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Auf dem Mars fliesst Wasser

Astronomie|Physik Erde|Umwelt

Auf dem Mars fliesst Wasser
Neue Satellitenbilder enthüllen: Wasser schneidet sich in die Abhänge des Mars – das Lebenselixier formt also immer noch den Roten Planeten. Untermauert wird der Fund durch Expeditionen in die Eiswelt von Spitzbergen.

Eine riesenDüne Hat es den Mars-Forschern angetan. Gebogen wie ein Bumerang erstreckt sie sich über 20 Kilometer. Fast 600 Meter hoch türmt sich das Ungetüm aus dunklem Sand in den rosa Himmel. „ Megadünen“ nennen Forscher solche Sandriesen. Sie kennen etwas kleinere Vertreter auch von der Erde. Dieser Gigant jedoch liegt im Russell-Krater auf der Südhalbkugel des Mars. Zahllose kleinere Sandhügel gehören zum Dünenfeld des Kraters. Zusammen bedecken sie eine Fläche doppelt so groß wie Berlin. Planetologen der Universität Münster haben die Megadüne jahrelang studiert und sind dort auf Veränderungen gestoßen, die eine Sensation vermuten lassen. Der Befund: Immer wieder fließt Wasser durch den Dünensand – zumindest in den wärmeren Jahreszeiten. Die Jagd nach dem Mars-Wasser scheint damit endlich von Erfolg gekrönt zu sein.

In den letzten 20 Jahren wurde eine Flottille von 14 Sonden zum Mars geschickt. „Unsere Beobachtungen gehören zu den deutlichsten Indizien dafür, dass auch heute noch Wasser auf dem Mars fließt“, freut sich Harald Hiesinger vom Institut für Planetologie. Astrobiologen dürfte die Nachricht ebenfalls begeistern: Die Chancen, einfache Lebensformen auf dem Wüstenplaneten aufzuspüren, sind klar gestiegen. Doch bis Astronauten vor Ort nach Fossilien graben, werden noch Dekaden vergehen. Auf absehbare Zeit scheint der jahrelange Mars-Flug zu gewagt. Allerdings studieren Geologen bereits heute, welche Prozesse auf der Nachbarwelt am Werk sind – und zwar auf der Erde. Sie suchen „Mars-Analoge“. So nennen Experten Gegenden, wo sie den Roten Planeten erforschen können, ohne den Blauen Planeten zu verlassen. Einige Polarregionen haben sich inzwischen als besonders marsähnlich erwiesen. Im Fokus der Forscher: Spitzbergen.

Mehr Eisbären als Einwohner

Dennis Reiss ist, wenn er sich nicht gerade über Mars-Fotos beugt, im Gelände unterwegs: Zweimal untersuchte der Münsteraner bereits auf dem arktischen Archipel Erosionsrinnen, die sich dort in die Berghänge schneiden. Geologen kennen solche Hangrinnen von anderen alpinen oder polaren Regionen der Erde. Sie entstehen, wenn eine Mixtur aus Sand, Geröll und flüssigem Wasser zu Tal stürzt. Ähnliches gibt es auf dem Mars. Dort hatte ein NASA-Satellit im Jahr 2000 ebenfalls Rinnen entdeckt (bild der wissenschaft 2/2001, „Mars-Gestade“). Was die Forscher elektrisierte: Viele Rinnen wirkten so frisch, als wären sie vor geologisch kurzer Zeit entstanden. Drei Millionen Jahre wurden damals als Obergrenze genannt. Seither fanden die Mars-Forscher immer mehr Hangrinnen. Vor allem an Wällen von Kratern, aber auch an Berghängen und sogar auf Dünen erspähten sie Zehntausende davon. Zwei Fragen drängten sich auf: War auch bei diesen Rinnen flüssiges Wasser im Spiel? Und: Dauert die Bildung der Rinnen immer noch an, oder sind sie Relikte einer vergangenen feuchteren Klimaperiode auf dem Mars? Anders als die Mars-Rinnen sind diejenigen auf Spitzbergen in zwei Tagen erreichbar. Doch auf dem einsamen Eiland, wo es mehr Eisbären als Einwohner gibt, folgt die geologische Feldarbeit besonderen Regeln. Eine lautet: Außerhalb der Siedlungen sind schussbereite Gewehre zu tragen. Denn eine Konfrontation mit den mächtigen Fleischfressern kann tödlich sein: Zwar liegt der letzte Vorfall über ein Jahrzehnt zurück – er ereignete sich jedoch kaum zwei Kilometer außerhalb der Hauptstadt Longyearbyen. Weit häufiger trifft es die Eisbären: Durchschnittlich dreimal pro Jahr werden aggressive oder zu neugierige Tiere erlegt. Im Einsatzgebiet der Mars-Forscher war hingegen über einen Monat lang kein Bär gesichtet worden.

