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Wie konnten aus Habenichtsen plötzlich

Allgemein

Wie konnten aus Habenichtsen plötzlich

Wie konnten aus Habenichtsen plötzlich gefragte Handelspartner und geniale Bauherren werden?

Im 8. Jahrhundert vor Christus, am Beginn der frühen Eisenzeit, sonnte sich der Mittelmeerraum im Glanz der griechischen Kultur. In Italien befanden sich die Etrusker auf ihrem Höhepunkt. Und auch nördlich der Alpen kam es zu einer neuen kulturellen Blüte: der kometenhafte Aufstieg der frühen Kelten begann um 700 vor Christus. 100 Jahre später sorgte das deutlich wärmere Klima für Aufschwung im Ackerbau. Gleichzeitig fielen ausreichend Niederschläge.

Innerhalb von nur wenigen Generationen besiedelten die Kelten Ostösterreich, Südwestdeutschland, Ostfrankreich (Burgund) und die Nordschweiz. Eine Völkerwanderung lässt sich zu dieser Zeit und in dieser Gegend allerdings nicht feststellen, ebenso wenig ein Bruch in der kulturellen Entwicklung. Die Archäologen nehmen an, dass die frühen Kelten aus der späten Hallstattkultur (siehe Karte vorne) hervorgingen.

Eine entscheidende Rolle für den Aufstieg der Kelten spielte der Handel mit Salz. Gewonnen wurde das „weiße Gold“ vor allem im Salzkammergut.

Außerdem waren die Kelten äußerst geschickt darin, Eisen zu gewinnen und zu verarbeiten. Das Eisenerz lag ihnen regelrecht zu Füßen: Vor allem Süddeutschland wurde im 7. Jahrhundert vor Christus zu einem Zentrum der Eisenmetallurgie. Gefertigt wurden in erster Linie Schwerter – ein begehrtes und hochbezahltes Handelsgut.

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Auch in der Landwirtschaft führte die Eisentechnologie zu einem Innovationsschub: Pflüge aus Eisen steigerten die Erträge und machten Überschüsse möglich.

Frauen an die Macht: Galt das schon bei den frühen Kelten?

Die Kelten waren ein Verbund verschiedener Stämme sowie kleiner und kleinster Clans. Innerhalb dieser Verbände hatte in der Regel eine Familie das Sagen, an ihrer Spitze thronte der Keltenfürst. In welcher Beziehung die einzelnen Keltenfürsten zueinander standen, ist unbekannt: Sie könnten dicke Verbündete, neidische Konkurrenten oder weitläufige Verwandte gewesen sein.

Zumindest in einem Fall sind die Blutbande nachweisbar. Paläogenetische Untersuchungen an zwölf Individuen im Umfeld des keltischen Fürstensitzes Hohenasperg nahe Ludwigsburg zeigten, dass der Keltenfürst im nahe gelegenen Grafenbühl und jener im 13 Kilometer entfernten Fürstengrab von Eberdingen-Hochdorf eine identische mitochondriale DNA besitzen. Diese Erbinformation wird nur über die mütterliche Linie vererbt. Das heißt: Die beiden Burgherren waren Onkel und Neffe. Bei den Kelten hatten zwar nicht die Frauen das Sagen, die Macht aber wurde über die weibliche Linie vererbt. Auch der römische Geschichtsschreiber Livius berichtet über die matrilineare Erbfolge der Kelten.

Wie demonstrierten die Keltenfürsten ihre Macht – im Diesseits und im Jenseits?

Ein prachtvolles Phänomen der frühkeltischen Zeit waren die Fürstengräber – mächtige Hügel, unter denen sich eine offenbar schwerreiche Elite mit allem erdenklichen Luxus bestatten ließ. Den Toten wurden Statussymbole wie Waffen und Wagen mit ins Grab gelegt. Der Tod galt als Übergang in eine andere Welt.

Die Grabfunde besagen aber nicht nur etwas über die Vorstellungen des Jenseits, sondern auch über die Freuden des Diesseits. Sie zeigen, dass die Kelten Handel mit dem Mittelmeerraum trieben und sich Wein und Feigen kommen ließen, Amphoren und sündhaft teure Trinkgefäße sowie exotische Tiere wie Hühner, die es bis dato nördlich der Alpen nicht gegeben hatte.

Nicht weniger spektakulär als die Totensitze waren die irdischen Wohnungen der Kelten: befestigte Höhensiedlungen, auch Fürstensitze genannt. Rund zwei Dutzend solcher Anlagen sind im Kernland der Kelten bekannt – etwa die Heuneburg an der oberen Donau, Hohenasperg im Raum Stuttgart und der Mont Lassois in Burgund.

