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Zwerg mit heißem Herzen

Technik|Digitales

Zwerg mit heißem Herzen
Eine kleine Brennstoffzelle soll künftig Handys, tragbare Computer und Navigations- systeme mit elektrischem Strom versorgen. Obwohl ihre Keramikmembran 500 Grad Celsius heiß ist, lässt sie sich ohne böse Folgen in Hosen- oder Handtasche verstauen.

Im Labor von Ludwig Gauckler geht es heiß her. Mehrere Hundert Grad Celsius herrschen in den engen Kanälen und an den feinen Plättchen, an denen verschiedene Gase entlang strömen, dort chemisch reagieren und dabei elektrischen Strom erzeugen. Gauckler, Leiter des Instituts für Nichtmetallische Anorganische Materialien an der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich, und sein Forscherteam entwickeln kompakte Hochtemperatur-Brennstoffzellen, die in einigen Jahren als kommerzielle Stromquellen für tragbare elektronische Geräte dienen sollen.

Bislang ist der Typ von Zelle, mit dem in Gaucklers Forschungslabor gearbeitet wird, noch ein ziemlicher Exot: Die chemischen Reaktoren namens SOFC – das Kürzel steht für Solid Oxide Fuel Cell, auf deutsch: Festoxid-Brennstoffzelle – werden derzeit erst in wenigen Kleinkraftwerken zur Versorgung von Wohngebäuden mit Wärme und elektrischem Strom eingesetzt. Zwar entwickeln Forscher und Ingenieure weltweit seit etlichen Jahren auch Brennstoffzellen-Systeme für mobile Anwendungen, etwa in tragbaren Computern, oder für den Einsatz in Fahrzeugen, doch dabei bauen sie bisher vor allem auf andere Zellentypen: die Direktmethanol-Brennstoffzelle (DMFC) und die Polymer-Elektrolyt-Membran-Brennstoffzelle (PEMFC). Die sind als Energieerzeuger zwar weniger effizient und bei den möglichen Brennstoffen nicht so flexibel wie ihre Pendants vom Typ SOFC, doch sie lassen sich bei deutlich niedrigeren Temperaturen betreiben.

So fertigt die kanadische Firma Ballard Power PEMFC-Brennstoffzellen, die Automobilunternehmen wie DaimlerChrysler, Toyota, Honda und Ford künftig als Stromquelle für elektrisch angetriebene Fahrzeuge verwenden wollen. Etliche Prototypen von Autos und Bussen mit Brennstoffzellen-Elektroantrieb sind schon seit Jahren auf den Straßen unterwegs. Die Serienreife der Technologie in Fahrzeugen liegt jedoch noch in weiter Ferne. Ein wesentlicher Grund dafür: Die Niedertemperatur-Zellen brauchen Wasserstoff als Brennstoff, der entweder in reiner Form gespeichert oder in einem aufwendigen chemischen Prozess durch einen Reformer an Bord aus Methanol gewonnen werden muss.

Eleganter wäre die Nutzung von Hochtemperatur-Brennstoffzellen, die sich auch mit Erdgas, Benzin oder Diesel betreiben lassen. Allerdings wecken die zur Funktion einer solcher Brennstoffzelle erforderlichen sehr hohen Temperaturen von rund 900 bis 1000 Grad Celsius bei den Automobilherstellern die Furcht, der Wagen könnte bei einem Unfall durch die heiße Brennstoffzelle Feuer fangen. Zu gut ist den Unternehmen noch ein spektakulärer Zwischenfall im Gedächtnis, bei dem 1974 der Prototyp eines Fahrzeugs von Ford vor den Augen der versammelten Weltpresse lichterloh ausbrannte.

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Damals wollte Ford dem Elektroantrieb mit einer hocheffizienten Natrium-Schwefel-Batterie zum Durchbruch verhelfen. Nach einem Crash bei Regenwetter vermischte sich jedoch aus der Batterie ausgelaufenes heißes Natrium mit Wasser und entzündete sich. Es entstand ein Brand, der sich nur schwer wieder löschen ließ. Dieser Unfall besiegelte das Ende der Idee einer Natrium-Schwefel-Batterie als Stromquelle fürs Auto – und wirkt seitdem als Hemmschwelle für Experimente mit anderen heißen Energielieferanten in Fahrzeugen.

