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Vom Faulmacher zum Fitnesstrainer

Gesundheit|Medizin Technik|Digitales

Vom Faulmacher zum Fitnesstrainer
Lange Sitzungen am Computer sind ungesund. Doch spezielle Computer können Faulpelzen auch dabei helfen, die Fitness zu verbessern. Dazu überwachen sie den Gesundheitszustand und steigern den Spaß an der Bewegung durch völlig neue Sportspiele.

Wie man sich heute fit hält

Der Personal Computer feierte 2006 seinen 25. Geburtstag. In diesem Vierteljahrhundert hat er das Leben der Menschen radikal verändert. Der Computer fesselt heute rund zwei Drittel der arbeitenden Bevölkerung in Deutschland an den Schreibtisch und hält Kinder davon ab, an der frischen Luft herumzutoben. Nun sollen ausgerechnet Computer dabei helfen, die Fitness zu steigern. Dazu steckt man den Rechner nicht in eine graue Kiste, die unter dem Schreibtisch steht, sondern in ein mobiles Gerät, das das körperliche Training lenkt. Fast schon zur Standardausrüstung jedes Joggers gehört die Pulsuhr. Die teuersten Modelle kosten über 400 Euro und nehmen einem beim Joggen das Denken ab. Gute Pulsuhren steuern die Trainingsintensität je nach Alter und Fitnesszustand so, dass die individuellen Trainingsziele – zum Beispiel die Stabilisierung von Herz und Kreislauf oder die Fettverbrennung – möglichst effizient erreicht werden. Neu sind Modelle speziell zur Gewichtsreduzierung wie die Pulsuhr WM41/42 des Marktführers Polar aus dem hessischen Büttelborn. Ein Gewichts-, Ernährungs- und Trainingstagebuch zeigt mit Soll-Ist-Balken unerbittlich, welches Gewicht noch zu viel auf den Hüften lastet und der Gesundheit wegen lieber verschwinden sollte.

Pulsuhren bieten zwar immer mehr Funktionen, doch zwei Dinge können sie noch nicht: Man kann mit ihnen nicht telefonieren, und sie spielen keine Musik. Das ist erstaunlich, weil Handys und MP3-Player mittlerweile in jeder Hosentasche stecken und viele Jogger ohne Musikberieselung aus den Ohrhörern keinen Fuß mehr vor den anderen setzen. Außerdem wollen viele auch beim Joggen erreichbar sein. Aktuelle Handys enthalten fast durch die Bank einen MP3-Player, aber eben keine Pulsuhr. Nokia vereint jetzt die Welten von Kommunikation, Unterhaltung und Sport in seinem neuen Handy-Modell 5500. Das „Sporttelefon“ besitzt einen Schrittzähler, der die verbrannten Kalorien errechnet. Den Puls misst es zwar (noch) nicht, doch solche Funktionen werden hinzukommen, wenn der Trend weiter zu All-in-One-Geräten geht.

Davon will auch der amerikanische Sportartikelhersteller Nike profitieren. Der neue Sportschuh Nike+Air Zoom Moire sendet per Funk Bewegungsdaten an einen iPod. Der kultige MP3-Player von Apple zeigt Strecke, Geschwindigkeit und Kalorienverbrauch an. Für rund 100 Euro gibt es das Paar Schuhe und einen Bluetooth-Funkempfänger für den iPod. Konkurrent Adidas aus dem fränkischen Herzogenaurach setzt dagegen auf Hightech statt auf Lifestyle. Der Adidas_1 misst 1000-mal pro Sekunde den Aufprall der Ferse am Boden und regelt über einen Getriebemotor die Dämpfung im Schuhabsatz – weich für Asphalt und hart für Waldboden. Und wer kauft die Luxuslatschen für 250 Euro? „Jogger, die üppig ausgestattete Handys und MP3-Player haben“, hofft Entwicklungschef Christian DiBenedetto – also genau die Zielgruppe, die auch Nike mit seinem Produkt anspricht.

