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SCHÄDLICHE BETTRUHE

Gesundheit|Medizin

SCHÄDLICHE BETTRUHE
„Raus aus dem Bett“ lautet heute die Devise, erklärt Hartwig Bauer (links) von der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie. Die Voraussetzung: eine sehr gute Schmerztherapie.

KRANKE GEHÖREN INS BETT! Für Generationen von Ärzten und Patienten gehörte das Therapieprinzip „strenge Bettruhe“ automatisch zur Behandlung. Umso heftiger schreckte die medizinische Gemeinde hoch, als 1999 ein australisches Team von Wissenschaftlern im renommierten Fachblatt „The Lancet“ diesem Dogma widersprach. „Bettruhe: Eine potenziell schädliche Behandlung, die der Überprüfung bedarf“, lautete der provokante Titel der Veröffentlichung. Der Mediziner Paul Glasziou und seine Kollegen hatten bei der Durchsicht wissenschaftlicher Studien entdeckt, dass Bettruhe bei den meisten Krankheiten nicht hilft – und, was schlimmer ist, sogar schaden kann. bild der wissenschaft berichtete über deutsche Reaktionen auf diese Kehrtwende (Heft 1/2001, „Im Bett sterben d’Leut“).

Diese Erkenntnis war keine Eintagsfliege – sie hat sich inzwischen allgemein durchgesetzt. Tatsächlich treibt das althergebrachte, oft wochenlange Liegen die Gefahr von Thrombosen in den Beinen in die Höhe. Außerdem sammelt sich durch den Bewegungsmangel häufig Schleim in der Lunge – dann droht eine Lungenentzündung. Auch die Psyche leidet in der Matratzen-Haft. So wurden Schwangere, bei denen die Wehen zu früh einsetzten, früher oft für seelisch belastende Monate ins Bett gezwungen, um eine Frühgeburt zu vermeiden – unnötigerweise!

„Bettruhe ist ein Therapieprinzip, das nie Sinn macht“, sagt Klaus Vetter heute. Der Leiter der Klinik für Geburtsmedizin am Berliner Vivantes Klinikum Neukölln stellt klar: Wenn in der Schwangerschaft Probleme auftreten, beispielsweise verfrühte Wehen oder Bluthochdruck, müssen die Ursachen erforscht und dann behandelt werden. Oft lägen Infektionen vor, die mit Antibiotika gezielt bekämpft werden können. Zudem gebe es Medikamente, mit denen man Wehen hemmen kann.

„In den vergangenen zehn Jahren hat sich ein radikaler Wandel vollzogen“, bestätigt Hartwig Bauer von der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie. „Als ich in der Chirurgie begonnen habe, musste ein Patient nach einer Leistenbruchoperation noch zehn Tage Bettruhe einhalten. Heute operiert man den Leistenbruch ambulant“, erklärt der erfahrene Operateur. Auch bei Eingriffen, die einen Krankenhausaufenthalt unstrittig notwendig machen, versuche man mittlerweile, die Patienten so schnell wie nur irgend möglich wieder zu mobilisieren.

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Im sogenannten Fast-Track-Konzept können Patienten beispielsweise nach einer Teilentfernung des Dickdarms noch am gleichen Tag die ersten Schritte gehen und schon nach vier Tagen nach Hause zurückkehren. Früher habe so etwas einen bis zu dreiwöchigen Krankenhausaufenthalt nach sich gezogen, sagt Bauer, mit mindestens einer Woche strenger Bettruhe. Voraussetzung für die schnelle Mobilisation sei natürlich „eine hervorragende Schmerztherapie“, betont er. Denn wenn der Patient sich vor lauter Schmerzen nicht bewegen kann, lässt er sich nicht mobilisieren. Eine ausreichende Schmerztherapie wäre auch früher schon möglich gewesen, sagt der Chirurg – nur habe man sich darauf zu wenig konzentriert. Schlüssellochchirurgie, neues Nahtmaterial und neue Nähtechniken haben das Ihre dazu beigetragen, dass Wunden nach einem Eingriff weniger Schmerzen verursachen.

Selbst bei Herzerkrankungen wird Bettruhe nur noch selten empfohlen. „Sobald der Patient stabil ist, wird er mobilisiert“, sagt Uta Hoppe, die am Universitätsklinikum Köln die Arbeitsgruppe Herzinsuffizienz und Arrhythmien leitet. Auch beim Hexenschuss, der häufigsten Ursache für Rückenschmerzen, wird der Patient nicht mehr ins Bett geschickt. Bauer warnt: Hexenschuss wird durch Bettruhe nur schlimmer. Nadine Eckert ■

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