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herdentrieb spart energie

Gesellschaft|Psychologie Gesundheit|Medizin

herdentrieb spart energie
Es ist bequem, dasselbe zu tun wie alle anderen. Doch wie kriegt man Menschen dazu, sich vernünftig zu verhalten? Forscher fanden einen einfachen Trick.

Die Rote Ampel nötigt zum Warten. Weit und breit ist kein Auto in Sicht. Es zuckt in den Zehen. Ein Fuß ist schon halb über dem Bordstein – doch man zögert. Plötzlich prescht ein Passant nach vorne und zieht mit einem Mal alle Wartenden mit sich, selbst wenn sich jetzt eine Autokolonne nähert. Ist der Mensch ein Herdentier? Tatsächlich haben Studien gezeigt, dass viele Menschen sofort ihr Verhalten korrigieren, wenn es auffällig vom Durchschnitt abweicht. Sie wollen sich in der Sicherheit der Masse wiegen. Dieses Bedürfnis, zum Durchschnitt zu gehören, ist im menschlichen Gehirn verankert, fanden Verhaltensforscher der Emory University School of Medicine in Atlanta heraus. Mit Gehirn-Scans wiesen sie nach, dass völlig unterschiedliche Hirnregionen aktiv sind, je nachdem, ob man sich der Meinung und dem Verhalten der Mehrheit angleicht oder ob man eine Einzelposition einnimmt.

In einem Test sollten die Versuchspersonen entscheiden, ob zwei gedrehte Objekte identisch oder verschieden waren. Dabei wurden sie vorher über die Meinungen der restlichen Teilnehmer informiert. Die waren jedoch von den Versuchsleitern angewiesen worden, eine falsche Antwort zu geben. Versuchsteilnehmer, die sich der falschen Meinung anschlossen, zeigten überraschend eine Aktivität im Okzipitallappen – einer Gehirnregion, die allein für die optische Wahrnehmung zuständig ist und nicht etwa für höhere Denkleistungen. Die Probanden hatten sich also der Mehrheitsmeinung nicht angepasst, weil ihnen ihr Sonderstatus peinlich gewesen wäre. „Es heißt, wir glauben gerne das, was wir sehen. In Wirklichkeit sehen wir aber, was unser Umfeld uns glauben macht“, erklärt der Versuchsleiter Gregory Berns.

querDenker fordern Ihr Hirn mehr

Und was passierte im Gehirn der Versuchspersonen, die sich selbstbewusst gegen die Meinung der Mehrheit stellten? Ihr Urteil erzeugte eine Aktivität im Mandelkern, einer Gehirnregion, die für die Verarbeitung von Emotionen und Stress zuständig ist. Die Forscher schließen daraus, dass unabhängiges Denken mehr kognitive Energie kostet, und dass es deshalb für das Gehirn effizienter ist, sich der Masse anzupassen. Wenn nicht klar ist, was in einer Situation das richtige Verhalten ist, wählt das Gehirn die „Energiesparvariante“.

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Der Drang, zum Durchschnitt zu gehören, ist nach Ansicht des Sozialpsychologen Wesley Schultz von der California State University auch der Grund dafür, dass viele Kampagnen gegen Rauchen, Trinken oder Energieverschwenden ohne großen Erfolg sind. Normalerweise weiß man gar nicht, was der Durchschnittsmensch tut. Doch die Kampagnen geben mit einem Mal eine Richtschur. Viele Menschen, die mehr als der genannte Durchschnitt rauchen, trinken oder Energie verbrauchen, schränken sich zwar in der Folgezeit ein. Doch andere, die sich zuvor mustergültig verhalten hatten, hören nun den Lockruf der Mehrheit – und nähern sich deren Verhalten an. Damit läuft die Kampagne ins Leere.

So wurden in den letzten Jahren an etwa der Hälfte der US-Universitäten Aktionen gestartet, um die ausufernden Trinkgelage der Studenten in den Griff zu bekommen. Doch die Appelle hatten oft den gegenteiligen Effekt: Der Alkoholkonsum stieg. „Wenn sie den Studenten erzählen, dass ihre Studienkollegen im Schnitt vier Bier auf einer Party trinken, denken die Abstinenzler, dass sie nicht ganz normal sind“, meint Wesley Schultz. „Die sozialen Normen wirken wie ein Magnet auf das Verhalten aller – sowohl auf die, die oberhalb des Durchschnitts liegen, als auch auf die unterhalb.“ Schultz nennt das einen „Bumerang-Effekt“.