Sowohl beim Nokia-Sporthandy als auch beim iPod-Duo von Nike sind Musikspieler und Trainingsfunktionen zwar in einem Gehäuse vereint, eine funktionale Verknüpfung gibt es aber nicht. Dabei kann die körperliche Leistungsbereitschaft durchaus mit dem passenden Rhythmus der Musik angestachelt werden – ein Prinzip, das schon auf römischen Galeeren angewandt wurde, wo Trommler den Takt für die Ruderer vorgaben. Der Taktgeber des Fraunhofer-Instituts für Grafische Datenverarbeitung (IGD) in Rostock heißt Stepman und ist eine Software für Mobiltelefone mit integriertem MP3-Player. Ein Beschleunigungssensor am Schuh misst wie bei der Nike-iPod-Kombination den Takt der Schritte und übermittelt ihn drahtlos per Bluetooth-Funk an das Handy. Doch Stepman geht noch weiter: Er passt auch die Geschwindigkeit der Musik an die Schrittfrequenz an, die Tonhöhe ändert sich dabei nicht. Tester berichten, dass der exakt zum Lauftempo pulsierende Beat der Musik sie in einen wahren Laufrausch versetzt habe.

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Die Fraunhofer-Forscher am IGD haben auf Basis dieser Technologie noch weitere nützliche Dinge entwickelt – zum Beispiel ein Gerät namens DiaTrace, das ebenfalls per Beschleunigungssensor die Aktivität des Nutzers überwacht und die Daten an das Mobiltelefon sendet. Ein kleines Programm zieht daraus Rückschlüsse auf den Blutzuckerspiegel und spornt den Läufer, wenn nötig, zu mehr Aktivität an – ein persönlicher Trainer speziell für Risikopatienten. Die Rostocker Forscher könnten damit den nächsten Fitnesstrend vorgeben, der den allgemeinen Gesundheitszustand mit der Trainingsleistung verknüpft. Pulsuhren kennen zwar Gewicht und Alter ihres Trägers und messen den Puls, den kompletten Gesundheitszustand kennen sie aber nicht. Menschen mit Vorerkrankungen können sich auf so ein Gerät nicht verlassen.

Wer Sport treiben möchte, sollte deshalb erst einmal eine Bestandsaufnahme seiner körperlichen Verfassung machen und die auch regelmäßig überprüfen, um die Trainingsstrategie, falls erforderlich, anpassen zu können. Für wenig Geld gibt es Geräte, die Blutdruck, Blutzucker und Körperfett messen. Ihre Aussagekraft ist allerdings begrenzt. Im Kommen sind daher Sensoren, die verschiedene Gesundheitsparameter zu einem Fitnessprofil verknüpfen. Eine relativ simple derartige Kombination bietet eine digitale Multifunktionswaage des spanischen Herstellers Davi & Cia, die bereits in einigen Apotheken, Hotels und Fitnessstudios steht. Sie ermittelt die Körpergröße per Ultraschall und berechnet daraus zusammen mit dem Gewicht den Body-Mass-Index (siehe Kasten „Bin ich dick?“). Eine Manschette für das Handgelenk misst den Blutdruck, ein schwacher Strom bestimmt den Fettanteil. Der Fitnesszustand wird am Ende auf einem Bon ausgedruckt – das moderne Gegenstück zu den Pappkärtchen, die klobige alte Bahnhofswaagen früher ausspuckten.

Noch deutlich mehr Parameter bestimmt OwnTest von Polar. Die Messstation ist für Fitnessstudios gedacht und errechnet das biologische Alter einer Person, das je nach Lebenswandel um etliche Jahre vom chronologischen Alter abweichen kann. OwnTest verknüpft die Werte von Blutdruck, Körperfett und Body-Mass-Index und ermittelt daraus zusammen mit standardisierten Tests Kraft, Beweglichkeit und Ausdauer, die zum Teil direkt an der Station, zum Teil auf dem Trimmrad bestimmt werden. Am Ende der Fitnessprüfung gibt das System Tipps, wie man sein biologisches Alter um einige Jahre verringern kann.

