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Kandidaten-Kür

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Kandidaten-Kür
Kurz vor Toresschluß präsentiert die Expo noch einmal ein Highlight: die Verleihung des Deutschen Zukunftspreises am 19. Oktober durch Bundespräsident Johannes Rau. Nominiert sind vier technologische Innovationen, die das Zeug zum kommerziellen Erfolg haben.

Als Karlheinz Brandenburg Ende der achtziger Jahre seine Doktorarbeit abschloß, konnte er vom Erfolg seiner Innovation nur träumen: „Ich habe damals gesagt: Möglicherweise verstaubt diese Dissertation wie so viele andere in Bibliotheken. Vielleicht wird sie aber auch zu einem Weltstandard mit Millionen Nutzern.” Letzteres galt noch 1990 als kühne Zukunftsvision. Heute ist sie Wirklichkeit. Brandenburg schuf mit seiner Promotion an der Universität Erlangen die Grundlagen für MP3 – ein Komprimierungsverfahren für digitale Audiodaten. Es wandelt Musikstücke in Datenpakete um, die innerhalb weniger Minuten über Internet und Telefonleitungen verschickt werden können und trotzdem fast CD-Qualität erreichen. Heute werden pro Tag schätzungsweise zehn Millionen MP3-Dateien aus dem Internet – legal und illegal – auf Privatcomputer geladen. Durch MP3 ist das Datennetz zu einer riesigen Tauschbörse für Musik geworden.

Mit Karlheinz Brandenburg, Harald Popp und Bernhard Grill, alle drei Elektrotechniker am Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen (IIS) in Erlangen und Ilmenau, sind die maßgeblichen Entwickler des MP3-Standards für den diesjährigen Zukunftspreis des Bundespräsidenten nominiert. „Eigentlich waren über die gesamte Zeit rund 50 Leute beteiligt”, sagt Brandenburg. Die Statuten des Zukunftspreises erlauben aber pro Nominierung nicht mehr als drei Personen.

Wer mit MP3 ein Musikstück von einer CD komprimieren möchte, braucht einen sogenannten Encoder. Umgekehrt verwandelt ein Decoder das MP3-Paket wieder in hörbare Musik. Brandenburg, Popp und Grill sahen die Chance, ihre Entwicklung zu vermarkten. Sie stellten Gratis-Testversionen ihrer Decoder- und Encoder-Programme mit eingeschränkten Funktionen ins Internet. In der damals noch kleinen Internet-Gemeinde verbreitete sich MP3 wie ein Lauffeuer. Als die Zahl der Internet-Nutzer in die Höhe schnellte, wurde MP3 endgültig zum Massenphänomen. Wer heute einen neuen Computer kauft, hat in der Regel auch Software auf der Festplatte, die MP3-Dateien abspielt. Häufig stammt sie von Brandenburg und seinen Mitarbeitern.

Das Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen hat an dieser Entwicklung kräftig verdient. „Durch die Einnahmen können wir uns inzwischen ein großes Entwicklerteam leisten”, sagt Grill. „Wir haben zur Zeit sicherlich die besten Encoder und Decoder am Markt, und diesen Vorsprung wollen wir halten.”

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Auch an der Entwicklung des MP3-Nachfolgers sind die Fraunhofer-Forscher beteiligt: Er heißt Advanced Audio Coding (AAC) und komprimiert digitale Musikdaten auf ein Sechzehntel der ursprünglichen Größe: die Klangqualität ist dabei genausogut wie bei MP3. Besonders die Musikindustrie, die starke Verluste durch illegale MP3-Kopien beklagt, setzt auf AAC.

Anders als MP3 soll das neue Verfahren nämlich nur an Firmen lizenziert werden, die Kopierschutz-Mechanismen einbauen. Möglicherweise werden bald mehr Menschen per Internet oder per Handy Musik einkaufen als im CD-Geschäft. Brandenburg ist sicher: „Die große Zukunft der Audiokomprimierung hat gerade erst begonnen.”

Ist der Schweinebraten schon gar? Wie viele Schritte bin ich gejoggt? Welche Kühe sind auf der Weide? Anwendungen für Sensoren gibt es zuhauf. Die meisten scheitern daran, daß Sensoren entweder über ein Kabel angeschlossen werden müssen oder eine Batterie brauchen, wenn sie drahtlos arbeiten sollen.

Damit ist jetzt Schluß. Wolf-Eckhart Bulst, Physiker in der Zentralabteilung Technik bei Siemens, hat Sensoren entwickelt, die völlig autark sind. Der Trick: Die Energie stammt aus dem zu messenden Ereignis selbst. Ein piezoelektrischer Kristall – wie er als Zünder in Feuerzeugen verwendet wird – erzeugt unter Druck oder Wärmeverformung einen kleinen Funken. Der Impuls durchläuft den Sensor, wird reflektiert und als Funksignal abgestrahlt. Das Signal erhält ein charakteristisches Frequenzmuster, das den Sensor beim Empfänger identifiziert. Beispiel Fernbedienung: Jede Taste besitzt in Zukunft einen eigenen Drucksensor, der seinen Code beim Drücken der Taste zum Fernsehgerät funkt. Beispiel Thermometer: Ein Temperatursensor im Kochtopf meldet dem Herd, wann das Essen gar ist, und schaltet dann die Herdplatte ab.

