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roboter nicht gefragt

Technik|Digitales

roboter nicht gefragt
Japan ist die Hochburg der Robotik. Doch nach der Havarie der Kernreaktoren in Fukushima mussten Menschen in den verstrahlten Gebieten helfen, und Roboter spielten fast keine Rolle. Prof. Oskar von Stryk leitet das Fachgebiet Simulation, Systemoptimierung und Robotik an der Technischen Universität Darmstadt. Mitarbeiter seines Instituts entwickeln Such- und Rettungsroboter, die als „Team Hector Darmstadt” bei den zehnten RoboCup German Open die Wettbewerbe in der Rescue Robot League gewonnen haben.

bild der wissenschaft: Herr Professor von Stryk, warum kämpften in der Ruine des Kernkraftwerk Fukushima wochenlang keine Roboter gegen den GAU, sondern Arbeiter und Feuerwehrleute?

Oskar von Stryk: Auch wenn die eindrucksvollen Erfolge von Prototypen bei Roboterwettbewerben einen anderen Eindruck vermitteln: Die für solche Einsätze erforderliche Technologie existiert noch nicht in ausreichendem Maße. Roboter zu entwerfen und zu bauen, die sicher und zuverlässig in einem Trümmerfeld wie in den zerstörten Kraftwerksgebäuden agieren können, ist eine sehr schwierige Aufgabe, an deren Lösung Forscher und Ingenieure noch arbeiten.

Was sind die größten Schwierigkeiten?

Ein großes Problem ist die Fortbewegung auf einem unstrukturierten und ungleichmäßigen Untergrund, wo Hindernisse herumliegen und vielleicht Stufen oder geschlossene Türen den Weg versperren. Außerdem hätten Roboter in Fukushima vielfältige Aufgaben bewältigen müssen, etwa Löcher abdichten, Ventile schließen oder Pumpen in Gang setzen. Autonome Systeme, die das leisten können und die ausreichend erprobt sind, gibt es bislang nicht.

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Aber ist nicht ein Vorteil von Robotern, dass sie sich problemlos in einer radioaktiv verstrahlten Umgebung aufhalten können?

Nein, im Gegenteil. In Robotern steckt reichlich komplizierte Elektronik, etwa Sensoren zum Erfassen der Umgebung sowie Mikrochips zum Auswerten der Messdaten und zur Steuerung von Bewegungen. Diese elektronischen Bauteile sind sehr anfällig für Radioaktivität, speziell für die energiereiche Gammastrahlung. Sie kann Messfühler und Schaltkreise schädigen oder gespeicherte Daten löschen – und so letztlich den Roboter außer Gefecht setzen. Um einen Roboter in einem radioaktiv strahlenden Umfeld einsetzen zu können, muss man seine Mikroelektronik aufwendig abschirmen. Doch die meisten heute verfügbaren Roboter haben keine solche Abschirmung. Ferngesteuerte Roboter, wie sie etwa der deutsche Kerntechnische Hilfsdienst besitzt, können zwar der Radioaktivität widerstehen und etliche nützliche Aufgaben erledigen – doch damit hätte sich allenfalls ein kleiner Teil der Aufgaben angehen lassen, die sich in Japan nach Erdbeben und Tsunami gestellt haben.

Was können ferngesteuerte oder autonom agierende Maschinen bei Katastrophen wie in Fukushima überhaupt leisten?

Die vorhandene Robotertechnologie kann bei Aufklärung und Überwachung sowie – sehr eingeschränkt – bei Aufräum- und Reparaturarbeiten helfen. So lassen sich Roboter nutzen, um die Radioaktivität in der Umgebung der Reaktoren zu messen, was in Fukushima auch geschah. Fliegende Systeme wie unbemannte Drohnen und Hubschrauberroboter können aus der Luft detaillierte Bilder vom Unglücksort erstellen – auch das wurde in Fukushima gemacht.

Rüstet man in Japan, wo ein Drittel des Stroms in Kernkraftwerken generiert wird, Roboter nicht auch für nukleare Einsätze aus?

In Japan lässt sich eine zwiespältige Entwicklung beobachten: Zwar gibt es dort viele weltweit führende Forschergruppen auf dem Gebiet der Suchroboter für Katastropheneinsätze. Doch in Forschung an Robotern für die Nukleartechnik wurde bisher kaum investiert.

Wie kann man Roboter fit machen für Katastropheneinsätze?

Man bräuchte eine neue Klasse verschiedener Robotersysteme mit unterschiedlichsten Fähigkeiten zur Fortbewegung, Manipulation und Aufklärung, die rauesten Bedingungen widerstehen können. Dazu müssten – ausgehend von einer sorgfältigen Analyse der Katastrophe in Japan – zunächst die Anforderungskriterien klassifiziert werden.

Woran hakt es bei der Erforschung und Entwicklung von Robotertechnik, die für Hilfseinsätze nach solchen Katastrophen taugt?

Ein grundsätzliches Problem ist, dass die Robotersysteme einerseits hohe und vielfältige Ansprüche zu erfüllen haben, die einen großen Entwicklungsaufwand erfordern, dass es aber andererseits keinen Markt gibt, der wirtschaftliches Interesse an solchen Technologien hat und ihre Entwicklung mit Investitionen vorantreiben würde. Aufklärung und Beseitigung von Schäden nach Unglücksfällen liegen normalerweise in der Öffentlichen Hand. Doch dort ist die Motivation gering, in die Entwicklung von Technologien zu investieren, von denen man nicht weiß, wann und wo sie je gebraucht werden. ■

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