Eine verlässliche Aussage, ob man gesund ist oder nicht, kann allerdings nur der Arzt treffen. Dennoch kann eine Selbstmessung sinnvoll sein, etwa bei Menschen mit bekannten Risiken wie Diabetes oder einer Herzerkrankung. Die intelligente Toilette der Firma DMT aus Südkorea misst zum Beispiel pH-Wert und Zuckergehalt des Urins – der persönliche Leibarzt für zu Hause. Und das Design des Mini-EKG-Geräts Cardioscan des Hamburger Unternehmens Energy-Lab Technologies erinnert an den Apparat, den „Pille“, der geniale Arzt von Raumschiff Enterprise, auf eigentlich schon Dahingeschiedene legte und sie damit in Sekunden wieder springlebendig machte. Solche Wunder vollbringt Cardioscan natürlich nicht. Es nimmt die EKG-Signale auf und rechnet sie in ein dreidimensionales Bild um, das wie ein Gebirge aussieht. Sind die Gipfel nicht gleichmäßig, sondern bizarr verzerrt, ist das ein Hinweis darauf, dass mit dem Herzen etwas nicht stimmt.

Die Kosten für die Eigenmessung übernehmen die Krankenkassen in der Regel nur, „wenn das jeweilige Gerät zur dauernden oder selbstständigen sofortigen Anpassung der Medikation aus medizinischen Gründen zwingend erforderlich ist“, wie es im Hilfsmittelverzeichnis des Bundesverbands der Innungskrankenkassen (IKK) heißt. Weil Prävention künftig aber eine wichtigere Rolle spielen soll, kann es sein, dass dieses Prinzip demnächst umgedreht wird. Bestimmte Risikogruppen würden dann sogar verpflichtet, regelmäßig Blutdruck, Blutzucker oder EKG zu messen. Umstritten sind allerdings Geräte wie SenseWear von BodyMedia in Pittsburgh. Es wird am Oberarm getragen, wo es die wichtigsten Körperdaten misst und 14 Tage lang abspeichert. Solche Geräte liefern dem Arzt wichtige Informationen, könnten aber von den Krankenversicherern dazu missbraucht werden, die Lebensgewohnheiten ihrer Mitglieder aufzuzeichnen und den Beitragssatz individuell anzupassen.

Was Opa für die Fitness tat

„Gesundheit ist ein Zustand vollkommenen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und nicht allein das Fehlen von Krankheit oder Gebrechen.“ So lautet die offizielle Definition der Weltgesundheitsorganisation von 1946. Die Umschreibung zeigt Weitsicht: Ein Jahr nach dem Zweiten Weltkrieg wären die meisten Menschen in Europa und auf anderen Kontinenten froh gewesen, wenn ihnen wenigstens Krankheiten und Gebrechen gefehlt hätten.

Das hat sich inzwischen geändert. Die Lebenserwartung steigt seit Jahrzehnten deutlich – in Deutschland auf voraussichtlich 86,5 Jahre für heute geborene Mädchen und 80 Jahre für Jungen. Sind die Menschen deshalb gesünder im Sinne der WHO-Definition? Die Zahlen der Gesundheitsexperten lassen daran zweifeln. Erstmals wurden 2006 weltweit mehr übergewichtige als unterernährte Menschen gezählt: eine Milliarde gegenüber 800 Millionen. Etwa jeder zehnte Bundesbürger leidet an Diabetes. Herz-Kreislauf-Krankheiten sind in den Industrienationen die Todesursache Nummer eins: Etwa jeder Zweite stirbt daran. Beides sind Zivilisationskrankheiten, die durch falsche Ernährung und zu wenig Bewegung gefördert werden und die erst im letzten Jahrhundert größere Bevölkerungskreise erfasst haben. Schon eine amerikanische Studie von 1961 wies nach, dass die Zahl der Herzinfarkte mit der Verbreitung des Automobils zugenommen hat.

