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Deutschland schlägt Japan

Technik|Digitales

Deutschland schlägt Japan
Kein Land der Welt hat im vergangenen Jahr mehr Solarmodule installiert als die Bundesrepublik.

Die Photovoltaik-Branche jubelt: 2004 installierte sie weltweit Solarzellen mit einer Gesamtleistung von rund 1000 Megawatt. Das ist mehr als dreimal so viel wie im Jahr 2000. Ganz besonders triumphiert die PV-Branche in Deutschland. Hier wurden Zellen mit einer Leistung von mehr als 300 Megawatt installiert: Das ist achtmal so viel wie 2000. Damit überholt Deutschland den bisherigen Installationsweltmeister Japan. „Dort wird man 2004 höchstwahrscheinlich die 300-Megawatt-Schwelle nicht erreichen”, vermutet Winfried Hoffmann, Sprecher der Geschäftsführung der RWE SCHOTT Solar GmbH in Alzenau. „Wer vor fünf Jahren behauptet hätte, dass auf diesem Markt Deutschland bald Japan vom ersten Platz verdrängen würde, den hätte man für verrückt erklärt.”

Wieder einmal zeigt sich, was geschickt geschnürte Förderprogramme bewirken. Ursache des gigantischen deutschen Wachstums von rund 100 Prozent gegenüber dem Vorjahr ist das „ Erneuerbare Energien Gesetz” von 1999 und dessen Novellierung von 2004. Dadurch bekommt jeder eine angemessene Verzinsung, der in Solarzellen investiert und damit Strom fürs Netz produziert. 2004 waren das für jede über bestehende Gebäude gewonnene und ins Netz eingespeiste Kilowattstunde zwischen 54 und 57,4 Cent. Bei Anlagen, die auf dem freien Feld eigens zur Solarenergiegewinnung errichtet wurden, belief sich die Vergütung auf 45,7 Cent/kWh. Im Jahr 2005 sowie für die folgenden Jahre reduziert sich die Förderung für Neuanlagen um jeweils fünf Prozent.

„In Spanien gibt es ein ähnlich attraktives Einspeisegesetz, damit wird es dort zu einem vergleichbaren Boom wie in Deutschland kommen”, urteilt Hoffmann. Auch in Italien und in Griechenland werde intensiv über eine solche Förderung nachgedacht. Dass die Japaner bei der Installation von Photovoltatik-Anlagen bislang weltweit die Nase vorne hatten, liegt ebenfalls an der öffentlichen Förderung.

Ziel ist es, die Herstellkosten für betriebsfertige Solarmodule durch Massenproduktion zu drücken. In etwa 15 Jahren könnte dann Strom aus Sonnenlicht, der über privat finanzierte Photovoltaik-Anlagen gewonnen wird, auch ohne Fördermittel so kostengünstig produziert werden, dass er mit Spitzenlaststrom aus dem Netz konkurrieren kann. Noch früher dürfte sich diese Wettbewerbssituation in südeuropäischen Ländern einstellen: Dort scheint die Sonne pro Jahr etliche Hundert Stunden länger als in Mitteleuropa.

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Weltgrößter Solarzellenhersteller ist Sharp, das im japanischen Katsuragi im diesen Tagen eine neue Fertigungslinie in Betrieb nimmt und dann Solarzellen mit einer Leistung von 400 Megawatt pro Jahr herstellen kann. In Deutschland produzieren neben RWE SCHOTT Solar fünf weitere Unternehmen Solarzellen. Der größte Hersteller ist Q-Cells in Thalheim bei Wolfen, der nach den Worten von Gerhard Stryi-Hipp, dem Geschäftsführer des Bundesverbandes Solarindustrie e.V., im Laufe dieses Jahres seine Produktionskapazität auf 200 Megawatt steigern will. Auch die anderen Produzenten – darunter Shell in Gelsenkirchen, Ersol in Erfurt oder Deutsche Cell in Freiberg/Sachsen – weiten ihre Produktion aus und schaffen dadurch Arbeitsplätze, allerdings auch im Ausland.

