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Auf dem Holzweg

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Auf dem Holzweg

Gemessen an der Zahl der eingeheimsten Auszeichnungen ist die junge Firma in Eisenach Spitze. So wählten die Zuschauer der ZDF-Sendung WISO die Tecnaro GmbH zum innovativsten Unternehmen. Auch der Mitteldeutsche Rundfunk zeichnete die Geschäftsführer Helmut Nägele und Jürgen Pfitzer aus: Sie erhielten den „Einfach genial“-Preis. Auf der weltgrößten Messe für Werkzeugbau, Design und Produktentwicklung in Frankfurt am Main gab es obendrauf den „ Euromold Award 2000 in Gold“ für herausragende technische, besonders kreative Lösungen. An Einfallsreichtum mangelt es den Jungunternehmern in der Tat nicht. Ihnen ist gelungen, woran sich viele in den letzten 150 Jahren die Zähne ausgebissen haben. Die beiden Forscher ertüftelten – damals noch am Fraunhofer-Institut für Chemische Technologie (ICT) in Pfinztal bei Karlsruhe – eine Rezeptur für flüssiges Holz (bild der wissenschaft 2/2000, „ Baumstark“). „Arboform“ nennt das Team seinen Werkstoff, der bei Temperaturen zwischen 110 und 170 Grad Celsius und einem Druck von 1000 Bar flüssig wird, sich dann in Formen spritzen lässt und nach dem Erstarren ähnliche Eigenschaften besitzt wie natürlich gewachsenes Holz. Der Name, abgeleitet vom lateinischen Wort „ arbor“ für Baum, ist Programm. Denn Bäume steuern den Grundstoff bei – die Substanz Lignin. Ihre organischen Riesenmoleküle sorgen im Arboform für die nötige Druckfestigkeit. Hinzu kommen bis zu 70 Prozent Füllmasse aus zerkleinerten Fasern: Hanf, Flachs, Jute, Sisal, Baumwolle. Seit 1998 sind der Badener Nägele und der Württemberger Pfitzer selbstständig, zuerst in Pfinztal und seit Mai 2000 in Eisenach. Motiviert war der Umzug nach Thüringen durch „Futour“, ein Programm des Bundeswirtschaftsministeriums zur Förderung junger Technologieunternehmen in den neuen Bundesländern. Auf finanzielle Unterstützung waren die Existenzgründer angewiesen. Schließlich mussten sie noch viel Entwicklungsarbeit in ihren Werkstoff stecken, um ihn zu optimieren. „Jetzt haben wir eine Standardrezeptur, mit der wir rund 80 Prozent aller möglichen Anwendungen abdecken können“, sagt Nägele. Diese Rezeptur, deren genaue Zusammensetzung der Geschäftsführer nicht verrät, wurde auf Herz und Nieren getestet. Die Mühe hat sich ausgezahlt, denn der Werkstoff bestand die unterschiedlichsten Prüfungen. So erwies sich Arboform beispielsweise als geeignet für die Herstellung von Spielwaren. Aus dem spritzbaren Holz werden derzeit Armaturenverkleidungen und Griffe im Inneren von Autos geformt. Der Werkstoff findet sich auch in Musikinstrumenten, Gehäusen für Elektronikartikel, Uhren und Modeschmuck. Trotz dieses weit gefächerten Anwendungsgebiets ist die Eisenacher Anlage, die jährlich 300 Tonnen des Ausgangsmaterials – ein braunes Granulat – verarbeiten kann, nicht ausgelastet. Doch das dürfte sich angesichts der rund 3000 Anfragen aus aller Herren Ländern in den letzten zwei Jahren bald ändern. Die Geschäftsführer sehen heute weltweit keinen einzigen Konkurrenten, der ein ähnlich gutes Lignin-Produkt anbietet. „Wir haben einen riesigen Know-how-Vorsprung“, betonen sie. Und der hat sie wählerisch gemacht: „Wir springen nicht mehr auf jede Anfrage an“, sagt Nägele – man beschränkt sich auf Projekte, die genügend Absatz versprechen. Besonders gern kooperiert das Unternehmer-Duo mit Kunststoffverarbeitern. Diese Branche besitzt die Spritzguss-Anlagen, mit denen sich die Masse in die richtige Form bringen lässt. Für den Vertrieb hat sich die Tecnaro mit der Hamburger Firma Biesterfeld-Plastic zusammengetan. „Das eröffnet uns Kanäle in 20 europäische Länder“ , sagt Nägele. So wäre es nicht verwunderlich, wenn es demnächst auch aus dem Ausland Auszeichnungen für das flüssige Holz hageln würde.

Paul Janositz

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