„Tagsüber kümmern wir uns um die Messungen und Beobachtungen im Gelände, und übernachtet wird im Zelt direkt an den zu untersuchenden Hangrinnen“, schildert Ernst Hauber vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) den Expeditionsalltag. Der Berliner Mars-Experte hatte seinen Kollegen Reiss nach Spitzbergen begleitet. Hauber interessiert sich auch für andere Geländeformen, die typisch für Permafrostgebiete sind. „Auf Spitzbergen stolpert man fast über das, was man von den Fotos der Mars-Sonden kennt“, meint Hauber, der zum Wissenschaftler-Team der europäischen Sonde Mars Express (MEX) gehört. Während die Forscher im Gelände das Zusammenspiel zwischen Wasser und Hangrinnen untersuchten, fotografierte eine Kamera dieselben Rinnen vom Flugzeug aus. Dabei kam ein technischer Verwandter der MEX-Bordkamera zum Einsatz. Beide DLR-Instrumente wurden in Deutschland entwickelt. Obgleich die Luftbildkamera stets irdische Motive vor der Linse hat, dienen ihre Bilder diesmal dem Vergleich mit den Fotos vom Mars. Dort sind momentan drei Satelliten im Einsatz: MEX und zwei Sonden der NASA. Besonders das Superauge des Mars Reconnaissance Orbiter (MRO) übertrifft alle Vorgänger. Es überwacht den Roten Planeten seit 2006. Auf den MRO-Bildern entspricht ein Pixel 30 Zentimetern am Mars-Boden.

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MARS-WINTER MIT CO2-SCHNEE

Zurück zum Russell-Krater: Zwei volle Mars-Jahre lang, das sind fast vier Erdjahre, haben die Forscher sein Dünenfeld untersucht. Sie gehen davon aus, dass sich bereits bei herbstlich fallenden Temperaturen Frost auf die Dünenhänge legt. Wahrscheinlich ist es gefrorener Wasserdampf aus der dünnen Atmosphäre. Später im Winter dehnt sich die weiße Südpolkappe weit nach Norden aus. In diesem saisonalen Teil der marsianischen Antarktis friert Kohlendioxid bei minus 130 Grad Celsius aus der Mars-Luft aus und bildet eine geschlossene „Schnee“-Decke. Obwohl es noch 2000 Kilometer bis zum Südpol sind, verwandelt das Trockeneis den Russell-Krater in eine Winterlandschaft. „Der Winter der südlichen Halbkugel des Mars ist kälter als auf seiner Nordhemisphäre“, sagt Hauber. „Die Ursache ist die elliptische Umlaufbahn des Mars.“

Die Bilder aus dem Orbit dokumentieren den jahreszeitlichen Wechsel: Immer wenn am Winterende die Temperaturen wieder steigen, zeigen sich dunkle Flecken auf den weißen Dünen. Sie deuten auf sublimierendes Trockeneis hin. Die „Schnee“-Schicht geht dabei direkt in den gasförmigen Zustand über. Nach und nach gibt die weiße Pracht den Hang frei. Am längsten hält sich das Trockeneis an den sonnenabgewandten Hängen. Im Frühjahr sind die Dünen wieder frei, dann kommt das Wasser ins Spiel: „Die dünne Schicht aus Wassereis, die im Herbst zuvor abgelagert worden war, kommt nun wieder ans Tageslicht“, sagt Reiss. Offenbar taut die Frühlingssonne den Frost auf. Reiss erklärt: „Messungen und Modellrechnungen zeigen, dass im Frühjahr die Temperaturen zeitweise den Gefrierpunkt von Wasser überschreiten.“