So erklärte RWE SCHOTT Solar im vergangenen Herbst, dass die Module ab 2005 in Tschechien gefertigt werden. „Bei der Modulherstellung liegt der Personalkostenanteil deutlich über zehn Prozent. Da auch unsere japanischen Konkurrenten in lohnkostengünstigen Ländern – zum Beispiel in Tschechien oder Rumänien – produzieren, würden wir im Wettbewerb pro fertig gestelltem Solarmodul einige Cent pro Watt drauf legen, wenn wir sie weiterhin in Deutschland montieren”, sagt Hoffmann.

Wenn nicht einmal mehr jene Solarmodule wettbewerbsfähig produziert werden können, für die Attribute wie „Hightech”, „ rasantes Wachstum” und „hohe Binnennachfrage” gelten, was soll künftig dann noch hierzulande gefertigt werden können? „Die Entwicklung von RWE SCHOTT Solar bleibt weiterhin in Deutschland. Hier bleiben auch die Pilotfertigung sowie alle lohnkostenarmen Produktionslinien wie die Solarzellenproduktion, was immerhin 400 Arbeitsplätze sichert”, antwortet Hoffmann.

Mittelfristig sieht er sogar für die Modulfertigung wieder Chancen: „Wenn es uns durch Automatisierung gelingt, den Lohnkostenanteil auf etwa fünf Prozent der Gesamtkosten zu drücken, ist Deutschland wieder absolut konkurrenzfähig.” Bei weiterhin so gewaltigen Wachstumsraten wie in den letzten Jahren könnte sich das – so Hoffmann – durch intelligente Herstellungsverfahren durchaus ergeben.

Mehr Sorgen als die Modulproduktion in Tschechien machen ihm die gegenwärtig langen Lieferfristen für Rohsilizium. Sie führen dazu, dass bestellte Solarmodule erst nach sechs bis neun Monaten geliefert werden können. So mancher Häuslebauer könnte dadurch wieder von seinem Plan abspringen, in die Photovoltaik zu investieren. Gerhard Stryi-Hipp teilt diese Befürchtung – auch deshalb, weil die Preise trotz der gestiegenen Produktionsleistung noch nicht so gesunken sind, wie man sich das wünschen würde. „Alle Hersteller sind noch in der Investitionsphase, das verursacht natürlich erst einmal hohe Kosten.”

Erforderlich sind Investitionen auf der ganzen Bandbreite: 95 Prozent aller hergestellten Solarzellen basieren auf Silizium. Bisher hatte die Solarzellenfertigung ganz gut von den Reinstsilizium-Restmengen leben können, die in der Chip-Industrie anfallen. Durch die weltweit große Nachfrage nach Photovoltaik-Modulen hat sich das drastisch geändert. Jetzt wird dieses Vorprodukt, das so genannte Silizium-Feedstock, für die Solarzellenfertigung knapp. „Bis die beschlossenen neuen Fertigungsanlagen der chemischen Industrie zusätzliches Silizium für die Solarzellen produzieren, werden 18 bis 24 Monate vergehen “, sagt Hoffmann. Auch er glaubt deshalb, dass das rasante Wachstum bei der Installation von Solarzellen 2005 nicht so weitergehen wird wie in den vergangenen beiden Jahren. „Hinzu kommt, dass wir Preiserhöhungen für das Reinstsilizium von 30 bis 40 Prozent erst einmal verkraften müssen.”

Im Klartext bedeutet das: Die PV-Industrie wird alles tun müssen, um die Module preislich attraktiv zu halten. Ansonsten könnte so mancher Kunde – bei sinkender Einspeisevergütung – die Lust an der Investition rasch verlieren. ■

Wolfgang Hess

COMMUNITY internet

Mehr über die Entwicklung der Solarenergie in Deutschland unter:

www.bsi-solar.de

Wer genau wissen will, wie die Förderung von Photovoltaik-Anlagen aussieht:

www.solarserver.de/geld/html

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