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Was macht eigentlich der Mumienforscher Frank Rühli

Geschichte|Archäologie Gesundheit|Medizin

Was macht eigentlich der Mumienforscher Frank Rühli
Es gibt etwas, das die prominenten Mumien Ötzi und Tutanchamun gemeinsam haben: Sie sind beim gleichen Arzt in Behandlung. Zwei Tage im Leben des ungewöhnlichen Mediziners Frank Rühli.

Der Campus Irchel der Universität Zürich ist gepflastert mit türkisblauen Plakaten. So kann keinem Studenten, Mitarbeiter oder Besucher entgehen, dass hier eine Ausstellung läuft. „Mumien – Mensch, Medizin, Magie“ heißt die exquisite Schau in der Winterthurerstraße, die Frank Rühli ersonnen und aufwendig umgesetzt hat. Wer ihn kennt, ist nicht überrascht: Der Mediziner agiert häufig öffentlichkeitswirksam. Seit Rühli 2005 Ötzi und Tutanchamun untersucht hat, ist er fast so bekannt wie die beiden mumifizierten Patienten selbst.

Wegen seiner Mumienausstellung bekommt der Experte derzeit täglich Anfragen von Medien. Am Morgen, kurz vor unserem Treffen, hat er dem „Züritipp“ ein Telefoninterview gegeben – das ist der wichtigste Veranstaltungskalender, aus dem die Zürcher erfahren, was los ist in der Stadt. „Normalerweise habe ich etwa einmal in der Woche Kontakt mit Medien“, erklärt der Routinier. Das kostet viel Zeit, und die Arbeit leidet zum Teil darunter.

Es ist der zweite Dienstag im Oktober 2011 – Rühlis erster Tag im Büro seit Längerem. Tags zuvor ist er seiner Pflicht als Major der Schweizer Armee nachgekommen. Es stand die Inspektion einer Rekrutenschule an. Rühli musste als Brigadearzt den Sanitätsdienst der Truppe kontrollieren, indem er etwa das Erste-Hilfe-Verhalten der Rekruten testete.

Davor hatte ihn seine Mumien-Expertise für einige Tage in den Iran geführt. Ein Privileg, wie er sagt. Denn die iranischen Archäologen überlegten genau, in wessen Hände sie ihre Funde geben. In einem historischen Salzbergwerk in der Provinz Zanjan im Nordwesten des Landes waren mumifizierte Körper aufgetaucht. Zwei davon sind perfekt erhalten, sie haben sogar noch Taschen mit Salz auf dem Rücken.

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2007 war Rühli das erste Mal am Fundort. Bei seinem jetzigen Besuch hat der Mumiendoktor die besterhaltene Salzmumie in einen Computertomographen geschoben. Die Ergebnisse müs-sen erst noch ausgewertet werden. Rühli kann aber schon sagen, dass der Tote zahlreiche Knochenbrüche hat, die inneren Organe aber relativ gut erhal- ten sind.

Doch der Alltag als Hochschulangestellter hat den Weitgereisten nun wieder, und der Startschuss für den Tagesmarathon ist gefallen: Zwei Stunden Vorlesung, eine Stunde Mitarbeiterbesprechung, drei Stunden Präparierkurs. Längere Pausen sind nicht vorgesehen. Am Abend wird Rühli mit einem Doktoranden noch ein Bier trinken gehen.

Jetzt schnappt sich der groß gewachsene 39-Jährige, leger in Jeans und Pulli gekleidet, sein Apple-Notebook und läuft eiligen Schrittes ein Stockwerk tiefer zu seiner Vorlesung. In dem kleinen Saal, fensterlos und holzgetäfelt, wartet bereits ein gutes Dutzend Bachelorstudenten der Humanbiologie auf die erste Sitzung in diesem Semester. Das Thema: „Bildgebende Verfahren in der biomedizinischen Forschung und Diagnostik“.

Als sei er nicht der allseits bekannte Mumienforscher, stellt Frank Rühli sich namentlich vor und startet seine Präsentation. Auf die Vor- und Nachteile der verschiedenen Verfahren wie Röntgen, Sonographie oder Computertomographie kommt es ihm an. Man merkt, dass Rühli ein Mann aus der Praxis ist und die Technik sein täglich Brot. Neben vielen klinischen Beispielen stammen einige auch von Untersuchungen an Mumien. Das Weichteilgewebe sei zwar anders, sagt er, aber Knochen sei Knochen. Die Fünf-Minuten-Pause nutzt ein Student, um zu fragen, ob Rühli seine Ausführungen auf Englisch fortsetzen könne. Nachdem es von den Kommilitonen keinen Widerspruch gibt, bringt der Dozent die Vorlesung wie selbstverständlich auf Englisch zu Ende.

