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Das pralle Leben

Erde|Umwelt

Das pralle Leben
Der Name ist gewöhnungsbedürftig, die Inhalte sind überzeugend. Den Machern des Deutschen Hygiene-Museums in Dresden ist eine glanzvolle Neukomposition ihrer ständigen Ausstellung gelungen.

„Jünglinge, Mädchen! Haltet Euch rein! Genießt die Freuden des Wanderns in der schönen Natur! Stählt Körper und Geist durch Sport und Spiel, damit Ihr die Kraft zur Keuschheit gewinnt!“, rief das Deutsche Hygiene-Museum Dresden der Jugend zu. Das war 1923.

„Übelst geil, man lernt, man lacht, man ekelt sich, cool“, jauchzt die deutsche Jugend 2005 fröhlich zurück. Höchst mögliches Lob ausgerechnet für eine Institution, die „Deutsch“, „ Hygiene“ und „Museum“ in ihrem Namen vereint. Also alles, was bei einem Vierzehnjährigen von heute panische Fluchtreflexe auslöst.

Dieser Eintrag im Gästebuch des Deutschen Hygiene-Museums Dresden ist kein Einzelfall. Hier meldet sich zuhauf und begeistert die wichtigste Klientel zu Wort, die ein Museum haben kann: Kinder und Jugendliche. Das Museum kommt in Kreisen bestens an, die auf lehrreiche Sammlungen gewöhnlich reagieren wie Allergiker auf Hausstaubmilben. Das Deutsche Hygiene-Museum Dresden (DHMD), am Rande einer weitläufigen Parklandschaft unweit der Altstadt gelegen, ist aber auch kein gewöhnliches Museum, sondern ein Ort der Widersprüche. Das beginnt schon beim Auftritt: eine humanes Maß sprengende Tempelfassade, monumental, hoch aufragend, kalt und abweisend. Der Bau von 1930 verzichtet auf jeden verbindlichen Zierrat, auf jede versöhnliche Geste. Der Entwurf war Programm: Schon Museumsbegründer Karl August Lingner schwärmte für Kolossal-Figuren, „um dem Beschauer seine körperliche Erbärmlichkeit zum Bewusstsein“ zu bringen, der Genius Loci trat mal als griechischer Halbgott, mal als monströser „Giftmensch“ oder „Cellon-Gigant“ auf. Hygiene galt als „gesellschaftliches Titanenwerk“.

Die Titanen sind verschwunden, die megalomane Fassade ist wieder aus Ruinen auferstanden. Was 1945 fast völlig zerstört und in den folgenden Jahren durch Umbauten verschandelt wurde, steht heute in alter Strenge da. Doch hinter all dem Pathos von Portikus und Eingangshalle hat ein anderer Geist Einzug gehalten – ein „humanistisches Menschenbild, das auf der europäisch-christlichen Religion gründet, geformt durch die modernen Wissenschaften vom Menschen“, so Klaus Vogel, der Direktor des Museums. Der „(Im-)Perfekte Mensch“ – wie der Titel einer Sonderausstellung lautete – hat hier sein Zuhause gefunden. Allerdings keine wirklich gute Adresse. „Die meisten Leute denken bei Hygiene-Museum an Kammerjäger, Seife, Kondome, Handtücher oder Klopapier“, klagt Vogel und legt die sonst meist unbewölkte Stirn in Falten. Denn den umtriebigen Schwaben, der sich seit 14 Jahren um die Geschicke des Hauses kümmert, plagen nach wie vor zwei Missverständnisse, die beide mit dem Titel des Hauses zu tun haben. Touristen, die nach Dresden kommen, zieht es wie selbstverständlich zu Zwinger, Semper-Oper und Grünem Gewölbe. Aber nicht unbedingt zu einer Sehenswürdigkeit, die wenig Sehenswertes verheißt, sondern mit dem Deutschen und seiner Sekundärtugend Sauberkeit eher peinliche Assoziationen weckt.

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Vogel findet den Namen seines Hauses selbst etwas abwegig, aber immerhin so sperrig, dass jeder im Reiseführer zweimal hinguckt. „Die Chance auf den zweiten Blick“ nennt er das und sagt: „Wir arbeiten daran, die Museumsbezeichnung mit neuen Inhalten zu füllen.“ Nur muss sich das noch herumsprechen. Schließlich gibt es die Dauerausstellung in ihrer heutigen Form erst seit April 2004. Komplettiert wurde sie in diesem Mai mit der Eröffnung des zweiten Teils. Inzwischen passt wenigstens der Untertitel zum Konzept: „Das Museum vom Menschen“.

