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In die Tiefe verbannt

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In die Tiefe verbannt
BEI DER BOHRINSEL Sleipner A in der Nordsee, 250 Kilometer vor der Küste Norwegens, versenkt die Firma Statoil seit 1996 jährlich eine Million Tonnen Kohlendioxid (CO2) in einem Erdgaslager im Meeresboden. Durch ein Rohr wird das CO2 rund 1000 Meter tief in eine poröse Sandsteinschicht gepresst. Über dem Sandstein liegender Schiefer soll verhindern, dass das Kohlendioxid wieder entweicht.

„Ein Gasfeld ist auch ein Gasbehälter”, hatte 1991 der für die Shell AG forschende Ingenieur Maarten van der Burgt postuliert: Das von Kraftwerken emittierte Kohlendioxid könne man unter Druck verflüssigen und in ausgebeutete Erdgasfelder hinabpumpen. Die Gesteinsporen, die zuvor das Erdgas beherbergten, wären ein Sarkophag für das Kohlendioxid – ein Endlager.

Damals war das nicht mehr als eine Idee. Jetzt liegen über fünf Jahre Praxiserfahrung vor. Tore Torp, der zuständige Manager bei Statoil, übt sich immer noch in Vorsicht: „Wir können nicht versprechen, dass das CO2 für immer in der Tiefe bleibt.” Aber ein paar hundert Jahre werde das Endlager wohl dicht halten. Bisher sei kein Kohlendioxid entwichen.

Für Statoil ist die Einlagerung nahezu kostenneutral. Das auf der Sleipner-Bohrinsel geförderte Erdgas besteht nämlich zu neun Prozent aus Kohlendioxid – um es überhaupt verkaufen zu können, muss der CO2-Anteil sowieso auf unter zwei Prozent gesenkt werden. Zwei 20 Meter hohe Absorptionstürme auf der Bohrinsel trennen das CO2 vom Erdgas. Würde Statoil es in die Atmosphäre pusten, müsste die Firma in Norwegen Strafsteuern bezahlen, die fast so hoch wären wie die Kosten, um das Gas in den Meeresgrund zurückzupressen. Aus Umweltsicht sei die Einlagerung des Gases unbedenklich, sagt Torp. Franz May von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe in Hannover gibt zu bedenken: In der Sandsteinschicht bei Sleipner A leben Mikroorganismen, die beeinträchtigt werden könnten. Doch handle es sich bei ihnen nicht um bedrohte Raritäten. Als einzige Gefahr sieht May, dass das Gas vorzeitig entweichen könnte. Allerdings finden sich rund um den Globus zahlreiche natürliche Reservoire, in denen seit Jahrtausenden CO2 lagert.

Die 250 Meter dicke, 150 Kilometer breite und mehrere 100 Kilometer lange Sandsteinschicht bei Sleipner A könne 600 Milliarden Tonnen Kohlendioxid aufnehmen, sagt Torp – „so viel, wie alle europäischen Kraftwerke in 600 Jahren ausstoßen”. Auch anderswo gebe es geeignete Lagerstätten. Die Europäische Union untersucht derzeit vier Standorte in Europa – je einen in Großbritannien, Dänemark und Norwegen. Der vierte liegt in Deutschland: Beim Braunkohlekraftwerk „Schwarze Pumpe” in der Lausitz soll CO2 aus dem Abgas isoliert und in den Untergrund gepumpt werden.

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So etwas wäre freilich, im Gegensatz zur Situation im Sleipner-Gasfeld, recht teuer. Nach Schätzungen der Internationalen Energie Agentur (IEA) würden die Produktionskosten für eine Kilowattstunde Strom in einem Öl- oder Gaskraftwerk um 50 bis 80 Prozent steigen, wenn das entstehende CO2 abgetrennt und in den Untergrund gepresst würde. Für Franz May ist daher nicht absehbar, ob die Technik jemals in großem Maßstab eingesetzt wird: „Das hängt von der politischen Entwicklung ab.” In der Dritten Welt ließe sich möglicherweise für weniger Geld weitaus mehr Effekt erzielen, um den CO2-Ausstoß zu drosseln.

Auch Tore Torp von Statoil räumt ein: Der billigere Weg wäre, sich kleinere Autos zuzulegen und die Energiequellen effizienter zu nutzen. Immerhin sei die CO2-Einlagerung eine jetzt als realisierbar erwiesene Option, um das Klima zu schützen – während parallel eine nachhaltige Energieversorgung entwickelt werden müsste.

Wolfgang Blum

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