Ebenso beiläufig jongliert der Abteilungsleiter Rühli in der anschließenden Mitarbeiterbesprechung mit den Sprachen – und hier geht es sogar „trilingual“ zu: englisch, hochdeutsch und schwyzerdütsch. Das zehnköpfige Team ist international besetzt: Neben der Schweiz sind Weißrussland, Russland, Österreich, die USA und Großbritannien vertreten. Rühli geht zackig durch die Themen. Bereits nach zehn Minuten sind alle organisatorischen Dinge geklärt. Dann überlässt der Chef einem Mitarbeiter das Wort, der – wie in der wöchentlichen Sitzung üblich – einen wissenschaftlichen Artikel aus der Mumienforschung vorstellt. Rühli nutzt die Gelegenheit, um in sein belegtes Laugenbrötchen zu beißen und den Blick aus dem Fenster des ersten Stocks schweifen zu lassen.

Nach dem Meeting erbittet Rühli einige ungestörte Minuten für seine E-Mails, bevor er wieder eine Etage tiefer muss – zum dreistündigen Präparierkurs. Bei dieser Veranstaltung sind keine Besucher zugelassen. Denn die Leichen, denen die Medizinstudenten mit dem Skalpell zu Leibe rücken, sind Körperspenden, die dem wissenschaftlichen Zweck und der Lehre dienen und unter Verschluss gehalten werden. Um dies zu respektieren, stellt Rühli seinem Journalistenbesuch samt Fotograf lediglich eine Stippvisite mit strengen Auflagen für den Kurs am nächsten Tag in Aussicht. Dann streift sich der Anatom seinen weißen Kittel über und verschwindet in dem Saal mit den Leichen.

Der Mittwoch beginnt für alle früh: Das bdw-Interview ist für 6.30 Uhr angesetzt – ein anderes Zeitfenster war nicht zu finden. Bange Minuten des Wartens im noch dunklen Gebäude: Wird er kommen? Aber ja, auf Schweizer ist Verlass. Mit seinem sportlichen Gefährt Stuttgarter Ingenieurskunst ist er angebraust und plaudert nun im Morgengrauen bereitwillig über Mumien, Tod und Religion:

Sie haben bereits 2005, zu Beginn Ihrer beruflichen Laufbahn, die Mumienstars Ötzi und Tutanchamun untersucht. Wieso wurden gerade Sie gefragt?

Bei Tutanchamun wurde ich als Schweizer von einem Kollegen empfohlen. Dieses Projekt hatte dann indirekt die Mitarbeit bei Ötzi zur Folge. Und an ihm sind wir jetzt noch dran: Wir untersuchen seine Zähne auf Karies und Parodontose. Auch bei Tutanchamun gibt es noch offene Fragen.

Wie groß ist die Konkurrenz in der kleinen Gemeinde der Mumienforscher?

Man spürt eine gewisse Konkurrenz bei den Prestigeprojekten. Sofern offen kommuniziert wird, finde ich das kein Problem, es kann mitunter sogar die Qualität fördern. Und ich bin auch schon von Kollegen gefragt worden: „Kannst du mich mit ins Boot holen?“ Es ist immer die Frage, wer gerufen wird, wenn eine neue Mumie auftaucht oder ein neues Projekt ansteht.

Wie sind Sie zur Mumienforschung gekommen?

Ich habe mich schon als Kind für das Alte Ägypten interessiert. Ich wollte auch Ägyptologie studieren, habe mich im letzten Moment aber doch für Medizin entschieden, weil die Ägyptologie sehr sprachlastig ist. Man muss Hieroglyphen lernen, das liegt mir nicht so. Durch die Kombination von Ägyptologie und Medizin bin ich schnell zu den Mumien gekommen.

Vor anderthalb Jahren haben Sie das Zentrum für Evolutionäre Medizin gegründet. Zu welchem Zweck?

