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Heilen mit Licht

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Heilen mit Licht
Manche Farbstoffe nisten sich bevorzugt in Tumorgewebe ein. Das hilft bei der Therapie: Mit Licht spezieller Wellenlängen lässt sich das kranke Gewebe aufspüren und gezielt beseitigen.

Die Entdeckung ist alt, die Anwendungen sind hochaktuell: Im Winter 1897/98 tüftelte Hermann von Tappeiner, Professor am Pharmakologischen Institut München, an einem Wirkstoff gegen Malaria. Unter seinen Fittichen testete der Student Oscar Raab die toxische Wirkung des Farbstoffs Akridin an Pantoffeltierchen. Verblüfft bemerkte er, wie die im Halbdunkel harmlose Substanz unter Lichteinwirkung zum Killer mutierte und die einzelligen Lebewesen tötete. Fluoreszierende Verbindungen verwandelten offenbar die Lichtenergie in chemische Energie mit Vernichtungspotenzial. „Photodynamischer Effekt“ – so taufte Tappeiner seinen Fund. Heute ist die Ecole Polytechnique Fédérale in Lausanne eine Hochburg der Photodynamischen Therapie und der Photodynamischen Diagnose.

Beide Anwendungen gehen auf Raabs Entdeckung zurück. Der Chemiker Hubert van den Bergh hat hier in den Siebzigerjahren die Krebsdiagnostik revolutioniert. „Mich interessierte vor allem der sehr aggressive Blasenkrebs, der im Frühstadium mit herkömmlichen Verfahren kaum erkennbar ist und sich heimlich in der Blasenschleimhaut ausbreitet“, erinnert sich der Laserspezialist. Wie damals schon bekannt war, siedeln sich im Tumorgewebe zahlreiche Porphyrine an. Diese Vorläufermoleküle von Hämoglobin fluoreszieren unter Lichteinwirkung. Die Lausanner Wissenschaftler veränderten die Säure, aus der die Porphyrine gebildet werden, auf molekularer Ebene und konnten so die leuchtende Substanz besser und schneller in die Zellen einschleusen. Inzwischen ist das von der Hochschule patentierte Molekül Hexvix in ganz Europa für die Früherkennung von Blasenkrebs zugelassen. „Mit Hexvix sind Blasentumore erstmals feststellbar, bevor sie gefährlich ins Muskelgewebe einwachsen“, bestätigt Professor Manfred Beer, Chefarzt für Urologie am Berliner Franziskus-Krankenhaus.

Den Lungentumor früher FINDEN

Genauso heimtückisch entstehen Lungentumore. Mit herkömmlicher Weißlicht-Endoskopie sind die ersten Gewebeveränderungen kaum zu erkennen. Erst im fortgeschrittenen Stadium treten Symptome auf: anhaltender Reizhusten, Auswurf oder Atemnot. Wissenschaftler aus Lausanne haben in den Neunzigerjahren zusammen mit Forschern der Firma Richard Wolf in Knittlingen bei Pforzheim die Diagnostische Auto-Fluoreszenz-Endoskopie entwickelt. Der Arzt bestrahlt dazu das Bronchialgewebe mit violettem und blauem Licht spezieller Wellenlängen. „Eine Injektion von Farbmolekülen ist nicht nötig, denn das Licht regt Moleküle der Bronchialwände an und bringt sie zum Fluoreszieren“, erklärt Georges Wagnières, Leiter der Gruppe für Photomedizin an der Ecole Polytechnique. „Da gesundes Gewebe stark fluoresziert, krankes dagegen nur schwach, sind Tumorränder deutlich erkennbar – und dies in einem Stadium, in dem die Heilungschancen gut stehen.“