Auf der anderen Seite gäbe es ohne die Industrialisierung keine Fitnesswelle. Die Bewegung an der frischen Luft gilt als Ausgleich zum zunehmenden Leistungsdruck in der industrialisierten Welt. Schon Ende des 19. Jahrhunderts entstanden so genannte Kraftstätten oder Licht- und Luftbäder, auch die ersten Fitnessgeräte wie Rudermaschinen oder Trimmräder stammen aus dieser Zeit. Während des Nationalsozialismus wurde der Fitnessgedanke in Deutschland zur Formung des „arischen Idealkörpers“ missbraucht, der im darwinistischen Überlebenskampf seine Überlegenheit beweisen sollte. Dieser ideologische Missbrauch führte nach dem Zweiten Weltkrieg erst einmal zu einer Ablehnung der Fitnessbewegung. Auch weil man sich nach den Strapazen des Krieges einen – neuen und ungewohnten – bewegungsarmen Komfort gönnen wollte, kam das körperliche Training nach 1945 zunächst aus der Mode. Erst in den Sechzigerjahren setzte die Fitnessbewegung wieder ein, die heute Wellness heißt und neben der physischen Gesundheit auch die Seele in Balance bringen soll.

Wie man künftig trainieren wird

Fitnesstraining kann ganz schön langweilig sein, und viele bekommen es dabei mit ihrem inneren Schweinehund zu tun: Voller Tatendrang meldet man sich im Studio an, rackert sich ein paar Wochen ab, verliert die Lust und flüchtet sich in Ausreden, bis man schließlich den Vertrag kündigt. Die Studiobetreiber haben sich einiges ausgedacht, um den Mitgliederschwund aus Motivationsmangel zu bremsen. Fernseher mit dem vollen Programm von ARD bis Viva sollen die Zeit auf dem Laufband oder dem Trimmrad vergessen lassen, Musik dudelt unablässig aus Lautsprechern von der Decke. Doch auf Dauer nervt der mediale Overkill, weil der eigene Trainingsrhythmus dadurch eher gestört wird.

Der Ausweg heißt Event-Fitness. Dahinter steckt die Idee, die Sportler an einem multimedialen Gruppenerlebnis teilhaben zu lassen, das sämtliche Sinne anspricht. Von der Verknüpfung von Sport und Computerspiel versprechen sich Hersteller und Studiobesitzer einen neuen Fitnessboom. Wie der aussehen könnte, zeigt das Heinz-Nixdorf-MuseumsForum in Paderborn seit dem 25. Oktober 2006 in der Ausstellung „Computer.Medizin“. Das größte Computermuseum der Welt hat erstaunliche Exponate zusammengetragen, die in Zukunft unser Wohlbefinden steigern sollen.

Bestes Beispiel ist das Laufband der Firma h/p/cosmos sports&medical im bayerischen Nussdorf-Traunstein. Es erfüllt den Traum vieler Jogger, einmal am New-York-Marathon oder an einem ähnlichen Massenlauf teilzunehmen, ohne dazu eine teure Reise unternehmen zu müssen. Das Laufband ist mit einem Videomonitor gekoppelt, der andere Marathonläufer zeigt. Einer ist Paul Tergat, der bei seinem Weltrekord 2003 die gut 42 Kilometer lange Distanz mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von über 20 Kilometern pro Stunde zurückgelegt hat. Den meisten dürfte das zu schnell sein. Deshalb kann man auch neben Joschka Fischer herlaufen, der es damals, als er noch Außenminister und wesentlich schlanker war als heute, deutlich gemütlicher angehen ließ. Wem das immer noch zu flott ist, misst sich mit dem ältesten Marathonläufer der Welt, der über 90 Jahre auf dem Buckel hat und mehr als sechs Stunden für die 42 Kilometer braucht. Der Eindruck, in einer Gruppe zu laufen – sei es auch nur in einer virtuellen –, steigert die Motivation, ist man beim Herstellerunternehmen überzeugt.