Das Zentrum bündelt Aktivitäten, die ich bereits betreibe. Unser Ziel ist es, von Individuen der Vergangenheit – meist Skeletten und Mumien – etwas für die heutige Medizin zu lernen, zum Beispiel über die Evolution von Krankheiten. Wir wollen wissen: Wie haben sich Krankheiten verändert? Wo sind sie aufgetreten? Wie stark waren sie ausgeprägt? Dazu müssen wir auch wissen, wie sich der Mensch verändert hat. Der ist ja nicht statisch, sondern beispielsweise größer und schwerer geworden. Ein Schweizer, der 30 Jahre später geboren ist als ein anderer, hat zudem vielleicht eine andere Gen-Struktur, einen leicht anderen Metabolismus oder eine andere Konstitution und braucht deshalb eine andere Medizin. Solche Wandlungen zu zeigen, ist das Ziel der Evolutionären Medizin.

Welche Erkenntnisse liefern die Mumien dabei?

Kollegen aus München haben sich die Evolution der Tuberkulose angeschaut, also quasi den Familienstammbaum. Dafür haben sie jahrtausendealtes Material aus oberägyptischen Mumien verwendet. Es ist wichtig zu wissen, welcher Tuberkulose-Stamm aus welchem hervorgegangen ist – auch für die Frage, wie sich der Erreger in Zukunft entwickeln wird.

Sie haben 2010 verschiedene Mumifizierungsarten an Teilen von gespendeten Körpern ausprobiert. Was ist dabei herausgekommen?

Die Haupterkenntnis ist, dass wir die ägyptische Variante nachmachen können. Wir haben hier allerdings eine höhere Luftfeuchtigkeit, sodass das Austrocknen vermutlich weniger gut ging als im Alten Ägypten. Es gibt zudem Hinweise darauf, dass die Leichen damals nicht komplett in Natronsalz gelegen haben, sondern wohl nur oberflächlich bestreut wurden – dafür aber sehr oft. Wir haben gesehen, dass man nicht viel Natron braucht, jedoch eine regelmäßige Erneuerung. Ich denke, dass sich die Ägypter stark mit den toten Körpern beschäftigt haben.

Was wurde aus den anderen Mumifizierungs-Experimenten?

Den Versuch, mit Hitze zu mumifizieren, wie es auf natürliche Weise in der Wüste geschieht, mussten wir abbrechen. Das Gewebe hat sich stark zersetzt. Der Versuch hat also leider nicht funktioniert.

Wo liegt für Sie im Umgang mit Mumien die Grenze zur Pietätlosigkeit?

Das Wichtigste ist: Es muss einen wissenschaftlichen Ansatz geben – schlichte Neugierde reicht nicht. Die Grenze ist für mich dann überschritten, wenn es keinen Wissensgewinn gibt. Wir haben auch umgekehrt eine Verpflichtung: Wenn wir Wissen gewinnen können und machen es bewusst nicht, ist das eigentlich unethisch. Wenn ich etwas über Tuberkulose lernen kann und lasse es bleiben, ist dies wohl schlecht für den medizinischen Erkenntnisgewinn. Und dann ist da freilich noch die Frage, wie invasiv wir sein dürfen, auch im übertragenen Sinn. Wenn ich die DNA-Analyse bei einem Pharao mache, weiß ich am Ende vermutlich mehr über seinen Gesundheitszustand und seine Verwandtschaftsverhältnisse als er selbst wusste.

Hat sich Ihre Einstellung zum Tod seit Ihrer Arbeit mit Mumien verändert?

Ja, schon. Aber vielleicht liegt das auch einfach am Erwachsenwerden. Als Kind hatte ich eine extreme Hürde, ins Spital zu gehen. Ich hatte das Gefühl, da liegen überall Tote. Mittlerweile habe ich ein professionelleres Verhältnis dazu. Ich gehe aber nicht zum Vergnügen in den Präpariersaal. Gestern zum Beispiel: Da musste ich von einer Leiche, die noch im Sarg lag, eine Knochenprobe entnehmen, weil wir frisches Vergleichsgewebe brauchten – das mache ich nicht sehr gerne.

Beeinflusst Ihre religiöse Einstellung Ihre Arbeit?

