Brisantes fand einer der erfahrensten BSE-Forscher, John Collinge aus London, heraus: Fehlerhaft gefaltete Prionen-Proteine lösen nicht nur bei Rindern BSE und beim Menschen die neue Variante der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (vCJK) aus, sondern möglicherweise auch eine andere, ebenfalls tödlich verlaufende Form von CJK.
Bei BSE und vCJK lagern sich im Gehirn der Tiere oder Menschen bestimmte Varianten falsch gefalteter körpereigener Prionen-Proteine ab. Überträgt man diese BSE-Prionen auf Labormäuse, so entwickeln die Tiere BSE-ähnliche Symptome, und man findet auch in ihren Gehirnen BSE-Prionen. Solche Befunde ließen vermuten, dass diese speziellen Prionen der auslösende Stoff sind, der die Seuche nicht nur innerhalb einer Art, sondern über Artengrenzen hinweg überträgt.
Als nun Collinge und sein Team ausgewählte Mausstämme untersuchten, die trotz der Infektion mit BSE-Prionen keine Krankheitssymptome zeigten, erlebten sie eine Überraschung: Sie fanden im Gehirn der klinisch völlig gesunden Nagetiere Prionen. Diese Moleküle glichen allerdings meist nicht den BSE-Prionen, mit denen die Tiere infiziert worden waren, sondern solchen, die man bei der „sporadischen“ Creutzfeldt-Jakob-Krankheit findet. Diese ist eine von vier Varianten der Krankheit, die beim Menschen vorkommt. Von drei Krankheitsvarianten kennt man die Ursachen. So lösen Mutationen in den Prionen- Genen die familiäre Form aus. Die iatrogene Form entsteht durch das Verabreichen verunreinigter Medizinprodukte (zum Beispiel menschlicher Wachstumshormone), die variable CJK durch BSE-Prionen. Den Auslöser von sporadischer CJK, deren Symptome sich beim Menschen erst ab einem Alter von etwa 60 Jahren manifestieren, kennt man jedoch bisher nicht. Sind es vielleicht BSE-Prionen? In Großbritannien und vor allem in der Schweiz fand man in den letzten drei Jahren mehr Patienten mit sporadischer CJK als früher. Dies könnte das Resultat einer aufmerksameren Diagnostik sein. Allerdings kann man aufgrund der Resultate von Collinges Team ebenso vermuten, dass sich die Menschen durch den Verzehr von BSE-Rindfleisch infiziert haben. Noch allerdings ist das Spekulation.
Hans Groth