Das größte Handicap einer Hochtemperatur-Brennstoffzelle würde der Fahrer jedoch schon vor jeder Fahrt zu spüren bekommen: Er müsste die Zelle rund eine halbe Stunde lang auf Betriebstemperatur erhitzen, bevor er aufs Gaspedal treten und starten könnte. „Ich halte es daher schlicht für Blödsinn, eine solche Brennstoffzelle in ein Fahrzeug zu stecken“, sagt der Zürcher Keramikforscher Ludwig Gauckler – obwohl er es geschafft hat, die erforderliche Betriebstemperatur dieses Zellentyps deutlich zu senken.

Der ETH-Wissenschaftler fand eine Methode, um den Elektrolyt, der für den Ablauf der elektrochemischen Reaktionen in der Brennstoffzelle entscheidend ist (siehe Kasten oben), als dünne Schicht auf die Anode der Zelle aufzutragen. Dadurch sinkt der Innenwiderstand der Zelle. Die Folge: Statt 900 Grad sind nur etwa 700 Grad Celsius nötig, um die chemischen Prozesse in Gang zu halten. Für den Zellstapel und den Stromsammler – zwei weitere Komponenten der Brennstoffzelle – lassen sich daher weniger hitzebeständige und außerdem preisgünstigere Materialien verwenden. Die Herstellungskosten der Brennstoffzelle sinken, gleichzeitig steigt ihre Lebensdauer. In einem Kleinkraftwerk, das als Strom- und Wärmelieferant für Einfamilienhäuser dient, werden derartig optimierte Hochtemperatur-Brennstoffzellen bereits eingesetzt. Entwickelt hat das Mini-Kraftwerk das Schweizer Unternehmen Sulzer Hexis – eine Tochter der Firma Sulzer aus Winterthur, für die das Mutterunternehmen allerdings Anfang 2006 die finanzielle Unterstützung kappte. Die Weiterentwicklung der Anlagen läuft seitdem auf Sparflamme.

Das in Zukunft wichtigste Anwendungsgebiet für die Festoxid-Brennstoffzelle sieht Ludwig Gauckler ohnehin nicht in Kleinkraftwerken, sondern als sehr kompakter und leistungsfähiger Energiespender für die Hosen-, Hand- oder Aktentasche. Er könnte Notebooks, Handys, GPS-Systeme und Camcorder mit elektrischem Strom versorgen – und das mit mindestens viermal so hohem Wirkungsgrad bei der Erzeugung der Energie als bei den bisher gebräuchlichen Akkumulatoren. Als Brennstoff kann Propangas dienen. Dieses preiswerte und leicht zu speichernde Gas steckt in verdichteter Form beispielsweise in den Kartuschen von Feuerzeugen und macht diese erst zu einem billigen Wegwerfprodukt. Ähnliche Kartuschen können auch kleine SOFC-Brennstoffzellen versorgen. „Der Bedarf für solche Zellen besteht“, sagt Gauckler, „denn tragbare elektronische Geräte werden immer leistungsfähiger und haben dadurch einen ständig wachsenden Hunger nach elektrischem Strom.“ Den könnten kompakte und ausdauernde Brennstoffzellen wirkungsvoll stillen.

In dem Forschungsprojekt „One-Bar“, an dem neben der ETH Zürich weitere Schweizer Universitäten und Fachhochschulen beteiligt sind, haben Gauckler und sein Team eine heiße Mikro-Brennstoffzelle so weit entwickelt, dass ihre Betriebstemperatur nochmals um 200 Grad reduziert werden konnte. Die Elektrolyt-Membran, das zentrale Bauteil des chemischen Reaktors, ist im neuesten Prototypen der Zürcher Wissenschaftler nur noch ein Zehntel so dick wie die Membran in der Sulzer-Hexis-Zelle. Ermöglicht hat diese Miniaturisierung die Nutzung von Technologien, die auch in der Herstellung von mikroelektronischen Bauelementen verwendet werden. Damit lassen sich mühelos winzige Bauteile fertigen, extrem dünne Schichten erzeugen und nahezu beliebig strukturieren.

Auf die Idee der Mikro-Brennstoffzelle kam Gauckler durch Resultate in einem anderen Forschungsprojekt, bei dem es um die Konstruktion eines neuartigen Rauchmelders ging. In diesem Sensor ist eine Keramikmembran mit einem Mikrochip verbunden. Die Membran mit einem Durchmesser von 0,5 Millimetern spannt sich, für das menschliche Auge kaum sichtbar, über den Trägerchip aus Silizium. In die Unterseite des Chips ist ein Loch geätzt. Heißes Gas – entstanden etwa durch einen Brand –, das dort vorbei strömt, verändert die elektrische Leitfähigkeit der Membran. Das gibt das Signal zum Auslösen eines Feueralarms.

