Die Ölindustrie hat eine fast vergessene Wissenschaft wieder entdeckt: die industrielle Mikropaläontologie. Um Öl aufzuspüren, führen die Firmen bisher in Gegenden, wo sie das Schwarze Gold vermuten, nur seismische Untersuchungen durch. Das heißt, sie erzeugen durch künstliche Erschütterungen seismische Wellen. Aus deren Ausbreitung und Reflexion berechnet der Computer dann Bilder, von denen Fachleute den Schichtverlauf im Boden ablesen können. Diese Bilder haben jedoch nur eine begrenzte räumliche Auflösung. Die Folge: Oft bohren die Firmen einige hundert Meter neben der richtigen Stelle und setzen so einige Millionen Euro in den Sand. Prof. Martin Langer von der Universität Bonn bietet jetzt einen Ausweg an. Er bildet Nachwuchswissenschaftler in Mikropaläontologie aus. Denn winzige versteinerte Einzeller, so genannte Foraminiferen, können verraten, wo sich die Suche nach Öl lohnt. Anhand der speziellen Mikrofossilien, die bei einer Probebohrung ans Licht kommen, kann ein Mikropaläontologe schließen, ob es hier Öl gibt, ob die Lagerstätte vom Bohrer noch nicht erreicht wurde oder ob das Gebiet „trocken” ist. Außerdem kann er die seismische „Landkarte” einordnen: Durch Vergleich der Funde mit den vorhergesagten Schichten kann er erkennen, wo die nächste Bohrung gesetzt werden soll. Die Foraminiferen sind von einer porösen Kalkhülle umgeben. Sedimente mit einem hohen Foraminiferen-Anteil können mit diesen Kalkschalen – wie ein Schwamm – Öl und Gas aufsaugen. Sie bieten also ideale Bedingungen für die Entstehung großer Lagerstätten. Fördert eine Probebohrung große Mengen der Fossilien zu Tage, kann man davon ausgehen, dass man an dieser Stelle auf Öl stoßen wird. Langer: „ Die industrielle Mikropaläontologie ist eigentlich eine alte Kunst. Sie geriet aber vor etwa 20 Jahren in Vergessenheit, weil die Ölfirmen damals geglaubt haben, mit seismischen Methoden leichter zum Ziel zu kommen.”
Hans Groth