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„Es gibt keinen Grund, die Regeln zu überarbeiten“

Allgemein

„Es gibt keinen Grund, die Regeln zu überarbeiten“
Die Deutsche Forschungsgemeinschaft hält die selbstgesetzten Barrieren gegen Betrug in Forschung und Wissenschaft für ausreichend.

bild der wissenschaft: Haben die Betrugsfälle in der deutschen Forschung zugenommen?

Winnacker: Auf jeden Fall berichten die Medien mehr darüber. Vor dem Fall Herrmann wähnte man sich in Deutschland immun gegen Betrug, das ist nun anders.

Schneider: Vor dem Fall Herrmann waren die Universitäten nicht auf Betrug in der Wissenschaft vorbereitet. Jetzt haben Forschungseinrichtungen – und auch die DFG – Gremien, die auf Fehlverhalten reagieren können. Dadurch werden mehr Fälle sichtbar.

bdw: Wie viel haben die entsprechenden Gremien der DFG zu tun?

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Winnacker: Wir haben seit etwa drei Jahren Ombudsmänner. Das sind Ansprechpartner für Forscher, die sich in ihren Institutionen mit Problemen nicht aufgehoben fühlen. Die DFG-Ombudsmänner werden etwa 80- bis 100-mal im Jahr aktiv. Bei den tausenden von Forschern, die die DFG jährlich fördert, ist das keine beunruhigende Größe.

bdw: Womit müssen sich diese Vertrauensmänner in der Regel beschäftigen?

Schneider: Sie sollen Schlichter oder Mediatoren bei Streitfällen sein. Oft geht es um zwischenmenschliche Probleme, etwa, wenn sich jemand bei einer Publikation nicht angemessen erwähnt fühlt. Oder um Beschwerden von Doktoranden, dass der Promotionsausschuss zu langsam arbeitet. Meist können die Ombudsmänner die Sache telefonisch bereinigen. Nur selten kommt es zu eingehenden Verhandlungen.

bdw: Jede große Universität hat mittlerweile Ombudsmänner. Sie sollen Vorwürfe zunächst nicht öffentlich klären. Ist so eine Einrichtung nicht wie dafür geschaffen, Vorfälle unter den Teppich zu kehren?

Schneider: Nein, sicher nicht. Wer sich an die Öffentlichkeit wenden will, kann das immer noch tun. Aber wie mit Vorwürfen letztlich umgegangen wird, hängt auch von den Ombudsmännern und ihren Fähigkeiten ab. Die DFG empfiehlt daher, erfahrene und unabhängige Menschen zu benennen.

Winnacker: Die Nichtöffentlichkeit beim anlaufenden Verfahren ist auch als Schutz der abhängig Beschäftigten gedacht. Oft sind es Untergebene, die sich über ihre Chefs beschweren. In der ersten Phase der Ermittlungen bleiben daher die Namen geheim.

bdw: Haben Sie das Problem wissenschaftlichen Fehlverhaltens mit den Neuerungen in den Griff bekommen?

Winnacker: Jeder Betrugsfall ist ein Fall zu viel – insofern haben wir das Problem nicht im Griff. Aber wir haben auch nicht das Gefühl, unsere Regeln überarbeiten zu müssen.

bdw: Kann man der Wissenschaft denn noch vertrauen?

Winnacker: Selbstverständlich. In der Wissenschaft gibt es ein inhärentes Maß an Selbstkontrolle wie in kaum einem anderen Bereich. Die Forscher kontrollieren sich fortwährend selbst, indem sie Ergebnisse publizieren, Versuche wiederholen und neue Arbeitshypothesen aus den Erkenntnissen ableiten, die wiederum getestet werden. Auf diese Weise sind auch alle großen Betrugsfälle herausgekommen.

bdw: Die DFG hat Mertelsmann nach dem Betrug milde nur für drei Jahre von der Förderung ausgeschlossen.

Winnacker: Was Herr Mertelsmann gemacht hat, war ein Affront gegen die Wissenschaft. Wir sind jedoch nur ein eingetragener Verein, und unsere Möglichkeiten beschränken sich auf die Vergabe oder Nichtvergabe von Fördermitteln. Andere Institutionen hätten hier angemessener reagieren können.

bdw: Es gab nach dem Fall Herrmann den Vorschlag, nicht auf die Selbstkontrolle der Wissenschaft zu vertrauen, sondern Externe mit der Überwachung der Labore zu beauftragen.

Winnacker: Die DFG als Verein ist sicher nicht die Institution, die so etwas machen kann. Eine solche Überwachung wäre teuer und zudem Aufgabe der Länder, womit es auch politisch sehr kompliziert würde. Die Erfahrung zeigt außerdem, dass unter Verdacht geratene Forscher nicht mehr kooperieren, was Ermittlungsverfahren von Externen sehr schwierig machen würde.

Schneider: Wenn, wie bei Herrmann, eine ganze Gruppe Fehlverhalten an den Tag legt, werden die sozialen Verhältnisse innerhalb des Teams pervers und unerträglich. Außerdem ist bei Betrug das Verhältnis von Risiko zu möglichem Gewinn schlecht: Wenn der Betrug auffliegt, ist die wissenschaftliche Karriere dahin. Die Selbstkontrolle der Wissenschaft ist ein sehr effektives Mittel gegen Fehlverhalten.

Das Gespräch führte Andreas Wawrzinek

Andreas Wawrzinek

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