Jede dritte Schülerin in Deutschland leidet an Essproblemen. Das ist das erschreckende Fazit einer Studie an 736 Gymnasiasten im Alter von 14 bis 16 Jahren, die Prof. Bernhard Strauß und seine Mitarbeiter an der Universität Jena durchgeführt haben. 35 Prozent der befragten Schülerinnen zeigen Vorformen der Magersucht oder der Bulimie, und die Forscher halten 14 Prozent für massiv gefährdet. Diät halten, Abführmittel und Appetitzügler einnehmen, absichtliches Erbrechen sowie exzessiver Sport können erste Anzeichen für eine beginnende Essstörung sein. „Wenn Jugendliche peinlich genau ihr Gewicht kontrollieren, ist das eine deutliche Warnung“, sagt Strauß. Bisher kennt man weder Ursachen noch Risikofaktoren für Essstörungen. US-Forscher glauben, einem Gen auf der Spur zu sein, das anfällig für die Entwicklung dieser Erkrankungen macht. Etliche Wissenschaftler halten dagegen den extremen Kult um die Idealfigur für den Auslöser. So hatten viele der befragten Schülerinnen ein verzerrtes Bild ihres Körpers. Sie schätzten sich schwerer ein, als sie wirklich sind. Und eine extrem untergewichtige virtuelle Figur beurteilten sie als idealgewichtig. Strauß meint, Essstörungen seien meist ein Ausdruck von starker innerer Verunsicherung. Die Jugendlichen hätten Probleme etwa mit ihrer Identität und ihrer Stellung in der Gesellschaft. Sie seien mit ihren Leistungen in der Schule oft unzufrieden und machten sich Sorgen über ihre Zukunft. Die Therapieaussichten sind nicht rosig: Etwa die Hälfte aller essgestörten Patientinnen wird innerhalb von zwei Jahren rückfällig. Das geht aus der deutschen, multizentrischen Studie MZ-Ess hervor. Eine europaweite Studie zeigt, dass der Erfolg einer Behandlung wesentlich von der Dauer des Klinikaufenthalts abhängt. Nach offiziellen Schätzungen leiden in Deutschland über 100000 Frauen an Magersucht, mindestens 600000 an Bulimie. Männer sind deutlich seltener betroffen, was wohl auch daran liegt, dass der ideale Mann nicht klapperdürr, sondern muskelbepackt ist. Eine Studie an essgestörten Männern in Deutschland bestätigt, dass diese weniger stark nach Schlankheit streben und mit ihrem Körper zufriedener sind als erkrankte Frauen.
Hans Groth