Unter einem weiteren Missverständnis leiden andere Sammlungen dieser Art auch. Die umstrittene Wanderleichenausstellung „ Körperwelten“ des Anatomen Gunter von Hagen klebt im Bewusstsein fest. „Viele sind seitdem der Meinung, dass ein naturwissenschaftliches oder medizinhistorisches Museum mit reitenden oder Schach spielenden Toten aufwarten müsse“, meint Vogel. In Dresden suchen sie danach vergebens. Dort geht es um Zeugung und Geburt, um Sex, Essen und Trinken, um alle fünf Sinne, Haut und Haar, Bewegung und Denken. Und nicht zuletzt um Alter und Tod. Es geht außerdem um Krankheit und Heilung, um die Geschichte der Medizin und um naturwissenschaftliche Forschung. Die spektakuläre Pose, die nekrophile Szenerie – sie wären hier völlig fehl am Platze.

Umso mehr, als schon die Historie jedes Spiel mit dem Makabren verbietet. Das Haus trägt schwer an seiner Geschichte, die von Rassenwahn, Euthanasie-Verbrechen und Eugenik-Programmen des Dritten Reiches stigmatisiert ist. „Vorbehaltlos und mit dem gesamten Instrumentarium seiner Ausstellungen und Lehrmittel“ hatte sich das Hygienemuseum in den Dienst der Nationalsozialistischen Rassenideologie gestellt, wie es in einer Dokumentation heißt. Ebenso flexibel passte sich die Institution später der sozialistischen Gesundheitspolitik des DDR-Regimes an, um nach einer langen Reise durch Aufklärung und Niedertracht, Belehrung und Propaganda, Wanderzirkusdasein, Lehrmittelhandel und Baustellenexistenz endlich im 21. Jahrhundert anzukommen: als „Laboratorium der Gegenwart und Ort ihrer kritischen Reflexion“ .

Und doch wird der Besucher als Erstes mit der Vergangenheit konfrontiert. Wo das Museum noch ganz Museum seiner selbst ist, stehen Schönheit und Schrecken dicht beieinander, bestechend ästhetische Modelle und Präparate aus der Frühzeit der Gesundheitsaufklärung neben „rassekundlichen“ Gipsfiguren aus der Abteilung „Vererbung und Eugenik“ von 1930. Seltsame Nachbarschaften ergeben sich da. Mit erhobenen Armen, ein quasireligiöses Sinnbild für den gesunden Menschen, steht der gläserne Mensch mitten im Raum. Knochen, Adern und Innereien bieten sich dem Betrachter dar, auf Knopfdruck leuchten die Organe einzeln auf. Einst eine Sensation, dann Symbol des Deutschen Hygiene-Museums und ein Verkaufsschlager sondergleichen: Allein in der Nachkriegszeit entstanden knapp 90 gläserne Frauen und über 80 Männer (dazu 9 Kühe und 5 Pferde). Ein Markenzeichen, das sich verselbstständigt hat und als Metapher auch nach einem Dreivierteljahrhundert munter weiterlebt – als gläserner Bürger, Konsument oder Patient.

Unmittelbar neben der gläsernen Frau haben die Museumsgestalter als zeitgenössisches Pendant das schönste Objekt des Museums gestellt. Es ist eine Computeranimation, geschaffen anlässlich der Expo 2000 in Hannover. Eine bis auf die Muskulatur entblößte virtuelle Geigerin spielt Bach. Der Besucher hört zu und sieht gleichzeitig, was im Kopf der Künstlerin vorgeht. Modell für dieses Wunderwerk stand die Konzertmeisterin der Dresdner Philharmoniker Heike Janickes. Mit Hilfe der Magnet-Resonanz-Tomographie werden Aktivitätsmuster im Gehirn sichtbar gemacht, sagt der Katalog. Man glaubt aber, befremdlich an diesem Ort, ein Stück Seele zu sehen.

Zurück zur Realität, sie ist ein Ort des Leidens und des Lernens. Darmzotte, Gürtelrose, Trinkerleber: Einen großen Teil seiner Ausstellung bestreitet das DHMD aus eigenen Beständen. Die hauseigenen Werkstätten produzierten jahrzehntelang nicht nur so spektakuläre Lehrmittel wie die gläserne Kuh, sondern eben auch serienweise Moulagen – täuschend echte Wachsabgüsse gesunder und kranker Organe sowie anderer Körperteile. Hinzu kamen Objekte aus Gips, Holz, Kunststoff, manche von gewissem ästhetischem Reiz, die meisten eher das Gegenteil.

