Einmal pro Jahr begeben sich Leser von bild der wissenschaft auf große Expedition. Ziele waren bisher: die Kultstätten der Maya, die Zauberheiler Perus, der Regenwald in Costa Rica, die Vulkane von Hawaii, die Wüstenschönheiten Namibias und die Sonnenfinsternisse in Chile und Mexiko. Bereits zehnmal ließen sich Leser von bild der wissenschaft zu außergewöhnlichen Menschen, einzigartigen Landschaften und Ereignissen auf unserer Erde führen. Viele Ziele erreichten die Teilnehmer nur deshalb, weil wir die Fahrten in enger Kooperation mit Wissenschaftlern planen und veranstalten. Am 26. April nächsten Jahres brechen wir zur chinesischen Seidenstraße auf (Näheres erfahren Sie auf Seite 54). Dr. Alexander Koch vom Römisch-Germanischen Zentralmuseum in Mainz und ausgewiesener Experte für die Archäologie Chinas half bei den Vorbereitungen – und erwies sich oft genug als Öffner für Türen, die dem Tourismus normalerweise verschlossen sind. Er wird unsere Leser 1999 auch als wissenschaftlicher Reisebegleiter betreuen – neben dem bdw-Archäologie-Experten Michael Zick und den Reiseleitern vom Reisebüro Rominger.
Den Bericht unserer diesjährigen Reise, die nach Venezuela führte, finden Sie ab Seite 16. Ein Erlebnisbericht im üblichen Sinne ist das nicht. Wir nehmen solche Reisen zum Anlaß, Dinge vorzustellen, die noch der Erforschung harren. Sonnenfinsternisse – der eigentliche Anlaß für unsere Venezuela-Reise – gehören nicht mehr dazu. Wohl aber die geheimnisumwitterten Tafelberge im Süden Venezuelas – Indianer nennen sie Tepuis (im Bild eine Zeichnung aus dem 19. Jahrhundert). Wie sind diese eigenartigen Berge entstanden? Warum gibt es auf ihnen so viele fleischfressende Pflanzen? Zerstört der Tourismus die einzigartigen Ökosysteme? Das sind Fragen, mit denen sich die Wissenschaft noch auseinandersetzt. Dr. Otto Huber, der Leiter des Botanischen Instituts in Caracas, erklärte sich nach einem Anruf aus Deutschland sofort bereit, an einem Sonntagvormittag dem bdw-Reporter Rede und Antwort zu stehen. Ich verspätete mich dabei aus Versehen um mehr als eine Stunde, doch kein Wort des Vorwurfs. Im Gegenteil: Huber brannte einen glanzvollen Vortrag ab und nahm zu brisanten Fragen unverhohlen Stellung. Ein Venezuela-Experte am Geographischen Institut in Tübingen befand es dagegen nicht für nötig, auf eine höfliche Anfrage nach Informationen überhaupt nur zu reagieren.
Prof. Karin Mölling, Direktorin des Instituts für Medizinische Virologie in Zürich, ist das Gegenteil dieses elfenbeinernen Geographen. Vor wenigen Monaten hatte sie uns einen Beitrag angeboten, in dem sie auf die Gefahren der medizinisch bald möglichen Übertragung von gesunden Tierorganen auf kranke Menschen hinweist. Der Artikel war gehaltvoll, jedoch in der Sprache der Mediziner abgefaßt. Das wollten wir Ihnen nicht zumuten. Der zuständige Redakteur Jürgen Nakott „übersetzte“ den Text, reicherte ihn mit konkreten Beispielen an. Anschließend bekam ihn die Professorin nochmals zu Gesicht: Nicht einmal zehn Änderungswünsche hatte sie auf den 353 Manuskriptzeilen. Und dann teilte Karin Mölling meinem Kollegen mit, daß sie durch bild der wissenschaft lerne, wie man komplizierte Sachverhalte darstellen muß, um von Nicht-Fachleuten verstanden zu werden. Möllings Artikel lesen Sie ab Seite 44.
Wolfgang Hess