Damals gab es wahrscheinlich ausgedehnte Meere und Flüsse. Doch vor etwa 3,5 Milliarden Jahren soll sich das Klima geändert haben. Die Atmosphäre verflüchtigte sich, Vulkane schleuderten schwefelhaltiges Material aus, das sich in stehenden Gewässern ablagerte. In dieser Übergangsphase zu heute könnten dann zeitweilig an einigen Stellen Seen entstanden sein, in denen sich die Sulfate bildeten. Dort lagerten sich die sulfatreichen Sedimente ab, die die Rover gefunden haben. „Diese Seen müssen sehr sauer und damit lebensfeindlich gewesen sein“, sagt Ralf Jaumann vom Institut für Planetenforschung des DLR in Berlin-Adlershof. Seit diese warme, feuchte Phase vor etwa 3,5 Milliarden Jahren endete, so Pierre Bibring, gab es auf der Oberfläche kein flüssiges Wasser mehr.

Doch Wassereis hat auch in der jüngeren Vergangenheit Spuren hinterlassen. Hauber untersuchte ein Gebiet um einen großen Vulkan namens Hecates Tholus. An dessen Fuß befindet sich ein zehn Kilometer großer Krater, der wiederum auf dem Rand eines etwas tiefer gelegenen, größeren Kraters sitzt (siehe Foto unten). In diesen beiden Gebilden, die wegen ihrer Form auch Stundenglaskrater genannt werden, fanden die Forscher Hinweise auf das Wirken eines Gletschers vor fünf bis sieben Millionen Jahren. Einige Formationen ähneln den Geröllablagerungen von Moränen, andere Schmelzwasserkanälen. Hauber vermutet, dass die Gletscher durch Schnee- und Eisniederschlag in einem kalten Klima entstanden sind. Möglicherweise ging ihnen ein abrupter Klima-Umschwung voraus.

Wie Computersimulationen des französischen Astronomen Jacques Laskar belegen, hat die Rotationsachse des Roten Planeten in der Vergangenheit sehr stark geschwankt. Vor fünf bis zehn Millionen Jahre war die Achse seinen Rechnungen zufolge doppelt so stark geneigt wie heute. Dadurch verdampfte Eis an den Polen und sammelte sich vermutlich in äquatornahen Gebieten zu mächtigen Gletschern an. Die Temperatur-Unterschiede zwischen Nord und Süd vergrößerten sich erheblich. Auf der jeweiligen Sommerseite kann die Temperatur für längere Zeit so weit ansteigen, dass Kohlendioxid und Wasser aus den Polkappen und aus Permafrostböden verdampft. Die Folge: die Atmosphärendichte steigt, und die Treibhauswirkung dieser Gase führt zu einem milderen Kima.

Die Erkundung aus der Umlaufbahn wird weitergehen – und ist für künftige Landungen auf dem Mars essenziell. So arbeitet seit dem Herbst der Mars Reconnaissance Orbiter in seiner vorgesehenen Umlaufbahn. Die Sonde macht Aufnahmen ausgewählter Gebiete mit einer Auflösung bis herunter zu 30 Zentimetern. Gleichzeitig nimmt eine Spektralkamera die Oberfläche in Hunderten verschiedener Wellenlängen mit einer Bodenauflösung von 20 Meter pro Bildpunkt auf. Die nächsten Fahrzeuge, das Mars Science Laboratory der NASA und ExoMars der ESA, sind bereits in Planung. ExoMars, dessen Start für 2011 vorgesehen ist, soll einen Rover auf der Oberfläche absetzen, der Bohrproben aus bis zu zwei Metern Tiefe nehmen kann. Sein Labor an Bord, Pasteur genannt, ist auf die Suche nach ehemaligem Leben spezialisiert. ■

THOMAS BÜHRKE, promovierter Physiker und Astronom, ist regelmäßiger Autor von bild der wissenschaft. Zuletzt (im April 2006) schrieb er über Planeten bei anderen Sternen .

Glänzende Aussicht Der Mars-Rover Opportunity – hier maßstabsgerecht in ein von ihm aufgenommenes Foto montiert – hat nach einer 21-monatigen, 9,2 Kilometer langen Fahrt Ende September den Rand des einen Kilometer großen Victoria-Kraters erreicht.

Gletscherspuren hat Mars Express im nur wenige Millionen Jahre alten Stundenglas-Krater entdeckt. Sie sind ein Hinweis darauf, dass es auf dem Mars noch vor Kurzem recht feucht war.

Thomas Bührke

Ohne Titel

• Der Mars-Rover Opportunity und mehrere Raumsonden wie Mars Express fanden gute Indizien für einstiges Wasser.

• Vermutlich war das Klima auf dem Mars bis vor 3,9 Milliarden warm und feucht. Nach einer Übergangsphase verschwand dann aber vor 3,5 Milliarden Jahren bis heute jedes flüssige Wasser. Es wurde so kalt, dass sich sogar Gletscher bildeten.

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