Ein Mann geht im Wald spazieren, plötzlich erstarrt er und bleibt stehen. Sein Herz klopft, Schweiß tritt auf seine Stirn. Eine Schlange? Er hat bewußt nichts wahrgenommen, da hat sein Gehirn schon die Notbremse gezogen.
Woher weiß das Gehirn, auf was es so heftig reagieren muß? Wie entscheidet es, ob der Mensch mit Furcht, Zorn, Liebe oder Freude reagiert? Für den Kognitionsforscher Joseph LeDoux sind Emotionen nicht Teil einer frei schwebenden Psyche: Mit Emotionen reagiert das Nervensystem.
Bei seinen Studien am Zentrum für Neuralwissenschaft der Universität New York hat LeDoux den Dreh- und Angelpunkt der Furchtreaktionen entdeckt: eine kleine Struktur in einem entwicklungsgeschichtlich alten Teil des Gehirns zwischen dem Großhirn und dem Hirnstamm, im Limbischen System. Die Struktur sieht aus wie ein Mandelkern: die Amygdala.
Erste Informationen über das, was wir hören oder sehen, gelangen sehr schnell hierher, weil die Nervenverbindungen hier so programmiert sind, daß sie Gefahren erkennen. Bevor wir Angst empfinden, löst der Mandelkern bereits die Furchtreaktionen aus: Herzklopfen und Schweißausbrüche. Der Hirnmantel weiß erst Sekundenbruchteile später Bescheid, so daß wir die Angst auch spüren. Jetzt schauen wir genau hin, ob auf dem Weg wirklich eine Schlange liegt – oder doch nur ein trockener Zweig.
LeDoux geht in seinem Buch auf die Irrwege der Kognitionsforschung ein, findet Parallelen zwischen dem Freudschen Unbewußten und dem von ihm entdeckten Furchtsystem, und er schildert dann, was passiert, wenn dieses System Ausfälle hat.
Joseph LeDoux DAS NETZ DER GEFÜHLE Wie Emotionen entstehen Spektrum Akademischer Verlag Heidelberg 1998 383 S., DM 49,80
Wolfgang Preßl / Joseph LeDoux