Die Heuneburg gilt als der bedeutendste und reichste Umschlagplatz des so genannten Westhallstadtkreises. Sie war in ein weit reichendes Handelsnetz eingebunden, das sich vor allem Richtung Süden bis nach Massilia (dem heutigen Marseille) und Oberitalien (damals griechischem und etruskischem Gebiet) zog.

Eine ihrer Siedlungsphasen sticht besonders hervor: In der 1. Hälfte des 6. Jahrhunderts vor Christus wurden die Straßen schnurgerade angelegt, als hätte ein amerikanischer Städteplaner sie auf dem Reißbrett entworfen. Umgeben waren sie von Häusern, die auffällig einheitlich groß waren. Statt wie bislang eine Holzkasten-Mauer – ein Rahmenwerk, das mit Erde und Steinen gefüllt wurde –, die alle 20 Jahre mühsam renoviert werden musste, wurde rund um den zentralen Teil der Siedlung eine Lehmziegelmauer hochgezogen, wie es sie sonst nur im Mittelmeerraum gab. Ob der Architekt der Lehmziegelmauer sich das Wissen im Süden angeeignet oder der Fürst einen ausländischen Baumeister angeheuert hatte, wissen die Archäologen nicht. Für die Menschen nördlich der Alpen war diese Mauer auf jeden Fall eine Sensation – und zeugte von der Macht des Fürsten. Einem solchen Mann schloss man sich gerne an. Im Umfeld des „ Schwäbischen Troja“ – wie die Heuneburg von den Archäologen genannt wird – siedelten sich im 6. Jahrhundert vor Christus zwischen 1000 und 2000 Menschen an: Bauern, Töpfer, Eisenschmiede.

Es gab nicht nur Fürstensitze: Wie lebte der keltische Pöbel?

Noch immer zeigen sich die frühen Kelten vor allem im Spiegel der Grabfunde, deutlich spärlicher ist die Zahl der erforschten Siedlungen. Und doch gibt es interessante Erkenntnisse – etwa aus Eberdingen-Hochdorf nahe Ludwigsburg. Im 5. Jahrhundert vor Christus bestand der keltische Weiler aus fünf bis sieben Höfen, die völlig autark wirtschafteten. Fachwerkhäuser von sieben bis zehn Meter Länge boten Platz für sechs bis acht Personen.

Man besaß niedrige Tische und schlief neben dem Herd. Weil die Kelten in Holz und Lehm bauten, war es in den Häusern ungemütlich kalt. Schornsteine und Rauchabzüge gab es nicht, die Familie saß am offenen Feuer, während der beißende Rauch durch den Wohnraum zog.

Neben den Wohnhäusern gab es Scheunen und Speicher für Gerste, Emmer, Einkorn, Weizen, Hirse und Dinkel. In Grubenhäusern wurde gewebt.

Die Ställe für Schweine, Ziegen, Schafe, Rinder und Pferde waren bis zu 25 Meter lang. Neben Nutztieren und Wild stand offenbar auch Hund ab und an auf dem Speisezettel. Weinbau war den Kelten unbekannt, sie brauten Bier und Met.

Die Kelten waren recht groß: durchschnittlich 1,69 Meter die Frauen und 1,72 Meter die Männer – was auf eine gute Ernährung und eine gesunde Lebensweise hindeutet.

Die antiken griechischen und römischen Schriftsteller indes lassen kein gutes Haar an den angeblich „fürchterlichen Barbaren“ mit den wirren Bärten, die saufend und kriegslüstern durch die Lande zogen, sich bevorzugt nackt mit kalkgestärkter Stachelmähne ihren Feinden entgegen warfen und die Köpfe ihrer Gegner als Trophäen an die Hälse ihrer Rosse hängten, wie sie verbreiteten. Aristoteles überlieferte, dass Dicksein bei den Kelten unter Strafe stand. Auffallend waren die bunt karierten Hosen – so was kannte man im Land der Toga nicht.

Wann kam das Aus für die frühen Kelten?

Um 500 vor Christus standen die frühen Kelten an der Schwelle zur Hochkultur und im Zenit ihrer Macht. 100 Jahre später schienen die Götter ihren Blick abzuwenden. Innerhalb von nur 50 Jahren wurden die Fürstensitze Heuneburg, Hohenasperg und Mont Lassois aufgegeben. Das Klima war kühl geworden, die Erträge sanken. Die Kelten verließen ihre Heimat, überrannten auf ihrem Weg gen Süden die Etrusker und zwangen Rom in die Knie. Zu Hause eroberte der Wald das Territorium zurück. Doch dieses Ende sollte nur ein kurzes Atemholen vor der wahren Blüte der Kelten sein – der Latènezeit. Aber das ist eine andere Geschichte. Dina Stahn

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