„Wir haben festgestellt, dass sich die Membran äußerst schnell erwärmt“, berichtet Gauckler. Denn die nur 0,5 Mikrometer dünnen so genannten Hot Plates haben eine sehr kleine Kontaktfläche mit dem dicken Träger aus Silizium, sodass kaum Wärme abfließt. Daraus schlossen die Forscher, dass – wenn die Anordnung elektrisch beheizt würde – auch nur sehr wenig Strom erforderlich wäre, um sie auf eine hohe Temperatur zu bringen und diese Temperatur dauerhaft zu halten. Kaum 20 Mikrosekunden Heizdauer und 0,06 Watt elektrische Leistung genügen, um die Hot Plates auf 500 Grad Celsius zu erhitzen. Das macht die Technologie auch für den Einsatz in einer kleinen Hochtemperatur-Brennstoffzelle geeignet.

Als die überraschenden thermischen Daten vorlagen, fingen die ETH-Forscher an zu kombinieren: Sie ersetzten das „heiße Plättchen“ durch eine Brennstoffzellen-Membran mit Kathode, Anode und Elektrolyt. An der Oberseite der Elektrolyt-Membran strömt Luft vorbei, an ihrer Unterseite durch das geätzte Loch das Brenngas Propan. Um die winzige Zellmembran auf Betriebstemperatur zu bringen, genügt ein schwacher Stromstoß. Zudem ist wegen der nur geringen Energieverluste der Mikro-Membran keine aufwendige Kühlung des Zellengehäuses erforderlich. Zur Herstellung der weniger als einen Mikrometer feinen Zellmembran lässt sich die für die Sulzer-Hexis-Zelle entwickelte Methode zum Auftragen von hauchdünnen Materialschichten nutzen. Erstaunt waren Gauckler und seine Mitarbeiter darüber, dass die Membran selbsttragend über dem Mikrochip stabil bleibt, ohne Risse zu bekommen. Rechnet man das Verhältnis von Fläche und Dicke der Membran hoch, entspricht das einer vier Meter starken Betondecke, die – ohne einen einzigen Stützpfeiler – den zwei Kilometer breiten Zürichsee überspannt.

Seit Anfang 2005 läuft in Gaucklers Team – mit Daniel Beckel, Ulrich Mücke und Jennifer Rupp – die Materialforschung auf Hochtouren. Es gilt, die beste Keramikmischung und die optimalen Herstellungsmethoden zu finden. „Wie sich so ein keramisches Material im Maßstab weniger Nanometer bei hohen Temperaturen verhält, ist bisher noch nie genau untersucht worden“, sagt Gauckler.

Eine spektakuläre Entdeckung gelang vor einem Jahr Jennifer Rupp. Die Lehrbuchregel besagt, dass sich die Körner von keramischen Werkstoffen bei hohen Temperaturen allmählich zusammenlagern und unaufhörlich zu wachsen beginnen. „Das wäre verheerend für eine Brennstoffzelle“, sagt Rupp. „Die ersten rund hundert Stunden würde die Zelle prima funktionieren, danach aber würde die Leistung drastisch sinken, weil das Kornwachstum der Keramiken die Leitfähigkeit verschlechtert.“

Rupp fand nun heraus, dass diese Entwicklung bei nanometerdünnen Elektrolyt-Schichten und einer Temperatur unter 1000 Grad Celsius so nicht stattfindet. Der Grund: Im Nanobereich sind nicht alle Atome strikt auf ihren Gitterplätzen angeordnet. Die leeren Gitterstellen behindern das Kornwachstum, Stabilität und Leitfähigkeit bleiben erhalten – und die Funktion der Brennstoffzelle wird nicht beeinträchtigt.

Ingenieure des Münchner Automobilherstellers BMW Group konnte Rupp damit mächtig zum Staunen bringen. Die Entwickler aus Bayern wollen Festkörper-Brennstoffzellen künftig als elektrische Stromquelle für die Bordfunktionen in den Fahrzeugen der BMW-7er-Reihe einsetzen. Dazu müssen die Zellen jedoch sehr schnell ihre Leistung liefern können und langlebig sein. Werden sie zusätzlich mit einem der in Zürich entwickelten Dünnfilm-Elektrolyten versehen, erhöht sich ihre Leitfähigkeit um 20 Prozent, während gleichzeitig ihre Lebensdauer um etwa denselben Betrag wächst – eine enorme Verbesserung. „Dabei haben wir erst im Sommer 2005 richtig mit unseren Forschungsarbeiten losgelegt“, schmunzelt Gauckler. Die BMW-Ingenieure hatten dagegen zuvor bereits 15 Jahre Forschungs- und Entwicklungsarbeit in die Technologie gesteckt.

