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VERBLASSTE FOLIENTRÄUME

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VERBLASSTE FOLIENTRÄUME
Der US-Forscher Michael Kasperbauer fand heraus, dass farbige Folien das Wachstum von Obst und Gemüse fördern können – in Menge wie in Qualität. Doch die Landwirte zögern, die Folien einzusetzen.

ROT UND GRÜN statt Schwarz! Für den Amerikaner Michael Kasperbauer war dies keine politische Kampfansage, sondern sein Forschungsprojekt am Agricultural Research Center (ARS) in Florence/South Carolina. Er wollte die in der Landwirtschaft seit mehr als 50 Jahren verwendeten schwarzen Polyethylen-Folien vom Acker schaffen und durch bunte Folien ersetzen. Schließlich hatte der Pflanzenphysiologe bewiesen, dass farbige Planen einen guten Einfluss auf bodennah wachsendes Obst und Gemüse haben: „Bei Tomaten sind die Ernteerträge bis zu 50 Prozent höher, wenn die Pflanzen über roter Folie statt über schwarzer wachsen”, fand Kasperbauer heraus (bild der wissenschaft 4/1999, „Wenn Tomaten rot sehen”). Bei Erdbeeren, Bohnen, Baumwolle und Paprika verbessert Rot ebenfalls die Ernte.

Mit der Folienfarbe ändert sich obendrein die chemische Zusammensetzung der Pflanzenprodukte: So entwickeln Basilikumblätter über Grün mehr Aromastoffe, und Rüben unter Blau bekommen einen schärferen Geschmack – eine Entdeckung mit faszinierenden Perspektiven. Doch Kasperbauers Folienträume blieben bis dato weitgehend unerfüllt. Seine bunten Planen, die seit Mitte der 1990er-Jahre unter dem Produktnamen SRM im Agrarhandel erhältlich sind, haben einen Marktanteil von nur einem Prozent. Man mag vermuten, dass dies am Preis liegt – die schwarze Konkurrenz ist mit 1000 Dollar pro Hektar um 30 Prozent billiger. Doch der wahre Grund ist ein anderer.

„Unsere Farmer haben große Angst, dass durch die Folien etwas schieflaufen könnte”, berichtet Mark Jordon, Präsident der American Society for Plasticulture (ASP). „Sie befürchten, dass die Ergebnisse nicht auf ihre Region übertragbar sind und scheuen das Risiko.” Dabei braucht Kasperbauer sich von keinem vorwerfen zu lassen, dass er mit unerklärlichen Hokus-Pokus-Effekten hausieren ginge. Durch solide Grundlagenforschung hat er nachgewiesen: Die stoffwechselregulierenden Phytochrom-Pigmente in einer Pflanze reagieren sehr sensibel auf das Lichtspektrum. Sobald mehr dunkelrotes als hellrotes Licht auf eine Pflanze fällt – als Folge der ausgelegten roten Folie –, wächst sie schneller in die Höhe und bildet größere Blätter, während ihre Wurzeln sich weniger stark ausbilden. Durch grüne oder blaue Folien hingegen wird ein geringerer Dunkelrot-Anteil des Sonnenlichts auf die Pflanze reflektiert, woraufhin sie ihre Nährstoffe hauptsächlich im Wurzelbereich investiert – das kommt Rüben und anderen Bodenfrüchten zugute.

Die ASP, ein Verband von Wissenschaftlern und Verpackungsherstellern, hat den Kampf noch nicht aufgegeben. „Wir erklären den Bauern, dass sie mit dieser simplen Technologie ihren Pestizid-Verbrauch drastisch reduzieren können”, sagt Jordon. Die Farbe Gelb wirkt extrem anziehend auf Schädlinge wie Fruchtfliegen und Käfer – vermutlich, weil kranke Pflanzen gelbe Blätter bilden und dadurch Schwäche signalisieren. Wenn ein Bauer zum Beispiel jede siebte Reihe auf seinem Feld mit einer gelben Folie umwickelt, werden die Schädlinge sich überwiegend dort tummeln. Also bräuchte der Landwirt nur auf dieser Reihe Pestizide zu versprühen, anstatt wie bisher auf der ganzen Anbaufläche, und könnte dadurch sechs Siebtel des Spritzmittels einsparen.

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Für den 2003 pensionierten Kasperbauer ist die bäuerliche Sturheit nicht nachvollziehbar. Wenigstens gibt es für den mittlerweile 79-Jährigen im wahrsten Sinn des Wortes einen Silberstreif am Horizont: „SRM Silver” – metallisierte Plastikplanen gegen Läuse. „Ihr Marktanteil steigt und liegt jetzt bei 10 Prozent”, sagt Jordon. Viele Bauern in den Bundesstaaten Florida und Georgia verwenden sie bei der Tomatenzucht. Das Folienschwarz hat Konkurrenz bekommen. Désirée Karge■

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