James Watson, Mitentdecker der DNA, hat es einmal so ausgedrückt: „Wir dachten immer, unser Schicksal stehe in den Sternen. Heute wissen wir, daß es zu einem guten Teil in unseren Genen liegt.“ Watson, ein Freund großer Worte, erneuerte damit eine Aussage, die einer seiner wissenschaftlichen Kollegen, Francis Galton, bereits vor mehr als hundert Jahren getroffen hatte:“Es gibt kein Ausweichen von der Erkenntnis“, formulierte der Vetter des großen Naturforschers Charles Darwin im Jahr 1876, „daß die eigene Anlage der Umwelt stärkstens überlegen ist.“
Ungefähr ebenso alt wie Galtons angeblich zweifelsfreie Erkenntnis von der Übermacht des Angeborenen ist der wissenschaftliche Streit darüber, was den Menschen denn nun mehr bestimmt, sein Erbe oder seine Umwelt. Was vorne steht, hängt davon ab, wie der Zeitgeist gerade strömt. Die vernünftigsten wissenschaftlichen Köpfe vertreten allerdings den Standpunkt, daß wohl beides den Menschen lenkt, wobei es vergleichsweise müßig sei, die jeweiligen Anteile in Prozente aufzuspalten.
Der Zoologe Adolf Heschl stellt sich dieser alten Frage mit der keineswegs neuen, aber provokativ vorgetragenen These, daß der Mensch gänzlich vorprogrammiert sei. Die Umwelt beeinflußt uns zwar, aber belehren kann sie uns nicht, ist Heschl überzeugt. Das letzte Wort beim Spiel der Evolution gibt er den Genen, so daß der Gültigkeitsbereich der Darwinschen Evolutionstheorie noch weitaus grundlegender sein soll als bislang angenommen.
Die Ergebnisse unterschiedlicher Wissenschaftsdisziplinen interpretiert Heschl nach den Vorgaben der modernen Evolutionstheorie. Seine Beispiele findet er in der aktuellen Kognitions- und Sprachforschung ebenso wie in der Fortpflanzungsbiologie, der Verhaltensforschung, der modernen Genetik, der Soziologie und Entwicklungspsychologie und im ganz normalen Alltagsleben. Die fachübergreifende Vielfalt der zusammengetragenen Beispiele ist der Reiz seines Buches.
Der Autor zieht den Schluß, daß unsere persönliche Entwicklung ebenso selbstverständlich wie die Embryonalentwicklung durch ein „intelligentes Genom“ bis ins Detail kontrolliert wird. Die Genforschung, sagt er voraus, werde das eines Tages bestätigen.
Wem die Vorstellung nicht sonderlich gefällt, eine Marionette zu sein, die am Gängelband der Gene durchs Leben zappelt, den beruhigt Heschl: Jedes Lebewesen habe die Möglichkeit zur unabhängigen Selbstbestimmung – im Rahmen dessen, was sein Genom ihm erlaubt. Ein schwacher Trost.
Adolf Heschl DAS INTELLIGENTE GENOM Springer Heidelberg 1998 250 S., DM 68,-
Claudia Eberhard-Metzger / Adolf Heschl