Parallel dazu wurden weitere Veränderungen am Dünenhang deutlich: So tauchte eine neue Erosionsrinne auf, die knapp 50 Meter lang und einen Meter breit ist. Im folgenden Mars-Jahr dann dasselbe Muster: „Die neue Rinne verlängerte sich um 120 Meter, wieder ungefähr in der Mitte des Frühlings“, berichtet der Münsteraner Planetologe. Aufgrund seiner Erfahrung, wie das Wasser in den Rinnen von Spitzbergen den Hang hinabströmt, ist er überzeugt, dass Schmelzwasser auch über die Dünen im Russell-Krater fließt.

Wenn es sich in den Rinnen sammelt, kommt es zur Erosion. Zwar kann flüssiges Wasser auf der Mars-Oberfläche aufgrund der tiefen Temperaturen und des geringen Atmosphärendrucks nur für kurze Zeit existieren, doch andere Möglichkeiten für die Bildung der beobachteten Hangrinnen schließt Reiss aus: „Eine trockene Entstehung kommt nicht in Frage, dazu ist die Hangneigung mit acht Grad viel zu gering. Außerdem sehen trocken entstandene Rinnen ganz anders aus: Sie sind geradliniger und schlängeln sich nicht wie Sinuskurven.“ Hinzu kommt, dass Rinnen trockenen Ursprungs sich längst nicht so tief in den Hang schneiden wie auf dem Mars beobachtet.

OASEN FÜR MIKROBEN?

Auch der Astrobiologe Dirk Schulze- Makuch sieht in den Russell-Rinnen flüssiges Wasser am Werk. „Zumindest zeitweise muss dort die Wasseraktivität deutlich höher sein als unter Normalbedingungen.“ Und er glaubt: „Das Wasser könnte von möglichen Mars-Mikroben genutzt werden.“ Allerdings dürfte dies davon abhängen, ob der Ursprung des Schmelzwassers in atmosphärischem Wasserdampf oder in Eisvorkommen innerhalb der Dünen liegt. „Tauwasser aus Eis innerhalb der Dünen wäre spannender. Denn um solche Oasen könnten mögliche Mikroben siedeln und von dem Tau für ihre Lebensprozesse profitieren“, spekuliert der Forscher der Washington State University. Stimmt jedoch die Deutung von Dennis Reiss zur Entstehung der Rinnen, wäre dies unwahrscheinlich.

Stück für Stück fügt sich das Puzzle des Mars-Wassers zusammen. Mit dem Adlerblick des MRO können auch ganz kleine Krater aufgespürt werden. Manche messen nur einige Meter und sind erst wenige Monate alt. Das Studium dieser Mini-Krater erbrachte ebenfalls Überraschendes: Bei manchen lugt gleißend helles Bodeneis hervor, dass der Einschlag zutage gefördert hat. Offenbar liegt es nur wenige Dezimeter tief im Boden. Die meisten Mars-Forscher hatten Eis in so geringer Tiefe erst deutlich näher an den Polen erwartet. Shane Byrne von der University of Arizona publizierte dazu kürzlich im Fachblatt „Science“ eine Studie. Er schätzt: „Knapp 80 kleine Krater dieses Formats entstehen jährlich auf dem gesamten Mars. Wir können allerdings nur einen Bruchteil davon finden. Immerhin sehen wir bei einigen Kratern Wassereis.“ In einem etwas größeren Krater von zwölf Meter Durchmesser hat das MRO-Spektrometer sogar den spektralen Fingerabdruck des Wassereises nachgewiesen. Zwar stammen all diese Eisfunde von der Nordhalbkugel – das sei jedoch eine Folge der Suchmethode, versichert der Planetenforscher. Byrne erwartet auch im südlichen Russell-Krater Eisvorkommen knapp unter der Oberfläche. Wie tief das Eis im Sand der Dünen ruht, ist unklar. Unumstritten hingegen ist, dass das Dünenfeld zu den jüngsten Formationen gehört, denn es zeigt überhaupt keine Einschläge.

