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Mitteilsame Berührung

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Mitteilsame Berührung
Durch eine neuartige Technologie lassen sich Daten über die menschliche Haut übertragen – um Türen zu öffnen, zum Arbeitsschutz oder um Handys vor Diebstahl und Verlust zu bewahren.

Der Einkaufsbummel ist zu Ende. Man steht vor dem Auto, hat die Hände voll mit Tüten und Paketen – und ausgerechnet jetzt ist der Wagenschlüssel weg. Solche lästigen Situationen sollen bald der Vergangenheit angehören – dank einer Technologie, die Ingenieure der Firma Ident Technology aus Wessling in Oberbayern entwickelt haben. Ihre simple Lösung: eine neuartige Methode zur Datenübertragung, die es ermöglicht, Türen allein durch Annähern der Hand oder Berühren mit Fuß oder Fingern zu öffnen.

Die Technologie namens Skinplex ist eine Alternative zu Funk-Übertragungstechniken wie Bluetooth, RFID und NFC. „Anders als die arbeitet Skinplex fast leistungslos, störungsfrei und abhörsicher”, sagt Peter Rosenbeck, Vorstandschef von Ident Technology. „Da viele bei Funksystemen erforderlichen Bauteile wie Antennen nicht benötigt werden, ist Skinplex zudem erheblich preisgünstiger.” Grundlage der Technologie ist die Fähigkeit der menschlichen Haut, elektrische Ladung zu leiten. Das nützt Skinplex aus: Ein schwacher Strom, der über die Haut fließt, übermittelt beim Berühren einen Datencode an einen Empfänger, der zum Beispiel in der Autotür versteckt ist. Die Tür öffnet sich dann wie von Geisterhand – der Schlüssel kann in der Tasche stecken bleiben und es besteht keine Gefahr, dass einem beim Suchen etwas aus der Hand fällt.

Zum Übertragen der Signale über die Haut dient ein schwaches elektrisches Feld. Es wird von einer Elektronik erzeugt, die in einer Plastikkarte von Scheckkartengröße eingebettet ist. Das Kärtchen muss man stets mit sich führen, um die Berührungstechnik nutzen zu können. Es muss aber nicht direkt am Körper getragen werden, sondern kann in der Jacken-, Hemd- oder Handtasche verschwinden. Eine Batterie liefert die für die Datenübertragung nötige Spannung. Ihr wird das Signal als Wechselfeld aufgeprägt, das die Haut abwechselnd positiv und negativ polarisiert.

Berührt man einen Gegenstand, der einen Empfänger für die Signale enthält, werden diese mit einem Code verglichen, der auf dem Empfängermodul gespeichert ist. So ist sichergestellt, dass nur der rechtmäßige Besitzer das Auto öffnen kann: Die Tür wird bloß dann entriegelt, wenn beide Codes übereinstimmen.

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Die Skinplex-Technologie lässt sich auch als Sicherheitssystem an Maschinen einsetzen, für deren Bedienung das Tragen einer Schutzbrille vorgeschrieben ist. Die Idee: Man setzt den Sender in die Brille ein, während sich der Empfänger in der Maschine befindet. Diese lässt sich nur dann einschalten und betätigen, wenn man den Augenschutz aufhat. „Viele der jährlich rund 50 000 Fälle von Augenverletzungen, die in deutschen Unternehmen bei Arbeitsunfällen entstehen, könnten so vermieden werden”, ist Peter Rosenbeck überzeugt.

Eine weitere Anwendung sieht er in der Sicherung von Schusswaffen. Der Dieb einer gestohlenen Polizeipistole könnte keinen einzigen Schuss mit der Waffe abgeben, wenn sie per Skinplex gesichert wäre: Die Waffe ließe sich ohne den Code vom Sender am Körper des Beamten nicht entsichern. „Auch als Schutz gegen Diebstahl, Verlieren oder Vergessen von Mobiltelefon, Brieftasche oder Schlüsselbund lässt sich die Technik einsetzen”, sagt Rosenbeck. Dabei nutzt man aus, dass die Daten nicht nur beim direkten Kontakt mit dem Körper übertragen werden, sondern sich auch noch in einem halben Meter Entfernung zur Haut empfangen lassen. So könnte man durch einen Signalton gewarnt werden, wenn man das Handy irgendwo liegen gelassen hat und sich über diese Reichweite hinaus von ihm entfernt. Nach einem Diebstahl würde das Handy gesperrt und der Räuber könnte nicht auf Kosten des Bestohlenen telefonieren.

Ein Vorteil von Skinplex gegenüber Funktechnologien: Da die von seiner Elektronik generierten Felder nur in der unmittelbareren Umgebung wirken und sich nicht ausbreiten, überlagern sie sich nicht mit Feldern anderer elektronischer Systeme. Daher kann die Technik selbst im Flugzeug problemlos genutzt werden.

Mehrere Automobilhersteller und Zulieferer haben Interesse an der Technologie bekundet und testen Prototypen auf ihre Praxistauglichkeit. In wenigen Jahren, hofft Peter Rosenbeck, werden Systeme, die die menschliche Haut zur Datenübertragung nutzen, als Ausstattung in Autos angeboten – als Türöffner oder als Einklemmschutz. Der würde erkennen, wenn sich etwa der Kopf oder Arm eines Kindes zwischen Scheibe und Rahmen eines Wagenfensters oder Schiebedachs befindet, und das Schließen der Scheibe verhindern. Verletzungen oder gar Todesfälle durch Quetschungen, wie sie bei den bisherigen, auf Druck reagierenden Sicherungssystemen schon vorgekommen sind, würden vermieden.

Ein – wenn auch vielleicht nur psychologisches – Hemmnis bei der Einführung der Technologie könnte die Angst vor gesundheitlichen Risiken sein. Peter Rosenbeck hält diese Sorge für unberechtigt: „Mit einer Stromstärke von wenigen Nanoampere liegen die über die Haut fließenden Ströme weit unter den Grenzwerten. Sie sind schwächer als die von einer normalen Quarzuhr.”

Cynthia Mouchbahani

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