Aber das Museum hat sich schließlich zum Ziel gesetzt, die Kultur, Sozial- und Zeitgeschichte des 20. Jahrhunderts zu reflektieren und die naturwissenschaftlichen Erkenntnisse des 21. darzustellen. Diesem Anspruch kommt es mit einer Formen-, Fakten- und Exponatfülle nach, die dem Besucher Kondition und Konzentration abfordern. Zumal die Museumsmacher ihr Sujet, den Menschen, mit offensichtlicher Lust am Extremen und an Grenzüberschreitungen ausgelebt haben. Dabei gelang ihnen manches Kunststück. Etwa eine von Natur aus träge Materie wie die Verdauung ebenso aufregend darzustellen wie das allseits beliebte Thema Sex samt seiner interessanten Abarten.

Es fällt bei solcher Materie nicht immer leicht, mit Original-Objekten Einsichten zu vermitteln. Das Hygiene-Museum setzt deshalb Multimediales mit Bedacht ein. Flachbildschirme erklären dort, wo tiefer gehende Informationen nicht von allen verlangt werden, aber dennoch auf Abruf zur Verfügung stehen sollen. Das Angebot bleibt nicht auf Virtuelles beschränkt: Es gibt Riechmodule, die animalische Düfte verströmen, Hörproben, die die Peristaltik von Mensch und Tier orchestrieren oder das Rätsel „Wer isst hier was?“ stellen (Apfel? Chips? Muttermilch?), ganz viele Dinge, die sich anfühlen lassen und Hörstationen mit einfachen Erklärungen für alle, die sich von komplizierten überfordert fühlen.

Bei einem derart unverklemmten Verhältnis zur Technik, wie es die Museumsgestalter offenbaren, hätte leicht ein interaktiver Rummelplatz das Ergebnis sein können: mit Action, Fun und Entertainment an den Stellen, wo sonst das Ausstellungsstück stumm und geduldig der Betrachtung harrt. Die jungen Besucher mögen das, die Älteren weniger.

Alles eine Frage der Dosierung. Für den richtigen Mix sorgte Bodo-Michael Baumunk, der sich der Gefahr bewusst ist: „Es liegt auf der ganzen Museumswelt inzwischen so eine Art Interaktionsfluch“, sagt der Ausstellungskurator, „Hier aber hat ein maßvolles Angebot an Interaktivität Tradition und wird von den Besuchern gerne angenommen.“ Es gibt also viel zu spüren, zu hören und zu sehen, zu drücken, zu drehen und zu bewegen. Am witzigsten ist eine Infrarotkamera, die registriert, wie sich beim Küssen die Wärmeverteilung in den diversen Kopfregionen ändert. Das Ergebnis kann per E-Mail an interessierte Adressaten weitergeleitet werden. Doch insgesamt hält sich der Rummel sehr in Grenzen. „Es sollen nicht nur die interaktionsintensiven Jugendlichen angesprochen werden“, sagt Baumunk, „sondern auch ältere Erwachsene, die eher in einen Dialog des Sehens treten. Aber bei allem, was sich für Interaktion eignet und einen pädagogischen Effekt hat, haben wir die Interaktivität ausgereizt.“ Am heftigsten genutzt wird denn auch ein Gerät, das eigentlich den korrekten Ablauf eines Orgasmus demonstrieren sollte: ein voll funktionsfähiger Flipper.

Also mischen sich unter die rund 1400 Objekte 50 Terminals und 50 nicht elektronische interaktive Installationen. Ergänzt durch ein ganz unerhörtes Medium: Bücher, die sichtlich auch gelesen werden, und reichlich Sitzplätze, die Gelegenheit dafür bieten. Viele Exponate stehen nicht nur in Vitrinen herum, sondern wollen in Schubladen und Kästen entdeckt werden. Das Museum ist ein Appell an die Sinne, an den Forschungstrieb und ein ganz wenig an die Vergnügungssucht. Es macht einfach Spaß.

Das hat auch damit zu tun, dass es an jeglicher Attitüde fehlt, die penetrant belehren will und Warnungen oder Verbote parat hat. Der Umgangston pflegt eine legere Art des „anything goes“. Alles halb so schlimm, sterben muss jeder mal. Wenn ein Betrachter Wertungen will, muss er sie selber mitbringen, auch bei so heiß diskutierten Themen wie Stammzellenforschung, Reproduktionsmedizin oder genetische Diagnostik. Es fehlt gottlob „Das Wunder der Natur“, „Das Wunder Mensch“ oder „Das Wunder der Schöpfung“, die bei solchen Veranstaltungen gerne bemüht werden.