Ich bin christlich erzogen. Der Körper per se hat da ja nicht so viel Wert. Man geht davon aus, dass die Seele weiterlebt. Trotzdem denke ich, dass es etwas anderes ist, einen 3000 Jahre alten Körper vor sich zu haben als einen 3000 Jahre alten Tisch. Der Körper hat eine gewisse Symbolik, egal ob lebendig oder nicht.

Wie finden Sie es, wenn Menschen sich heute mumifizieren lassen?

Meiner Vorstellung entspricht das nicht, ich möchte nicht mumifiziert werden. Aber es gibt Leute, die das wollen, vor allem in den USA. Sie zahlen viel Geld, um sich mithilfe der Kryotechnik tieffrieren zu lassen. Was das bringen soll, weiß ich nicht. Eigentlich finde ich das eher Blödsinn.

Für ein Leben in der Gefriertruhe wäre es ohnehin zu früh, denn Rühli hat heute noch zahlreiche Verpflichtungen. Ein Treffen mit seinem Juristen steht an, ein Zahnarzttermin und viele Besprechungen – auch außeruniversitäre. Neben seiner Tätigkeit als Wissenschaftler engagiert sich der gebürtige Zürcher auch politisch. Er ist Kreisparteipräsident der Schweizer FDP und im Vorstand der Stadtpartei. Die Liberalen – nicht ganz äquivalent zur deutschen FDP – sind seit 1848 ununterbrochen im Bundesrat vertreten. „Das ist Weltrekord“, sagt der Eidgenosse stolz. Sein politisches Amt nutzt er auch, um Lobbyarbeit für die Universität zu betreiben – etwa dann, wenn er sich zum Gespräch mit Kantonsräten trifft. Die Hochschule finanziert sich über den Kantonsrat, der das Budget genehmigt – wenn man dahin gute Beziehungen habe, helfe das natürlich, universitäre Anliegen durchzusetzen.

„Zudem geht es mir darum, den Lebensstandard unserer Stadt zu halten und für ein sauberes, sicheres und schönes Zürich zu sorgen“, betont der Lokalpatriot, der bis auf einige Studienjahre in Australien und viele Auslandsreisen sein Leben hier verbracht hat. „Zürich ist eine von den ganz tollen Städten“, schwärmt er. „ Es hat eine Internatio- nalität und nicht das Verwaltungstechnische, was etwa die Hauptstadt Bern für mich gelegentlich ausstrahlt.“ Auch was die Universität angeht, müsse sich seine Heimatstadt nicht verstecken: „Wir können vielleicht nicht mit Harvard mithalten, aber die medizinische Fakultät ist in Rankings immer bei den Top Ten in Europa.“

Von der Mediziner-Ausbildung können wir uns am Nachmittag selbst ein Bild machen, denn Rühli ist es tatsächlich gelungen, seine Besucher zum Kursende in die Präpariersäle zu führen. Für die rund 150 Studenten in weißen Kitteln und blauen Handschuhen stehen heute auf dem Curriculum des Praktikums „Klinische Anatomie I“: seitlicher Kopf und Hals, Achselbereich und Genitalregion. In drei miteinander verbunde-nen Räumen liegen jeweils bis zu acht beige-braune Körper auf silbernen Stahltischen und werden mit verschiedenen Instrumenten bearbeitet. Kleinere Gewebereste sind in orangefarbenen Schüsseln gelandet. Nun sind die Studenten schon dabei, die Toten für die Haltbarkeit mit Formalin einzusprühen und sie mit Tüchern abzudecken. Rühli, der mit drei Kollegen den Nachwuchs schult, erklärt uns: „Wir bekommen etwa 100 Körperspenden pro Jahr, meistens von älteren Menschen. Das bedeutet manchmal: mürbe Muskeln, Krebsgeschwüre, Herzschrittmacher“ – echte Patienten eben.