Bulst ist überzeugt, daß seine Sensoren zu Massenartikeln werden. Ein zentraler Empfänger im Haus würde Sensoren in Lichtschaltern, Tür- und Fensterschlössern oder Haushaltsgeräten überwachen – und jede Menge Kabel und Batterien sparen. Die Reichweite wäre ausreichend: Sie beträgt schon jetzt 30 Meter, 100 Meter scheinen möglich.

„Unsere technische Innovation bringt nicht nur ökonomische, sondern auch ökologische Vorteile.” Die umweltfreundliche Innovation, von der Dr. Georg Holzhey begeistert erzählt, ist ein neuer integrierter Herstellungsprozeß für Papier. Der Geschäftsführer der Augsburger Firma Haindl Papier hat das Verfahren mit seinen Kollegen Dr. Hartmut Wurster und Hans-Peter Hofmann ausgetüftelt.

Bisher wird Magazinpapier, das in Zeitschriften wie bild der wissenschaft oder Werbeprospekten verwendet wird, in fünf Schritten produziert: Das Rohpapier wird hergestellt, mit einer Pigmentschicht bestrichen und schließlich geglättet. Zwischen den Verfahrensschritten muß das Papier jeweils auf- und abgerollt werden – energieaufwendige Vorgänge, bei denen die Papierrolle leicht reißen kann. Haindl Papier integrierte die fünf Herstellungsschritte jetzt in einer zusammenhängenden Anlage. Die Produktionsgeschwindigkeit wurde dank neuer Streichfarben von 1300 auf 1800 Meter pro Minute beschleunigt. Dabei verwertet der integrierte Herstellungsprozeß 25 Prozent Altpapier – 8 Prozent mehr als herkömmliche Papiermaschinen – und verbraucht 30 Prozent weniger Strom.

Die Entwicklung der integrierten Papiermaschine kostete 800 Millionen Mark und dauerte fünf Jahre, angefangen mit wissenschaftlichen Studien, die zu internationalen Patenten führten, bis zur Inbetriebnahme der Papiermaschine 3 im Juni 2000. Die PM 3 ist die leistungsfähigste Papiermaschine der Welt. Mit einer Jahresproduktion von 400000 Tonnen übertrifft sie ältere Maschinen um das Vierfache.

Wie schlimm steht’s um die Raucherlunge? Ist die Asthma-therapie erfolgreich? Bei solchen Fragen tappten die Ärzte bisher im dunkeln. Denn Röntgenaufnahmen und Kernspintomographie können die Lunge nur sehr ungenau abbilden. Diese Lücke schließen Prof. Ernst Wilhelm Otten und Prof. Werner Heil vom Physikalischen Institut der Universität Mainz. Die beiden Physiker entwickelten ein Verfahren, mit dem die Lunge im Computertomographen betrachtet werden kann.

Normalerweise werden bei der Kernspinresonanz-Tomografie Wasserstoff-Atome beobachtet, die im Gewebe und in allen Körperflüssigkeiten vorkommen. Sie haben ein starkes Dipolmoment und werden durch einen starken Magneten ausgerichtet, ähnlich wie eine Kompaßnadel im Magnetfeld der Erde. Die Signale der Atomkerne kann man auswerten und ein dreidimensionales Bild erhalten. Weil Tumore besonders gut durchblutet werden, sind sie auf den Bildern auch besonders gut sichtbar.

Bei der Lunge versagt diese Methode, weil das poröse Lungengewebe eine zu geringe Dichte hat. Auch die Bestandteile der Luft – Stickstoff und Sauerstoff eignen sich nicht für eine Ausrichtung im Magnetfeld. Man braucht also eine Art Kontrastmittel. Hierfür eignen sich Edelgase, die zuvor stark polarisiert wurden. Otten und Heil hatten ursprünglich für physikalische Experimente ein Verfahren entwickelt, um große Mengen Helium-3 durch sogenanntes optisches Pumpen mit polarisiertem Laserlicht gleichzurichten und zu transportieren.

Auf die Idee, das polarisierte Helium für medizinische Zwecke einzusetzen, kamen sie, als amerikanische Wissenschaftler im Fachjournal Nature das erste Bild einer Rattenlunge veröffentlichten aufgenommen mit polarisiertem Xenon. Otten und Heil wandten sich an den Mainzer Radiologen Manfred Thelen, der die beiden ans Heidelberger Krebsforschungszentrum vermittelte. Dort entstanden die ersten Aufnahmen der menschlichen Lunge.

Inzwischen ist das Verfahren so ausgereift, daß nicht nur dreidimensionale Momentaufnahmen der Lunge möglich sind, die Funktion der Lunge kann sogar in ihrem zeitlichen Ablauf dargestellt werden. Ein Arzt kann Engpässe feststellen, ausgelöst durch Asthma oder einen Tumor, weil an diese Stellen kein Helium-3 gelangt. Auch die Sauerstoffaufnahme der Lunge läßt sich durch ein spezielles Verfahren millimetergenau abbilden. So weiß der Arzt genau, wie schlimm es um eine Raucherlunge steht.

Steffi Hentzelt

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Wissenschaftsjournalist Tim Schröder im Gespräch mit Forscherinnen und Forschern zu Fragen, die uns bewegen:

  • Wie kann die Wissenschaft helfen, die Herausforderungen unserer Zeit zu meistern?
  • Was werden die nächsten großen Innovationen?
  • Was gibt es auf der Erde und im Universum noch zu entdecken?

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