Den besonderen Kick verspricht die Fahrt mit dem Fahrrad durch die Wüste oder über die höchsten Alpenpässe in einer Gruppe von Gleichgesinnten. Weil das aufwendig und – wie die Tour-de-France-Rennen der letzten Jahre gezeigt haben – für viele nur mit Dopingmitteln zu schaffen ist, radelt man die Strecken besser im Fitnessstudio, wo eine große Videoleinwand die Landschaft zeigt. Geht es den Berg hinauf, neigt sich die Plattform mit den darauf montierten Trimmrädern nach hinten, in der Kurve kippt sie zur Seite. Weil gleich mehrere Räder auf die X-Trem-Sens-Plattform des schweizerischen Herstellers fmj-group aus Altstätten passen, ist auch für das Tour-de-France-Gruppenfeeling gesorgt.

Selbst wenn die virtuelle Realität ziemlich perfekt ist – Laufen und Radeln im Fitnessstudio ist eben doch nur zweite Wahl, da Bewegung in der Natur einfach mehr Spaß macht. Deshalb suchen die Studios nach neuen Kombinationen aus Bewegung, Erlebnis und Wettkampf, die man nur indoor erleben kann. Eine ganz ungewöhnliche Art des Fitnesstrainings bietet die T-Wall, die nicht von einem deutschen Telekommunikationsunternehmen, sondern von Ingenieuren der Firma Looxor in Magdeburg erfunden wurde. Die Wand ist mit bis zu acht mal acht Leuchttafeln bestückt, die computergesteuert in einem Zufallsmuster aufleuchten. Mit Händen und Füßen muss der Spieler versuchen, die Leuchtfelder zu berühren. Das trainiert nicht nur die Beweglichkeit, sondern auch die Konzentration und das Reaktionsvermögen und ermöglicht heiße Wettkämpfe gegen Freunde.

Ein Handicap werden die Fitnessstudios allerdings nie loswerden: Man muss es fertigbringen, nach der Arbeit zusätzlichen Fahrtweg und Zeit zu opfern. Für Faulpelze wäre es ideal, könnten sie die körperliche Aktivität in den Tagesablauf einbauen – so wie die Menschen vergangener Jahrhunderte, die vorwiegend harte körperliche Arbeit verrichten mussten. Doch weil die meisten Menschen heute aus Bequemlichkeit doch lieber den Aufzug nehmen statt die Treppe hinaufzusteigen, entwickeln die Hersteller von Fitnessgeräten neue computergestützte Hometrainer, die sich in den Alltag integrieren lassen – zum Beispiel am Arbeitsplatz. Dabei berücksichtigen sie die Erkenntnis, dass nicht bloß mangelnde Bewegung die Gesundheit beeinträchtigt, sondern immer mehr auch Stress. Bei Tätigkeiten im Büro ist die Leistungsgrenze heute nicht bloß durch physische Grenzen etwa der Muskulatur gegeben, sondern auch durch psychische Erschöpfung.

Schon kleine Ruhepausen können hier Wunder bewirken, und da die meisten Menschen ohnehin am PC arbeiten, drängt sich die Entspannung mittels Computer geradezu auf. Das österreichische Unternehmen Comesa aus Wien zum Beispiel hat den Fingersensor iSense entwickelt. Er misst bei der Arbeit am PC die Temperatur und den Leitwert der Haut und bestimmt daraus den Stresspegel. Ist der zu hoch, blendet sich ein kleines Computerspiel ein, das mit etwas Übung die Entspannung fördert. Denkbar ist auch, dass der Computer seine Arbeit ganz einstellt. Dann muss der Nutzer in einer Gummizelle mit Boxhandschuhen auf einen Sandsack eindreschen, der mit einem Beschleunigungssensor die Schläge zählt. Durch seine Hiebe erkämpft sich der Mitarbeiter neue Arbeitszeit und hebt die Blockade am PC auf, sodass er eine bestimmte Zeit lang weiterarbeiten kann.