Noch viel älter sind die Patienten im gegenüberliegenden Gebäude in Rühlis Mumienausstellung, der wir einen Besuch abstatten: der ptolemäische Priester Nes-Schu aus der Zeit zwischen 300 und 200 v.Chr., die „Römermumie“ aus Unterägypten, etwa 150 n.Chr., die Basler Barfüsser-Mumiendame aus dem 16. oder 17. Jahrhundert n.Chr. Hier gewinnt man gute Einblicke in Rühlis Arbeit als Paläo-Pathologe. Der „Leibarzt“ von Ötzi und Tutanchamun hat etwa auch die „Peruanische Hockermumie“ untersucht. Dieser Jüngling starb mit rund 16 Jahren und wurde um 1200 n.Chr. in kauernder Haltung mumifiziert, wohl teils natürlich, teils künstlich. Mithilfe der Magnetresonanztomographie stellte Rühli fest, dass jenem die meisten inneren Organe fehlen. „Die Bandscheiben waren jedoch noch sehr gut zu erkennen und Teile des Gehirns sind erhalten.“

Darauf angesprochen, ob der Peruaner in der Ausstellung bewusst so spärlich beleuchtet sei, sagt Rühli: „Das war nicht ganz so beabsichtigt. Ich war aber leider nicht da, als die Kollegen das installiert haben.“ Und nach kurzem Überlegen gesteht er: „Sie haben vielleicht gemerkt, dass ich manchmal pedantisch bin und meinen Leuten viel abverlange. Fehler können mich schon etwas sauer machen.“ Ändern lässt sich die Beleuchtung nicht, denn die Mumien liegen fest verschlossen hinter Kunststoff und Glas. Eigens für die Ausstellung wurde eine mehrere Meter hohe, begehbare „Grabkammer“ gebaut, die von außen eher an eine futuristische Raumkapsel erinnert.

Zu der Frage, ob man tote Menschen überhaupt ausstellen sollte, bezieht Rühli klar Position: „Ja, meistens schon. Man muss aber einen edukativen Anspruch haben. Und wir haben die Mumien absichtlich in die Kapsel gelegt, damit jeder entscheiden kann, ob er sie sehen möchte oder nicht. Wenn man in die Kammer hineingeht, wird man das bewusst tun und nicht einfach mit einem Sandwich in der Hand an den Mumien vorbeischlendern.“ Entsprechend kritisch beurteilt der Forscher andere Konzepte, bei denen Leichen nur zu Showzwecken präsentiert werden – „für mein Empfinden so geschehen bei einzelnen Exponaten in den ‚ Körperwelten‘ von Gunther von Hagens, einem Pionier der Präparationstechnik“.

Bei der Rückkehr ins Büro findet Rühli eine Überraschung auf seinem Schreibtisch: zwei große Kisten. Inhalt: zwölf mittelalterliche Gehirne, teils in den Schädeln. Herkunft: eine Grabung in der Beneluxregion. Zustand: fast intakt bis stark zerfallen. Einige Schädel sind in Plastik gehüllt und beim Transport feucht geworden. Es rieselt ordentlich heraus, als Rühli sie hochhebt. Manche Gehirne liegen mit Formalin getränkt in Eimern, teilweise wohl von Pilz befallen. Sie können nicht mehr im institutseigenen DNA-Labor auf genetische Spuren untersucht werden. „Sobald etwas in Formalin liegt, geht das kaum mehr“, erklärt der Experte. Trotz des teils schlechten Zustands wird er den Gehirnen mit anderen Verfahren Informationen entlocken können, ist er überzeugt.

Die Hirn-Post belegt einmal mehr: Rühlis Kompetenzen sind über die schweizerische Grenze hinaus gefragt. Nach doppelter Promotion, Habilitation und reichlich wissenschaftlichen Meriten ist der Professorentitel wohl nur noch eine Frage der Zeit. ■

bdw-Redakteurin CORNELIA VARWIG war überrascht, dass die Leichen im Präpariersaal deutlich mehr Interesse als Abscheu bei ihr auslösten. Dem krisenerprobten Fotografen Tim Wegner hingegen war nach dem Termin leicht mulmig zumute.

von Cornelia Varwig (Text) und Tim Wegner (Fotos)

Mehr zum Thema

Internet

Zentrum für Evolutionäre Medizin am Anatomischen Institut der Universität Zürich: evolutionäremedizin.ch

Das Anatomische Institut der Universität Zürich: www.anatom.uzh.ch

Frank Rühli von seiner politischen Seite: frank-ruehli.ch

Das Projekt zu den iranischen Salzmumien (auf Englisch): www.saltmen-iran.com

Kompakt

· Neben seiner Arbeit am Anatomischen Institut der Universität Zürich betreut Frank Rühli weltweit diverse Mumienprojekte.

· Er hat das Zentrum für Evolutionäre Medizin gegründet, um die Entwicklung von Krankheiten zu erforschen.

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