Bis die Hochtemperatur-Brennstoffzellen im Miniformat auf den Markt kommen, wird es noch etwa fünf Jahre dauern, schätzt Gauckler. Die Ziele bis dahin sind aber klar gesteckt: Die Zelle, die sich – trotz ihres rund 500 Grad heißen Innenlebens – außen auf maximal 30 Grad Celsius erwärmt, darf nicht größer als 30 Kubikzentimeter sein. Das entspricht etwa dem Format der heute in größeren Handy-Modellen gebräuchlichen Lithium-Akkus. Die Hälfte des Brennstoffzellen-Volumens entfällt auf die Propan-Kartusche. Die Abwärme, die bei den chemischen Reaktionen entsteht, wird genutzt, um die Zelle auf Betriebstemperatur zu halten – sie ist daher stets rasch betriebsbereit.

Im Inneren der Zelle sind auf einer Platte Dutzende von Mikro-Membranen angebracht, die elektrisch miteinander verbunden und – um die nötige Spannung zu erhalten – in Form eines Sandwichs übereinandergeschichtet sind. Damit kann die Zelle bei 550 Grad Celsius eine Leistung von durchschnittlich einem Watt, während kurzer Bedarfsspitzen sogar bis zu fünf Watt abgeben. Mit einer einzigen Füllung der Gaskartusche soll die marktreife Mikro-Brennstoffzelle rund fünfmal so lange Strom liefern wie eine Lithium-Batterie, bevor sie nachgetankt werden muss.

„Durch eine konsequente Nutzung von Technologien, die in der Fertigung von Mikrochips seit Langem erprobt sind, dürfte sich die Zelle zudem um 15 bis 45 Prozent günstiger produzieren und anbieten lassen als eine herkömmliche Batterie“, sagt Gauckler. Auch das wäre ein sehr überzeugendes Verkaufsargument. ■

Christian Bernhart ist studierter Philosoph und arbeitet als freier Wissenschaftsjournalist in Bern. Dieser Beitrag ist sein Debut in bdw.

Christian Bernhart

COMMUNITY Internet

Homepage des Instituts für Nichtmetallische Anorganische Materialien der ETH Zürich:

www.nonmet.mat.ethz.ch

Aktuelle Meldungen und Hintergrundinfos zu Brennstoffzellen:

www.initiative-brennstoffzelle.de

Ohne Titel

Brennstoffzellen wandeln die chemische Energie des Brennstoffs direkt in Strom und Wärme um. Gemeinsam ist den verschiedenen Typen von Brennstoffzellen, dass ein so genannter Elektrolyt das Brenngas von der Luft trennt, Ionen aber durch den Elektrolyten wandern können. Bei der Festoxid-Brennstoffzelle (SOFC) sind es Sauerstoff-Ionen. Sie entstehen an der Kathode, wo Sauerstoff-Atome aus der Luft mit zwei zusätzlichen Elektronen beladen werden. Die dadurch entstehenden Ionen durchqueren den Elektrolyten zur Anode, die mit Brenngas – Wasserstoff oder einem wasserstoffhaltigen Gas wie Propan – versorgt wird. An der Anode geben die Sauerstoff-Ionen die zusätzlich aufgenommenen Elektronen wieder ab. Es entsteht elementarer Sauerstoff, der mit dem Brenngas chemisch zu Wasser und Kohlendioxid reagiert. Die frei werdenden Elektronen fließen als elektrischer Strom über einen äußeren Stromkreis zur Kathode zurück, wo sie sich erneut an Sauerstoff-Atome anlagern. Der Strom lässt sich nutzen, um etwa Motoren oder tragbare elektronische Geräte zu betreiben.

Ohne Titel

• Festoxid-Brennstoffzellen erzeugen Strom effizienter als andere Zellen.

• Sie lassen sich mit billigem und leicht zu handhabendem Propangas betreiben.

• Für den Einsatz in Elektronikgeräten haben Forscher die Zellen miniaturisiert.

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