Unterdessen geht die Beobachtung der Dünen weiter. Neue Fotos und Spektren der Mars-Satelliten sollen die bisherigen Daten untermauern. Für den Spätherbst 2011 steht mit dem Start des neuen Mars-Rovers Curiosity („Neugier“) ein besonderes Highlight bevor: Auf sechs Rädern und gegenüber seinen Vorläufern mit deutlich verbesserter Instrumentierung soll das amerikanische Gefährt nach Biomolekülen fahnden. Denn so wichtig es ist, der Wasserspur zu folgen – letztlich hat die Frage nach dem Leben auf dem Mars Priorität. Und die ist immer noch unbeantwortet. ■

THORSTEN DAMBECK, promovierter Physiker und häufiger bdw-Autor, schrieb zuletzt die Titelgeschichte über den Mond im Juni-Heft.

von Thorsten Dambeck

Die Spur des Mars-Wassers

Zwar kennen Planetenforscher seit Langem größere Vorkommen von Wasser auf dem Roten Planeten, allerdings nicht in flüssiger Form. Bekannt ist, dass Teile der nördlichen und südlichen Polkappe große Mengen Wassereis enthalten, hinzu kommt gefrorenes Kohlendioxid. Auch in der von Kohlendioxid dominierten Mars-Luft gibt es geringe Mengen Wasserdampf, allerdings nur 0,02 Prozent. In der nördlichen Polarregion beobachtete die Landesonde Phoenix 2008 Schneefall und dünne Schichten aus Wassereis: Mehrmals fotografierte sie hellen Reif, der bei höherem Sonnenstand wieder verschwand.

In der Frühzeit des Mars, da sind sich die Forscher inzwischen sicher, gab es erheblich mehr flüssiges Wasser: Vor etwa drei bis vier Milliarden Jahren pflügten gewaltige Fluten breite Täler in die Landschaft. Die Hangrinnen, die durch kurzzeitiges Einwirken von Wasser entstehen, sind dagegen viel kleiner. Sie erreichen durchschnittlich nicht einmal einen Kilometer Länge und sind deutlich schmaler als zehn Meter. Trotzdem sind sie ein wichtiger Fund: Sie belegen die Existenz von flüssigem Wasser auf dem heutigen Mars.

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LESEN

Frühere Artikel über den Mars und die Suche nach Wasser und Leben in bild der wissenschaft 2/2001, 6/2003, 9/2004, 9/2008, 10/2009

Aktuelles Sachbuch zur Marsforschung: Ulf von Rauchhaupt DER NEUNTE KONTINENT S. Fischer, Frankfurt 2009, € 19,95

Sachbuch von einem führenden Experten: William K. Hartmann A TRAVELER’S GUIDE TO MARS Workman, New York 2003, € 14,99

INTERNET

Website zum Mars Reconnaissance Orbiter: mars.jpl.nasa.gov/mro/

Website zu Mars Express: www.dlr.de/mars/

Google Mars – Orientierung leicht gemacht: www.google.com/mars/

Ohne Titel

Ohne Titel

Ohne Titel

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KOMPAKT

· Zehntausende von Erosionsrinnen wurden auf dem Mars entdeckt. Sie ähneln stark irdischen Gegenstücken, wie man sie etwa auf Spitzbergen kennt.

· Bei der Entstehung der meisten Rinnen dürfte flüssiges Wasser im Spiel sein.

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Wissenschaftsjournalist Tim Schröder im Gespräch mit Forscherinnen und Forschern zu Fragen, die uns bewegen:

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