Dabei ist es gar nicht dumm, sich an der Mehrheit zu orientieren, wenn man unsicher ist, erklärt der Psychologe. Denn statistisch gesehen trifft eine Gruppe eher die richtige Entscheidung als eine Einzelperson. Es entwickelt sich so etwas wie eine kollektive Intelligenz, in der die Größe der Gruppe als Korrektiv wirkt. Außerdem hat der Mensch im Laufe der Evolution gelernt, dass eine Wendehals-Mentalität wie eine Lebensversicherung wirkt: Ordnet er sich den Regeln seiner Bezugsgruppe unter, sichert ihm das den Schutz der Gemeinschaft.

der einfache schultrick wirkt

Auch die Anerkennung der anderen ist ein wichtiges Handlungsmotiv. Sie treibt den Menschen dazu, das zu tun, was in der Gesellschaft geschätzt ist. Man hofft auf Anerkennung und möchte sich vor Bestrafung schützen – beispielsweise, wenn man an einer roten Ampel stehen bleibt, obwohl kein Auto in Sicht ist. Schließlich gibt man Kindern damit ein gutes Vorbild – und hofft auf die Anerkennung aller, die das sehen.

Wesley Schultz und seine Kollegen kamen deshalb auf die Idee, dass sich der Bumerang-Effekt verhindern lässt, wenn man die Menschen für ihr außergewöhnliches Verhalten belohnt. Um das zu testen, beobachteten sie mehrere Wochen den Energieverbrauch von 290 Haushalten in der kalifornischen Stadt San Marco. Die Bewohner wurden dabei wöchentlich sowohl über ihren eigenen Energieverbrauch als auch über den durchschnittlichen Verbrauch in ihrer Gemeinde informiert. Die größten Stromverschwender drosselten erwartungsgemäß ihren Energieverbrauch, als sie feststellten, dass sie aus der Reihe fielen. Aber: Niedrignutzer steigerten ihn auch.

Manche Haushalte erhielten nicht nur die schlichte Information über ihre verbrauchte Energiemenge. Sie bekamen bei sparsamem Verbrauch auch einen lachenden Smiley aufs Infoblatt. Energieverschwender wurden dagegen mit einem missmutigen Smiley ermahnt. Und tatsächlich – der einfache Schultrick wirkte: Energiesparer, die ein Smiley gelobt hatte, behielten ihren Niedrigverbrauch bei. Die Wissenschaftler raten daher, bei Kampagnen nicht die Aufmerksamkeit darauf zu lenken, was vom Großteil der Bevölkerung getan wird – denn das soll ja in der Regel gerade verhindert werden. Besser ist es, die Minderheit lobend hervorzuheben. Eine Herde Freiwilliger folgt dann garantiert. ■

Simone Einzmann

Ohne Titel

· Er verspeist 4,5 Kühe, 21 Schafe, 15 Schweine und insgesamt 1201 Hühner.

· Er gönnt sich 10 000 Schokoladenriegel.

· Er spült 4239 Rollen Klopapier in die Kanalisation, zusammen mit fast 3 Tonnen Kot, 11 000 Binden und Tampons sowie 156 Kondomen.

· Ließe er sein Haar lebenslang wachsen, könnte es am Ende 9,42 Meter messen.

· Zur Pflege der Haarpracht leert er 198 Shampooflaschen. Darüber hinaus verbraucht er für Körperhygiene 272 Deos, 274 Zahnpastatuben und 37 Parfüms.

· Da sich die oberste Hautschicht alle zwei Wochen ersetzt, häutet sich der Mensch bis zum Ende des Lebens 2041 Mal.

· Er hat 4 bis 5 Mal im Monat Sex – und damit rund 4239 Mal im Leben.

· 415 Millionen Mal blinzelt er und weint 62 Liter Tränen.

· Mit 8 Autos fährt der Mensch im Schnitt 728 488 Kilometer weit, also einmal zum Mond und zurück.

· Gekauft, wenn auch nicht unbedingt gelesen, hat er am Ende seines Lebens 314 Bücher und – einschließlich dieser bdw-Ausgabe – 2465 Zeitschriften.

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