60 Meter tief unter dem Fluss Jangtse: Es vibriert und rumpelt. Ein 135 Meter langes Ungetüm frisst sich durch Sand und Stein. 70 Kubikmeter Erdreich verschlingt es pro Stunde. Start: Shanghai, China. Ziel: die Insel Changxing. Auftrag: ein Tunnel. Das Ungeheuer ist eine Tunnelbohrmaschine – gebaut vom deutschen Unternehmen Herrenknecht. Die Stadtplaner in Shanghai wollen Festland und Insel durch eine Autobahn verbinden. Der Jangtse, über den bislang nur Fähren führen, soll jedoch für die Schifffahrt frei bleiben – daher hat man einen Tunnel einer Brücke vorgezogen. Gebaut werden zwei Röhren mit je drei Fahrspuren, und Platz für eine U-Bahn soll auch noch sein – ein Megaprojekt für die Herrenknecht AG, den Weltmarktführer im maschinellen Tunnelvortrieb. Die Tunnelbohrmaschinen, die den Jangtse unterqueren, haben einen Durchmesser von 15,43 Metern und sind damit die derzeit größten weltweit. Geplanter „Durchstich“ in Changxing ist Ende 2008. Bis dahin werden die Bohrmaschinen von Herrenknecht in den beiden Tunnelröhren 2,7 Millionen Kubikmeter Erdreich unter dem Fluss weggefräst haben: ein Volumen so groß wie das der Cheops-Pyramide. Der Hauptsitz von Herrenknecht ist Schwanau, ein kleiner Ort an der deutsch-französischen Grenze in Baden-Württemberg. Hier baut Herrenknecht sämtliche Tunnelbohrmaschinen, die in Einzelteilen erst per Schwertransporter, dann per Schiff über den Rhein mit Zwischenstopp in Rotterdam in die ganze Welt verschickt werden. Die Auftragsbücher sind gut gefüllt. Das Unternehmen profitiert von der Urbanisierung in vielen Teilen der Erde und dem rasanten Wachstum der Großstädte – seit 2007 leben weltweit mehr Menschen in Städten als auf dem Land. „Wenn sich die urbanen Zentren vergrößern, geht das nicht ohne leistungsfähige unterirdische Infrastruktur“, sagt der Vorstandsvorsitzende Martin Herrenknecht.
Die Herrenknecht AG hat sich auf Tunnelvortriebstechnik spezialisiert. Dabei ist sie so erfolgreich wie kein anderes Unternehmen. Die Bandbreite des Angebots reicht von Bohrern mit zehn Zentimeter Durchmesser – etwa für Hausanschlüsse für Wasser oder Gas – bis hin zu gigantischen Bohrmaschinen für Verkehrstunnel. „Wir müssen technisch oder terminlich besser sein als die Konkurrenz – am besten beides“, sagt Konstruktionsleiter Werner Burger. Jede Tunnelbohrmaschine ist ein Prototyp – angepasst an die Forderungen des Auftraggebers und an die geologischen Gegebenheiten. Ein Beispiel: Der neue Autotunnel in Madrid sollte nach ambitionierten Plänen in 30 Monaten gebohrt sein – inklusive Planung, Konstruktion und Montage der Bohrmaschine. Die Konstrukteure aus Schwanau bauten kurzerhand den stärksten Tunnelbohrer, den es je gab – mit einer Leistung von 19 000 PS und einem Drehmoment von 125 Millionen Newtonmeter. Das würde reichen, um einen voll beladenen Jumbojet mit einem 30 Meter langen Hebelarm anzuheben. Das Resultat: Nach nur acht Monaten war der 3,6 Kilometer lange Tunnel fertig.
Konstantin Zurawski
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Gründung: 1975
Unternehmensleitung: Martin Herrenknecht
Mitarbeiter: über 2000
Umsatz 2006: 646 Millionen Euro
Internet: www.herrenknecht.de
E-Mail: info@herrenknecht.de
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Die Geschichte der Herrenknecht AG begann 1975 in Schwanau mit der Gründung des Ingenieurbüros Martin Herrenknecht. 1977 entstand daraus die Herrenknecht GmbH. Dort entwickelte man die ersten Maschinen zum Rohrvortrieb in lockerem Boden. Fünf Jahre später kamen Maschinen für Festgestein hinzu. 1984 baute Herrenknecht die ersten Tunnelbohrer für große Durchmesser und wässrigen Untergrund. Sie konnten auch unterhalb des Grundwasserspiegels arbeiten. Das findige Unternehmen entwickelte die Tunnelbohrmaschinen projektbezogen zusammen mit den Kunden weiter. Zehn Mitarbeiter tüfteln derzeit projektunabhängig an den großen Bohrgeräten. Inzwischen ist Herrenknecht zu einem Komplettanbieter für Tunnelvortriebstechnik geworden: Zum Sortiment gehören Bohrer für alle möglichen Bodenbeschaffenheiten und Tunnellängen mit einem Durchmesser von 10 Zentimetern bis über 15 Metern. Die Tunnelbohrmaschinen werden in Schwanau gebaut. Herrenknecht ist an Dutzenden von Tunnelprojekten auf der ganzen Welt beteiligt. Der Bau des neuen Gotthardtunnels und die Unterquerung des Jangtse in China sind derzeit die größten Aufträge. Der Umsatz hat sich seit 2001 mehr als verdoppelt, innerhalb von zwei Jahren wurden fast 500 neue Mitarbeiter eingestellt. Herrenknecht beschäftigt zur-zeit 137 Auszubildende.