Karthago gehörte über Jahrhunderte zu den politisch erfolgreichsten Großmächten der Antike, daran lässt Klaus Zimmermann keinen Zweifel. Der Althistoriker an der Universität Münster hat viele Belege für ein modifiziertes Karthago-Bild zusammengetragen. Das ist verdienstvoll, denn bislang speiste sich die Wahrnehmung dieser Stadt und dieses Staates vor allem aus römischen und griechischen Quellen – und die sind entschieden parteiisch. Kultur und Religion, Alltagsleben und Wirtschaft interessieren Zimmermann bei seiner Neubewertung nur am Rande. Er schildert hauptsächlich die politisch-militärischen Ereignisse.
Neu und spannend ist der Blick hinter die glatte Oberfläche der römischen Geschichtsschreibung, also in die Verträge zwischen Rom und Karthago, die lange Zeit eine friedliche Koexistenz sicherten. Schnell wird dabei deutlich, dass das aufstrebende Rom trickste und täuschte, zynisch zielgerichtet agierte und immer einen Weg fand, um sein Tun moralisch zu rechtfertigen: Da verschwinden Verträge aus den Staatsarchiven, Abmachungen werden einseitig neu interpretiert oder geographische Abgrenzungen nachträglich geändert.
In Rom kam es schon in der republikanischen Zeit zu perfiden Machtspielen, wie sie später, in cäsarischen Zeiten, in Helvetien und Gallien geläufig wurden. Diese Neubewertung der Quellen macht den überragenden Wert des Buches aus. Die schöne Ausstattung und etliche Originaltexte vervollständigen den positiven Eindruck. Michael Zick
Klaus Zimmermann KARTHAGO Aufstieg und Fall einer Großmacht Theiss, Stuttgart 2010 192 S. mit 120 Abb., € 34,90 ISBN 978–3–8 062–2281–4