Bewegung als „Währung“ zum Erwerb von PC-Zeit – eine ähnliche Idee hatte Gillian Swan von Brunel Design in London. Sie verknüpft Sport und TV-Konsum auf eine clevere Art, die vor allem Eltern begeistern dürfte. Swan erfand eine Schuheinlage mit einem Drucksensor, der tagsüber die Schritte zählt. Zu Hause wird die Schrittzahl per Funk an ein kleines Kästchen übermittelt, das sie in Fernseheinheiten umrechnet und die Stromzufuhr zum Fernseher regelt. Mit 100 Schritten erläuft man sich eine Minute Fernsehen. Wer die von Gesundheitsexperten geforderten 12 000 Schritte pro Tag schafft, darf immerhin zwei Stunden in die Glotze schauen, bevor das Kästchen den Strom abdreht. Eigentlich ist die Erfindung mit dem sinnigen Namen Square-Eyes (Quadrataugen) für Kinder gedacht, aber die intelligente Einlage kann auch Erwachsenen neue Bewegungsanreize geben.

Doch bei Square-Eyes und iSense ist die Symbiose aus Sport und Unterhaltung nicht ganz zu Ende gedacht, denn es gilt: Wer keinen Sport treibt, darf nicht fernsehen oder am Computer sitzen. Als erstes Unternehmen hat der japanische Elektronikkonzern Sony erkannt, dass es kein Entweder-Oder geben darf, sondern ein Sowohl-als-auch geben muss. Das bedeutet: Der Computer selbst ist das Trainingsgerät. Er trainiert nicht nur das Sitzfleisch, sondern den ganzen Körper. Für Sonys Spielkonsole Playstation-2 gibt es das Spiel Kinetic, ein virtuelles Aerobicstudio, in dem ein oder zwei Spieler mit der Faust auf Boxsäcke einschlagen oder sie mit den Füßen wegtreten müssen. Auch an ein Aufwärmtraining wurde gedacht: Auf dem Bildschirm wird eine Kamera montiert, die 60-mal in der Sekunde die Bewegungen der Spieler aufzeichnet und ihr Bild in die virtuelle Umgebung einklinkt. Mit der Zeit steigert sich das Spieltempo – nach etwa zehn Minuten steht man ermattet vor der Mattscheibe.

Fehlt noch etwas? Ja – die Bewegung an der frischen Luft, denn die Playstation steht im Wohn- oder Kinderzimmer, aber nicht in einem Garten oder Park. So genannte Pervasive Games, allumfassende Spiele, sollen die Lücke zwischen Computerspiel und realer Umgebung schließen. In einem EU-Projekt entwickeln Forscher des Fraunhofer-Instituts für Angewandte Informatik in Sankt Augustin ein Freiluft-Computerspiel namens Epidemic Menace (epidemische Bedrohung). Die Spieler jagen im Park des Schlosses Birlinghoven ansteckenden Viren hinterher und versuchen deren Schöpfer dingfest zu machen. Die Mikroben werden über eine Spezialbrille eingeblendet, der Spieler sieht gleichzeitig das Computerbild und den Schlosspark. Die Elektronik trägt jeder Spieler in einem Rucksack mit sich, der ihn per Funk mit einer Zentrale vernetzt. Dort berechnet ein Computer, wo sich der Spieler befindet und in welche Richtung er blickt. Sogar die Windrichtung wird berücksichtigt, sodass die roten Viren realistisch durch die Luft tanzen.

Im Laden wird man Spiele wie Epidemic Menace jedoch erst einmal nicht kaufen können, die Ausrüstung wäre viel zu teuer. Sabiha Ghellal vom Projektpartner Sony NetServices glaubt dennoch an die Zukunft der Freiluftspiele: „Solche Spiele könnten schon bald in Vergnügungsparks oder bei Großveranstaltungen eingesetzt werden.“ ■