Das soll aber keineswegs heißen, dass das Museum den Menschen auf seine narurwissenschaftlichen Bestandteile reduziert. Museumsdirektor Vogel wehrt sich gegen jede „Engführung des Themas“ – mit zahlreichen Sonderausstellungen. „Die Zehn Gebote“ hieß eine, die eine breite Brücke zur Bildenden Kunst schlug, eine andere „Körperbilder – Menschenbilder“, eine weitere „ Evolution – Wege des Lebens“. Derzeit findet eine Schau mit dem Titel „Spielen – zwischen Rausch und Regel“ großen Anklang.

Im September 2006 startet das gewagteste Projekt: eine Ausstellung des United States Holocaust Memorial Museum. Sie wird acht Monate dauern und die erste in Europa sein. Ihr Titel: Death Medicine – Creating the Master Race. Direkt am Tatort.

Die extreme Bandbreite des Dargestellten macht einerseits den Reiz des Konzepts aus, birgt aber andererseits das Risiko der Beliebigkeit. Irgendwo und irgendwie hat schließlich alles mit dem Thema Mensch zu tun.

Bei anderen artverwandten Sammlungen kommt dieses Gefühl nicht auf. Das Medizinhistorische Museum etwa in der altehrwürdigen Berliner Charité lässt den Besucher keine Sekunde lang im Zweifel über den Ort, an dem er sich befindet. Hier hat Rudolf Virchow, Heros der Medizingeschichte, am 27. Juni 1899 sein Pathologisches Museum eröffnet. Die originalgetreu restaurierte erste Etage im historischen Gebäude wurde 1998 wieder zugänglich. Etwa 900 Präparate mahnen den Besucher daran, dass er vergänglich ist, und vor allem: warum. Die „außerordentlich wertvollen und seltenen pathologischen Exponate, darunter gutartige und bösartige Tumore, verschiedene Entzündungsformen, heute kaum mehr anzutreffende Organveränderungen und extrem seltene embryonale Fehlbildungen“ (Katalog) stellen einen heftigen Kontrast zu der Welt des Deutschen Hygiene-Museums dar. Virchows Sammlung umfasste knapp 21 100 Objekte, gemäß seinem Wahlspruch „Jeden Tag ein Präparat“. Es geht hier auch um andere historische Dimensionen. „Wir versuchen Einblicke in wissenschaftliche Zusammenhänge zu gewähren und geben einen Überblick über die Entwicklung der Medizin der letzten 300 Jahre“, sagt Thomas Schnalke, der das Berliner Medizinhistorische Museum der Charité leitet.

Obwohl sie von ihrer Geschichte und ihrem Konzept her kaum unterschiedlicher sein könnten, weisen Berlin und Dresden Berührungspunkte auf. Zum einen das Publikum: „Wir haben hier viele Schüler der elften, zwölften und dreizehnten Klasse, die einen Gang durch den Körper machen wollen“, sagt Schnalke. „Wir wollen den Körper erklären wie die Dresdener. Da berühren wir uns.“

Nur fällt die Erklärung drastischer aus. Das jugendliche Publikum wirkt spätestens nach dem zweiten Blick blass um die Nase und äußert in den folgenden zwei Stunden keinerlei Bedarf an Interaktivität oder ähnlichen Zerstreuungen. Die Darstellung geht über das in seiner Konservierungsflüssigkeit schwimmende Objekt und eine trockene schriftlich Erläuterung nicht hinaus. Der Faszination und der Wissbegier der jungen Besucher tut dies keinen Abbruch. Schnalke: „Wir setzen sehr stark auf das Original. Es soll so sein, dass in der Ausstellung die Objekte für sich wirken und nicht konterkariert werden von modernen Medien.“

Trotzdem bescheinigt der Wissenschaftler dem Deutschen Hygiene-Museum ein „gelungenes Konzept“ und meint: „Die Dresdener machen einen guten Job.“ Sie zeigen auch einige Feuchtpräparate als Leihgaben aus Berlin. Und die Charité wiederum verschließt sich nicht ganz dem Zug der Zeit. Bis zum 300-jährigen Jubiläum 2010 will Schnalke mit einem weiteren Ausstellungsbereich aufwarten, mit „Medizin zum Anfassen“. Dort werden dann Computeranimation und Interaktivität Einzug halten: Unter anderen steht der Umgang mit Geburtszange und Mikroskop auf dem Programm.