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Die Fortschritte in der Photomedizin haben nicht nur die Diagnostik von Krankheiten verbessert, sondern auch die Heilung. Vom therapeutischen Einsatz des photodynamischen Effekts profitieren derzeit vor allem Menschen, die unter der altersbedingten feuchten Makula-Degeneration (AMD) leiden. Dabei kommt es unter der Netzhaut zu einer krankhaften Neubildung von Blutgefäßen, aus denen Flüssigkeit austritt und die Photorezeptoren zerstört. In westlichen Industrieländern ist die AMD für Menschen ab 50 die häufigste Erblindungsursache, zwei Millionen sind allein in Deutschland betroffen. Die Lausanner Crew suchte zu Beginn der Neunzigerjahre nach geeigneten Farbmolekülen – und fand die Lösung mit der in Kanada und den USA an Tieren erprobten Substanz Visudyne. Sie wird dem Patienten injiziert und heftet sich bevorzugt an die Innenwand der Blutgefäße im Auge. Die Lausanner entwickelten mit dem Pharma-Unternehmen Novartis zusammen einen Diodenlaser, dessen rotes Licht mit Visudyne bestimmte biochemische Prozesse auslöst. Diese verschließen unerwünschte Blutgefäße, schonen jedoch das umliegende Gewebe. Seit dem Jahr 2000 hat die Photodynamische Therapie mit Visudyne weltweit über eine halbe Million Patienten vor Blindheit bewahrt.

Nun scheint die Therapie durch ein neues Medikament überholt: Lucentis, ein biotechnisch maßgeschneiderter Antikörper, hemmt gezielt die Entstehung von Gefäßneubildungen. „Die Therapie stoppt die Erkrankung bei 95 Prozent der Patienten, bei 30 bis 40 Prozent verbessert sich die Sehschärfe“, sagt Prof. Sebastian Wolf, Klinikdirektor am Inselspital Bern. Der Wirkstoff muss jedoch mit einer Nadel direkt ins Auge gespritzt und die Behandlung relativ häufig wiederholt werden. Also arbeiten die Forscher der Ecole Polytechnique jetzt daran, die Vorzüge der Photodynamischen Therapie mit denen von Lucentis zu verknüpfen, um die Zahl der Behandlungen zu reduzieren.

Erfolg verbucht auch die von den Lausanner Spezialisten zusammen mit der Biolitec AG in Jena entwickelte Foscan-Therapie gegen Tumore im Kopf- und Halsbereich. Wie eine im Frühjahr 2007 erschienene Studie belegt, weisen 61 Prozent der Patienten nach der Behandlung mit dem lichtempfindlichen Medikament Foscan keinerlei Anzeichen von Krebs mehr auf, bei weiteren 6 Prozent bildeten sich die Tumore deutlich zurück.

Mit Farbstoffen HAARE ENTFERNEN

Wie zu Zeiten von Oscar Raab steht noch immer gelegentlich der Zufall Pate für neue Ideen: So experimentierten die Licht-Forscher aus Lausanne mit Dermatologen aus Genf an neuen Photosensibilisatoren – Stoffen, die Zellen lichtempfindlicher machen. Ihr Ziel war eine neue Therapie von Hautkrebs. Erstaunt bemerkten die Wissenschaftler, dass sich eine der getesteten Substanzen besonders in den Haarwurzeln anreicherte. Flugs patentierten sie das Farbmolekül. Der Biophysiker Thomas Glanzmann gründete eine Firma, die Photoderma SA in Lausanne, und nun arbeitet sein Team an einer Methode zur dauerhaften Haarentfernung am Körper – für viele Frauen die Lösung eines großen ästhetischen Problems. ■

Elsbeth Heinzelmann

COMMUNITY INTERNET

Forschungsgruppe Photomedizin an der Ecole Polytechnique Fédérale Lausanne:

lpas.epfl.ch/PDT/

Informationen zu Blasenkrebs:

www.selbsthilfe-harnblasenkrebs.de

Informationen zur Makula-Degeneration:

www.augenheilkunde.insel.ch/ makuladegen.html

Haarentfernung mit Licht:

www.photoderma.com

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