Der Hamburger Schachclub von 1830 feiert dieses Jahr seinen 175. Geburtstag, und das Museum für Kunst und Gewerbe gratuliert – mit einer großen Sonderausstellung, in der eine Schachpartie durch Zeiten und Welten veranstaltet wird. Über 400 Exponate – darunter Gemälde, Grafiken und Bücher – erzählen die Geschichte, Entwicklung und kulturelle Bedeutung des legendären Brettspiels.
Das Schachspiel hat viele Väter – je nachdem, welcher Legende man glauben will. Brahmanische Weise und buddhistische Mönche kommen ebenso in Frage wie der listige Odysseus, der vor den Toren Trojas Schach gespielt haben soll, um sich während der Belagerung die Zeit zu vertreiben. Tatsächlich dürfte das Spiel um 600 n.Chr. in Vorderasien entstanden sein. Wahrscheinlich waren es Händler und Soldaten, die die neue Errungenschaft nach Persien brachten. Von dort trat das Spiel, zusammen mit den arabischen Eroberern, im 8. Jahrhundert seinen Siegeszug nach Europa an: von Syrien über Ägypten und Nordafrika bis nach Spanien und Süditalien. Besonders am Hofe erfreute sich der neue Zeitvertreib schnell großer Beliebtheit. Ein guter Ritter musste nicht nur reiten, schwimmen, schießen, ringen, Vögel fangen und Saiten zupfen, sondern eben auch exzellent Schach spielen können. Die Spielfiguren wurden in ihrer neuen Heimat den dortigen Verhältnissen angepasst: So mutierte der arabische Wesir in Europa zur Königin, der heutigen „Dame“ des Spiels.
Das ursprünglich langsame und träge Spiel wurde ab dem 14. Jahrhundert immer dynamischer. Vorbei waren die Zeiten, als die Bauern auch mit dem ersten Schritt lediglich ein Feld vorrücken durften und der Dame nur einfache Schrägschritte erlaubt waren.
Im 18. Jahrhundert wurde das Pariser „Café de la Régence“ zum Schauplatz außergewöhnlicher Schachpartien. Das Ausnahmetalent François Philidor forderte auch Jean-Jacques Rousseau und Voltaire heraus: Die beiden Aufklärer waren chancenlos.
Beim Londoner Turnier von 1851 fiel der Startschuss für den modernen Turnierbetrieb – mit genormten Figuren und Zeitabläufen. Auch Fernpartien wurden erheblich beschleunigt. Statt die einzelnen Spielzüge wie bislang in Briefen und Zeitungen mitzuteilen, wurden die Anweisungen ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts durch Telegrafen geschickt.
Redaktion: Bettina Gartner
Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg
Steintorplatz www.mkg-hamburg.de 20099 Hamburg Eintritt: € 8,20 (ermäßigt € 4,10)
Ohne Titel
Die Legende vom Weizenkorn
EIN BRAHMANISCHER WEISER, so erzählen es alte arabische Quellen, habe das Schachspiel erfunden, um seinen König zu unterhalten. Als Dank dafür gewährte dieser dem klugen Mann eine Bitte. „Auf das 1. Feld des Schachbretts soll 1 Weizenkorn gelegt werden“, verlangte der Weise, „auf das 2. Feld 2 Körner, auf das 3. Feld 4 Körner, auf das 4. Feld 8 Körner und so fort – auf jedes weitere Feld die doppelte Anzahl Körner.“ Der König lachte über diese scheinbare Bescheidenheit, doch bald stellte sich heraus, dass die Weizenvorräte der gesamten Erde bei weitem nicht ausreichten, um die Bitte zu erfüllen. Nötig gewesen wären 18 446 744 073 709 551 615 – über 18 Trillionen – Körner. Zur Veranschaulichung: Ein mit 20 Tonnen pro Waggon beladener Güterzug, der mit 80 Kilometer pro Stunde unterwegs ist, würde 730 Jahre brauchen, um die entsprechende Menge an einem Bahndamm vorbeizutransportieren. Einer anderen Berechnung zufolge könnte man mit dieser Menge Körner den gesamten Erdball neun Millimeter hoch bedecken.