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SCHWER GELADEN

Technik|Digitales

SCHWER GELADEN
Der Bedarf an Transportern für schwerste Lasten steigt weltweit. Denn immer häufiger werden gewichtige Instrumente und Geräte fertig konstruiert verladen.

In der Nacht vom 3. auf den 4. Dezember 2007 mussten im Landkreis Heilbronn viele Straßen gesperrt werden. Otto und Lore wurden in den Heilbronner Neckarhafen gebracht. Bei Otto und Lore handelt es sich nicht nur um typisch deutsche Namen, sondern auch um typisch deutsche Produkte – High-Tech-Geräte, die in der Welt gefragt sind: 130 Tonnen schwere Lasttransporter, die auch in dünner Luft problemlos funktionieren sollen. Diese extremen Anforderungen stellen Astronomen. Hoch über der chilenischen Atacama-Wüste entsteht bis 2012 das Radioteleskop ALMA. Es soll verstehen helfen, was sich in der Frühzeit des Universums abgespielt hat und wie Sterne und Planeten entstanden sind. Dazu werden 66 Parabolantennen mit einem Durchmesser von jeweils 12 Metern und einem Eigengewicht von jeweils 115 Tonnen zusammengebaut, als Fertigbau 29 Kilometer weit transportiert und dann – in 5000 Meter Höhe – endgültig justiert. Otto und Lore sind Kraftpakete, die in den Anden ihren Dienst schieben werden. Hergestellt wurden sie von der Firma Scheuerle im schwäbisch-fränkischen Ort Pfedelbach.

Ihren Kosenamen erhielten sie nach den Vornamen des Unternehmensinhabers Otto Rettenmaier und dessen Frau Lore. Rettenmaier hat Scheuerle nach der Insolvenz 1987 gekauft, „aus technischer Faszination“. 1994 gründete Rettenmaier die Holding Transporter Industry International TII. Ein Jahr später ging darin der französische Schwerlasttransporterbauer Nicolas S. A. auf, 2004 folgte die Ulmer Kamag. Alle drei Unternehmensteile haben ihre Spezialitäten, sind andererseits natürlich eng verzahnt. Die technologisch anspruchsvollen Transporter gehen unter dem Namen Scheuerle in alle Welt: die Hauptmasten von Windenergiegeneratoren, schwere Transformatoren, ganze Unterseeboote, bereits mit Treibstoff befüllte Zusatzraketen für NASA-Raumtransporter, eine komplette Kirche in Sachsen und britische Ölbohrplattformen.

Genutzt werden die Scheuerle-Produkte von Spezialtransport-Unternehmen. „Wir selbst transportieren nicht, verleasen auch nicht, wir verkaufen nur“ erklärt Rettenmaier, der trotz seiner 81 Jahre jeden Morgen Punkt sieben am Schreibtisch sitzt – sogar samstags. Als wichtigste Entwicklungen seiner Schwerlastersparte nennt er: „Pendelachse und elektronische Vielweglenkung“. Das heißt: Jedes Rad kann auf der Stelle gedreht und so ausgerichtet werden, dass es selbst in Hanglagen stabil ist. Die Software dahinter ist Betriebsgeheimnis. „Hier sind wir den Chinesen weit voraus, weiter sage ich nichts“, erklärt Thomas Riek, Werkleiter bei Scheuerle. Auch wenn die Standardtransporter pro Achse gut 30 000 Euro kosten – die Auftragslage ist hervorragend. „Für die nächsten 24 Monate sind wir ausgelastet“, verrät der Eigner sichtlich stolz.

Wolfgang Hess

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Ähnlich genial wie Legosteine passen die Module der Schwerlasttransporter SPMT (Self Propelled Modular Transporters) lückenlos aneinander. Ob vierfach gekuppelt, auf den Mittelpunkt eines Kreises zentriert oder Y-förmig angeordnet: Die sechs- bis achtachsigen Einzelmodule können so zusammengestellt und gesteuert werden, dass damit jede Schwerlast geschultert wird. Anders als Legosteine stehen die Bausteine indes auf Rädern – mit dem Clou: Jede Achse lässt sich einzeln ansteuern. Dadurch wäre es möglich, eine fußballfeldgroße Fläche modular gekoppelter Schwertransporter zentimetergenau zu rangieren und mit einer Geschwindigkeit von bis zu acht Kilometer pro Stunde in eine frei wählbare Richtung zu bugsieren. In Entwicklungen wie der elektronischen Vielwegelenkung liegt das Know-how des Unternehmens, das einen wesentlichen Anteil an der Weltmarktführerschaft der Gruppe im Bereich von Schwerstfahrzeugen hat. Zum Erfolg beigetragen hat auch der intelligente Einzelachsantrieb. Ein Motor für jede einzelne Achse – das wäre zu teuer und würde sehr viel Platz beanspruchen. Deshalb kam Willy Scheuerle schon vor 50 Jahren auf die Idee, die Achsen hydrostatisch anzutreiben. PS-starke Diesel, die modular ans System gekoppelt werden können, sorgen für Power und pressen die Flüssigkeit punktgenau in die diversen Achsantriebe.

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1869 gründete Christian Scheuerle im württembergischen Pfedelbach (aktuelle Einwohnerzahl knapp 9000) eine Schmiede. Aus ihr entwickelte Enkel Willy – einstmals Ingenieur beim legendären Wilhelm Maybach – ein Unternehmen, das sich mit dem Transport von schweren Lasten beschäftigt. 1949 konstruierte Willy Scheuerle den weltweit ersten Tieflader mit mechanisch lenkbaren Fahrwerken und Achsausgleich. Der Grundstein für die heutige Weltmarktführerschaft bei selbstangetriebenen Schwerlasttransportern wurde vor genau 50 Jahren gelegt: 1958 kam der erste Transporter mit hydrostatischem Zusatzantrieb auf den Markt. 1972 folgte die elektronische Vielweglenkung dieser Fahrzeuge, 1995 eine modulare Transporterkombination von 112 Achslinien, ausgelegt für 3700 Tonnen Nutzlast. In den vergangenen Jahren wurde das Unternehmen mehrfach ins Guinness-Buch der Rekorde aufgenommen – 2004 etwa, als die niederländische Spedition Mammoet in England mittels Scheuerle-Transportern eine Öl- und Gasplattform mit einem Gewicht von fast 14 500 Tonnen auf 2000 Rädern bewegte.

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Gründung: Scheuerle Fahrzeugfabrik GmbH 1937. 1994 wird die Holding TII (Transporter Industry International) hundertprozentige Eigentümerin. Sie ist im Besitz des Heilbronner Multiunternehmers Otto Rettenmaier. TII-Geschäftsführerin ist dessen Tochter Susanne Rettenmaier. 1994 geht Nicolas Industries, Champs-sur-Yonne, 2004 die Ulmer Kamag Transporttechnik in die TII über.

GESCHÄFTSFÜHRUNG:

Ulrich Bochtler, Hans-Jörg Habernegg

Werkleitung: Thomas Riek

UMSATZ: keine Angaben

INTERNET: www.scheuerle.com

E-MAIL: info@scheuerle.com

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