Wer sich allerdings ganz weit zurück in die Geschichte der Medizin begeben möchte, muss nach Ingolstadt. Die dortige Universität wurde 1472 gegründet und mit ihr die medizinische Fakultät. Vordergründig beschäftigt sich die Sammlung in der Alten Anatomie wie die beiden anderen mit dem Menschen in gesunden und kranken Tagen und was von ihm übrig bleibt. Doch der Besucher wird mit den Objekten allein gelassen. Auf „didaktisch und museumspädagogisch vielleicht wünschenswerte Text- und Schematafeln“ hat die Museumsgestaltung bewusst verzichtet. Die Sammlung zeigt nur wenige Präparate, dafür das umfangreiche Instrumentarium, mit dem die Ärzte der Krankheit, Kranken und Toten während der vergangenen Jahrhunderte zu Leibe rückten. Die Museumsgestalter wollten die Dinge in der Alten Anatomie für sich selbst sprechen lassen. Was sie zu erzählen haben ist in der Tat weitaus schauerlicher und eindrucksvoller als es ein Flachbildschirm, ein Wachsmodell oder ein plastinierter Golfspieler jemals ausdrücken könnte. ■

Hans Schmidt

COMMUNITY internet

Über die aktuellen Aktivitäten und Eintrittspreise des Deutschen Hygiene-Museums können Sie sich informieren unter:

www.dhmd/de/neu

Ohne Titel

• 75 Jahre nach der Eröffnung des Deutschen Hygiene-Museums am jetzigen Standort präsentiert sich die Dauerausstellung völlig neu.

• Bis 1990 produzierte das Museum medizinische Lehrmittel, etwa krankhaft veränderte Lebern, Nieren und Herzen.

• 1400 Objekte stehen parat – darunter eine Kamera, die anzeigt, wie sich beim Küssen die Temperatur im Kopf ändert.

Ohne Titel

Er war das, was man heute einen Top-Unternehmer nennen würde: Karl August Lingner hatte ein untrügliches Gespür für seine Zeit und ihre Märkte, wusste das neue Kommunikationsmittel Reklame für seine Produkte virtuos einzusetzen und war ein Meister der Selbstinszenierung.

Lingner, der aus kleinen Verhältnissen stammte, begann sein Fabrikantendasein in einem Dresdner Hinterhof mit Senfpumpen und Rückenkratzern. Mit der Erfindung des Mundwassers Odol gelang ihm der Durchbruch. Der Vermarktung ließ der Unternehmer eine Reihe von Ausstellungen mit populärwissenschaftlichem Anspruch folgen, deren Höhepunkt die Hygiene-Ausstellung von 1911 mit 5,5 Millionen Besuchern war.

Kommerziell überaus erfolgreich bis in die jüngere Vergangenheit war die Gründung von Werkstätten für medizinische Lehrmittel, insbesondere das pathoplastische Institut (1907). Es produzierte serienweise Moulagen, Wachsmodelle von krankhaft veränderten Körperteilen und Organen, deren Formen vom Patienten abgenommen wurden, aber auch andere Lehrmittel wie Plakate, Lehrfilme oder Broschüren.

Der von Lingner vorangetriebene Bau eines „ National-Hygiene-Museums“ kam nicht mehr zustande. Er starb 1916. Erst 1930 konnte ein Neubau am jetzigen Standort fertig gestellt werden. Architekt war Wilhelm Kreis (1873 bis 1954), der das Gebäude im Stil der Neuen Sachlichkeit, aber mit klassizistischen Anklängen gestaltete. Kreis profilierte sich in den kommenden Jahren als prominenter Baumeister des Nationalsozialismus. Die Nazi-Diktatur stellte das Museum und seine Produktion in den Dienst ihrer Rassen-Ideologie und des Euthanasie-Programms sowie der „völkischen Gesundheitserziehung“.

1945 wurde das Museum bei der Bombardierung Dresdens zu 80 Prozent zerstört, aber schon 1946 wieder im Rohbau errichtet. Zwischen 1948 und 1959 entstanden 21 gläserne Frauen, zwölf Männer sowie Pferde und Kühe. 1990 wurde die Lehrmittelproduktion eingestellt. Nach der Wende bekam das Museum eine neue Leitung und ein neues Konzept, das sich in zahlreichen Sonderausstellungen niederschlug. Eine Gesamtsanierung des Baus begann 2000, sie soll in diesem Jahr abgeschlossen werden. Der erste Teil der Dauerausstellung wurde im April 2004 eröffnet, der zweite im Mai 2005.

Träger des Museums ist eine Stiftung bürgerlichen Rechts mit Sitz in Dresden. Sie erhält zu gleichen Teilen jährliche Kostenbeiträge des Freistaates Sachsen und der Landeshauptstadt Dresden. Dazu kommen Zuwendungen von Unternehmen wie der DKV Deutsche Krankenversicherung und von Stiftungen.

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