Bernd Müller

Ohne Titel

„Ich bin nicht übergewichtig, ich bin nur untergroß.“ Mit diesem schlauen Spruch mogelt sich Garfield, der fette Comic-Kater, um die Tatsache herum, dass er eindeutig zu viel Lasagne futtert. Der Body-Mass-Index (BMI) kennt auch bei Garfield kein Erbarmen. Die bekannte und häufig benutzte – unter den Wissenschaftlern allerdings umstrittene – Größe verknüpft das Körpergewicht und die Körperlänge. Dazu wird das Körpergewicht in Kilogramm durch das Quadrat der Körperlänge in Metern geteilt – das heißt bei einem Gewicht von 96 kg und einer Größe von 1,96 m: 96 /(1,96 · 1,96) = 25. Laut Weltgesundheitsorganisation liegt der Bereich des Normalgewichts bei einem BMI zwischen 18,5 und 25. Wer wie Garfield darüber liegt, ist demnach übergewichtig (oder eben „untergroß“) und hat angeblich ein höheres Risiko für Diabetes oder Herz-Kreislauf-Krankheiten. In Deutschland hat jeder Vierte einen BMI über 30.

Ohne Titel

Einer der Pioniere in Sachen Eigendiagnose ist das Unternehmen Vitaphone, das 1999 in Mannheim gegründet wurde. Vitaphone vertreibt ein Handy für Herz-Risiko-Patienten, das auf der Rückseite vier Kontakte besitzt. Fühlt sich der Patient unwohl, legt er das Handy auf die Brust und erstellt ein EKG, das per Mobilfunk in die Vitaphone-Notfallzentrale geschickt wird. Die ist rund um die Uhr mit einem Arzt besetzt, der das EKG bewertet. Droht Gefahr, schickt er sofort Hilfe.

Vitaphone hat etwas mehr als 1000 Abonnenten. Es könnten viel mehr sein, wenn die Krankenkassen das mobile EKG bezahlen würden, klagt Unternehmenssprecher Benjamin Homberg. Das würde sich unterm Strich rechnen, ist Homberg überzeugt: „Vitaphone reduziert die durchschnittliche Einlieferungszeit ins Krankenhaus von vier Stunden auf 90 Minuten.“

Einen neuen Vorstoß in diesen schwierigen Markt wagen fünf Fraunhofer-Institute mit sensSAVE. Verschiedene Minisensoren, die zum Beispiel in einem Uhrenarmband stecken oder in ein Hemd eingewoben sind, messen Puls, Blutdruck, Sauerstoffsättigung und EKG. Per Funk werden die Daten in einer Basisstation am Körper gesammelt– zum Beispiel integriert in eine Uhr – und von dort an einen Rechner in der Wohnung gesandt, der eine Sichtung der Rohdaten vornimmt. Online gelangen die Informationen an eine Zentrale, wo Ärzte sofort eine Diagnose stellen. Hauptproblem des Konzepts ist die große Zahl von Informationen, mit denen die Mediziner überflutet werden. „Manche Experten zweifeln deshalb, dass das Ganze überhaupt funktionieren wird“, sagt Martin Schmidt vom Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation in Stuttgart. Doch Schmidt ist zuversichtlich und rechnet mit einem Bedarf von 10 000 Stück der Sensoren in den nächsten zehn Jahren. Die Markteinführung des Echtzeit-Vital-Monitoring ist für 2007 vorgesehen.

Ohne Titel

„Computer.Medizin – Hightech für Gesundheit und Lebensqualität“ zeigt noch bis zum 1.5.2007 im Heinz Nixdorf MuseumsForum in Paderborn auf 1000 Quadratmetern den Einsatz modernster Computertechnologie in Prävention, Diagnosen, Therapie und Rehabilitation. Begleitet wird die Schau, die sich vor allem an Laien richtet, von Kongressen und Vorträgen, bei denen auch Fachleute auf ihre Kosten kommen. Das Ganze ist als Wanderausstellung konzipiert und soll anschließend im Ausland zu sehen sein – „als Botschaft deutscher Hochtechnologie“, so Geschäftsführer Kurt Beiersdörfer. Mehr Infos zu der Ausstellung gibt es im Web unter www.computer-medizin.de

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