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Negativ denken tut gut

Gesellschaft|Psychologie

Negativ denken tut gut
Die boomende Gute-Laune-Branche verspricht garantierten Erfolg in Beruf- und Privatleben durch positives Denken. Doch das ist nur die halbe Wahrheit.

Der Weg zum Erfolg ist mit positivem Denken gepflastert. Der feste Glaube daran führt fast automatisch zur Verwirklichung aller Ziele – egal ob es um eine Beförderung, eine Prüfung oder ein Rendezvous geht. So verkünden es Motivationsgurus ihren verzagten Kunden seit Jahren und setzen damit Milliarden um.

Kritiker zweifeln schon länger an der Wirksamkeit der Positiv-Denken-Strategie. Nun gibt es Studien, die den Zweiflern Recht geben: Die Positiv-Taktik führt keineswegs direkt und immer zum Erfolg – gelegentlich schadet sie sogar. Erfolgsfantasien in der Art „In einem Jahr bin ich Abteilungsleiter!“ verhindern bei bestimmten Persönlichkeitstypen, dass sie ihre Ziele erreichen. Dagegen sind für viele Menschen gerade Vorstellungen des Misserfolgs ein Schlüssel zum Platz an der Sonne. Ihre Zielstrategie müsste heißen: Think negative!

In diesem Paradoxon lassen sich die Studien von Thomas Langens zusammenfassen. Der Psychologe an der Universität Wuppertal untersucht seit Jahren die Auswirkungen von Imaginationen, die um persönliche Ziele kreisen. „Solche Fantasien können in vielen Fällen durchaus helfen, Ziele besser zu erreichen.“

Andererseits münden intensive Erfolgsvorstellungen oft in Demotivation oder sogar Depression: „Sie können Hoffnungen nehmen und Erfolge verhindern, wenn sich ein Tagträumer plötzlich bewusst wird, dass sich seine Visionen kaum realisieren lassen.“

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Dieser janusköpfige Effekt der Positiv-Denken-Strategie ist allerdings nur bei bestimmten Persönlichkeitstypen zu beobachten. Langens ließ für seine Untersuchungen Studenten zunächst die Wichtigkeit ihrer Studienziele einschätzen und dann wochenlang ihre Erfolgsfantasien dazu protokollieren. Das Ergebnis:

• Vor allem hochmotivierte Teilnehmer profitierten von positiven Einschätzungen. Ähnlich erfolgreich waren Studenten, die wenig Furcht vor einem Misserfolg hatten. Auch ein hochmotivierter Sportler, der seine Erfolge im Tagtraum immer wieder durchlebt, kann besser abschneiden. Das bestätigen Sportpsychologen aus der Praxis.

• Auf gering motivierte Studenten wirkten sich die herbei geträumten grandiosen Erfolge dagegen negativ aus. Langens erklärt das so: „Indem man bereits als erreicht vorwegnimmt, was erst noch durch Arbeit erreicht werden muss, kann die Motivation zur ernsthaften Verfolgung eines Ziels gelähmt werden.“ Positiv denken macht diesen Persönlichkeitstyp nachlässig beim Verfolgen von Zielen.

Zu diesem Schluss kam auch eine Studie von Gabriele Oettingen, die an den Universitäten Hamburg und New York forscht. Sie begleitete Studenten beim Übergang ins Arbeitsleben. Die Teilnehmer sollten ihre positiven und negativen Fantasien über die anstehende Jobsuche protokollieren. Das Resultat war eindeutig: Bewerber mit intensiven Erfolgsvorstellungen schrieben weniger Bewerbungen, bekamen weniger Angebote und verdienten deutlich weniger als ihre Konkurrenten, die ihre Jobsuche ohne ruhmreiche Tagträume angingen.

Auch der individuelle Hang zu Optimismus oder Pessimismus spielt eine wichtige Rolle, wie Julie Norem vom Wellesley College in Boston mit einem Experiment herausfand: Pessimistische Studenten brachten deutlich schlechtere Prüfungsleistungen, wenn ihnen vorher optimistische Denkstrategien aufgezwungen wurden. Sie schnitten viel besser ab, wenn sie sich intensiv einen Misserfolg ausmalen durften.

Positives Erfolgsdenken ist also nicht aus sich heraus wirksam oder unwirksam, die Träume müssen zur Persönlichkeit passen. Langens regt deshalb alternative Strategien an: „ Misserfolgsängstliche sollten sich den Weg und nicht das Ziel vorstellen und ihre Visionen immer wieder mit der Realität abgleichen.“ Langens nennt das die „Erdung“ von Erfolgsvisionen.

Die Think-Positive-Gläubigen werden sich von derlei differenzierten Strategien kaum begeistern lassen. Das kräftige „ Du schaffst es, Tschakka!“ der Gute-Laune-Branche ist einprägsamer. ■

Eva Tenzer

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