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Zweifelhafte Perspektive

Technik|Digitales

Zweifelhafte Perspektive

Die Euphorie der Neunzigerjahre über Brennstoffzellen als Autoantrieb ist verflogen: Inzwischen rechnet die Industrie frühestens für 2012 mit einer Serienfertigung solcher abgasfreien Fahrzeuge. Deutlich aussichtsreicher erschien Fachleuten allerdings schon vor 15 Jahren die Chance, Brennstoffzellen in stationären Kraftwerken zur Strom- und Wärmeproduktion einzusetzen: Anders als in Autos brauchen die Aggregate hier weder kaltstartfähig zu sein noch den ständigen Stress durch Bremsen und Beschleunigen auszuhalten.

Um im deutschen Strom- und Wärmemarkt den etablierten Dieselmotoren und Gasturbinen den Rang abzulaufen – speziell im Segment zwischen 300 Kilowatt und 3 Megawatt –, ist das Brennstoffzellen-Kraftwerk „HotModule“ seit Jahren der heißeste Anwärter. „Es überwindet den zentralen Nachteil der bisherigen Brennstoffzellen-Technologie – den zu hohen Preis des produzierten Stroms“, stand in bild der wissenschaft, als die MTU Friedrichshafen GmbH das HotModule erstmals öffentlich vorstellte (bdw 11/1996, „Das Öko-Kraftwerk“). Der Grund für die damalige Einschätzung: Das Bauprinzip ist einfacher als das konkurrierender Konstruktionen. Das HotModule arbeitet im Eintopfbetrieb mit im Kreis strömender Umluft, sodass auf eine Vielzahl von Rohrleitungen, Dichtungen und Gashauben verzichtet werden kann. Und es kommt ohne separate Reformieranlage aus, in der zunächst aus dem zugeführten Brennstoff – etwa Erdgas – das eigentliche Brenngas Wasserstoff abgespalten werden müsste. All das hilft, Kosten zu sparen.

Heute – ein Jahrzehnt später – sind europaweit elf HotModule-Demonstrationsanlagen in Betrieb. Eine produziert Strom und Dampf für die Reifenproduktion bei Michelin, eine andere dient dem Unternehmen DeTeImmobilien zur Gleichstromversorgung, eine dritte erzeugt im Abwasserwerk der Stadt Ahlen Strom aus Klärgas – alles gefördert mit Mitteln des Bundes und der EU. „ Solche Demonstrationsanlagen sind ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einem Serienprodukt. Die erste Stufe der Serienfertigung und der Serienmontage ist bei uns im Aufbau und wird noch dieses Jahr abgeschlossen sein“, sagt Michael Bode, Geschäftsführer der MTU CFC Solutions GmbH. Dieses Unternehmen entstand 2003 aus dem Bereich „Neue Technologien“ der MTU Friedrichshafen als Joint Venture mit der RWE Fuel Cells GmbH. MTU CFC Solutions hat derzeit 84 Mitarbeiter und nennt sich selbst Technologieführer in Europa für stationäre Brennstoffzellen-Kraftwerke der 250 Kilowatt-Leistungsklasse.

„Hier hat MTU tatsächlich nach wie vor einen technologischen Vorsprung gegenüber der Konkurrenz“, bestätigt Robert Steinberger-Wilckens, Leiter des Projekts Brennstoffzelle am Forschungszentrum Jülich. Doch wie viel ist dieser Vorsprung wert – nach einem Zehn-Jahres-Marathon an Entwicklungsarbeit, noch immer ohne Serienprodukt? Steinberger-Wilckens schränkt ein: „Der Zeitpunkt ist gekommen, wo man fragen muss, ob es bei Lebensdauer und Kosten noch genügend Verbesserungspotenzial gibt oder ob man in einer Sackgasse steckt.“

Die Brennstoffzellen in einer der HotModule-Demonstrationsanlagen verrichten zwar bereits seit 27 000 Stunden ihren Dienst – doch für eine breite Kommerzialisierung erwarten die Kunden, dass ihnen 40 000 Stunden (rund fünf Jahre) Lebensdauer garantiert werden. Der Praxis-Nachweis hierfür steht aus. Und, weit bedenklicher: Obwohl die Systemkosten seit 1996 drastisch gesenkt wurden, liegt die MTU CFC Solutions nach Insider-Informationen immer noch um ein Mehrfaches über dem anvisierten Ziel, mit dem HotModule ein Kilowatt elektrische Leistung für konkurrenzfähige 1300 Euro Investitionskosten erzeugen zu können. Wie es heute aussieht, stehen der Brennstoffzelle nicht nur als Autoantrieb, sondern auch als Kraftwerk schwere Zeiten bevor. Frank Frick■

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