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Einsteins Vermächtnis

Allgemein

Einsteins Vermächtnis
Experimente haben die Relativitätstheorie motiviert und bestätigt – und nun sollen Experimente sie widerlegen. Das Deutsche Museum in München zeigt ihre wechselvolle Geschichte. Und bild der wissenschaft blickt in die Zukunft aufregender Grundlagenforschung.

„Wie entsetzlich unzulänglich steht der Theoretische Physiker vor der Natur – und vor seinen Studenten“, klagte Albert Einstein einmal. Denn eine fundamentale Theorie, die die Natur von Raum, Zeit, Materie und Energie einheitlich erklärt, lässt sich allenfalls vage erahnen. Über 30 Jahre seines Lebens hatte Einstein danach gesucht. Und sein Vermächtnis beschäftigt die Physiker heute mehr denn je – seit Neuestem auch die Experimentalphysiker, die nach beobachtbaren Spuren in jenem Revier des Allerkleinsten und Allergrößten fahnden und dabei einen neuen Forschungszweig begründet haben: die „ Quantengravitationsphänomenologie“.

Hinter dem sperrigen Namen verbirgt sich das unbescheidene Ziel, etwas zu messen, von dem noch niemand weiß, wie und ob es sich überhaupt bemerkbar macht. Das Problem ist, dass sich die Relativitätstheorie und die Quantentheorie, die beiden Standbeine der modernen Physik, in ihren Grundfesten widersprechen, obwohl sich beide extrem gut bewährt haben. In den meisten Fällen hat das keine praktischen Konsequenzen. Doch wenn man erklären möchte, was im Zentrum Schwarzer Löcher vor sich geht oder im Urknall geschah, kommt man ohne eine Theorie der Quantengravitation – eine widerspruchsfreie Vereinheitlichung oder Überwindung von Relativitäts- und Quantentheorie – nicht weiter. „Die Allgemeine Relativitätstheorie und das Standardmodell der Teilchenphysik können nicht vereinheitlicht werden, ohne sie zuerst zu modifizieren. Wie zwei Teile von verschiedenen Puzzles können wir sie nicht zusammenbringen ohne zuvor einige ihrer ,Konfliktecken‘ zu glätten“, bringt es Giovanni Amelino-Camelia von der Universität Rom La Sapienza auf den Punkt.

„Die Möglichkeit, das Problem der Quantengravitation zu lösen, wird oft als intellektuell aufregend beschrieben, aber auch als nur von akademischem Interesse. Dass jedoch viele Ansätze zu Modifikationen der Speziellen und Allgemeinen Relativitätstheorie führen, deutet darauf hin, dass die Implikationen weit über akademische Interessen hinaus reichen können“, machte Amelino-Camelia mit drei Kollegen in einem Übersichtsartikel im Januar 2005 klar. Denn die meisten unserer grundlegenden physikalischen Einheiten – Zeit, Länge, Masse, Lichtstärke und Stromstärke – hängen von der Gültigkeit der Relativitätstheorie ab, und deren Definition basiert größtenteils auf Quanteneffekten. Jede künftige Hochpräzisionsnavigation ist von potenziellen Abweichungen also unmittelbar betroffen. Das beginnt schon mit der Genauigkeit von Uhren an verschiedenen geographischen Orten.

Freilich steht das ambitionierte Projekt der Quantengravitationsphänomenologie vor zwei enormen Schwierigkeiten: Da ist zum einen die schon von Einstein beklagte „Unzulänglichkeit“ der Theoretiker. Zwar hat sich viel getan seit Einsteins Tod vor 50 Jahren, und es gibt inzwischen mehrere mathematisch ausgefeilte Kandidaten für eine Theorie der Quantengravitation – allen voran die Stringtheorie und die Quantengeometrie (Loop Quantum Gravity). Doch eindeutige quantitative Voraussagen macht keiner dieser Ansätze, auch wenn es zahlreiche Ideen gibt – nach was soll der Experimentator also suchen? Und umgekehrt: „Die Tatsache, dass Stringtheorie und Loop Quantum Gravity noch immer keine experimentelle Stütze haben, lässt diese Theorien in der Luft rein theoretischer Spekulationen hängen“, bedauert Amelino-Camelia.

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Das zweite Problem ist, dass die Effekte der Quantengravitation vermutlich außerordentlich schwierig nachzuweisen sind. Das liegt an der enormen Energie beziehungsweise der Kleinheit der Skala, auf der die Effekte erst wirksam werden: 1028 Elektronenvolt im Gegensatz zur Größenordnung von 1 Elektronenvolt der Alltagswelt. „Was wissen wir über die Quantengravitation? Die kurze wissenschaftliche Antwort lautet: Nichts!“, klagt Amelino-Camelia. Trotzdem ist er optimistisch: „Das kann sich sehr schnell ändern. Vielleicht gewinnen wir schon bald unsere ersten echten Quantengravitationsdaten.“

Doch Thomas Thiemann, Professor für Theoretische Physik am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik bei Potsdam und einer der führenden Köpfe der Loop Quantum Gravity, ist skeptischer: „ Direkt sehen wird man Quantengravitationseffekte wohl nicht, jedenfalls nicht in diesem Jahrhundert.“ Aber er hofft auf indirekte Indizien und erinnert an Einsteins indirekten Nachweis der Existenz der Atome vor 100 Jahren mit seiner Erklärung der Brown’schen Bewegung (der im Mikroskop beobachtbaren Zickzack-Bewegung von Pollenkörnern). „Einstein war in den Bereich unterhalb eines Millionstel Millimeters vorgestoßen, obwohl das Mikroskop höchstens eine Auflösung von einem Hunderstel Millimeter hatte. Vielleicht gibt es irgendwann Präzisionsmessungen bei den heutigen Energien.“

Auch Claus Lämmerzahl, Physik-Professor an der Universität Bremen, setzt auf solche Verstärker- oder Additionseffekte und betont, dass manche Messgeräte – insbesondere die Interferometer in den Gravitationswellen-Detektoren – bereits an den Sensitivitätsbereich von 1028 herankommen. Auf den Frühjahrstagungen der Deutschen Physikalischen Gesellschaft letztes Jahr in Ulm und im März dieses Jahres in Berlin warb er für die Quantengravitationsphänomenologie. Am Perimeter Institute im kanadischen Waterloo wurde auf einer großen Quantengravitationskonferenz, die Thiemann Ende letzten Jahres organisiert hatte, ebenfalls über Experimente diskutiert. Zahlreiche Forscher haben konkrete Vorschläge ausgearbeitet, die nicht von den Unzulänglichkeiten der Quantengravitationstheorien abhängen. Erste Messungen im Weltraum und auf der Erde sind bereits angelaufen. Und einige raffinierte, technisch ausgeklügelte Experimente stehen in den nächsten Jahren an.

Die folgenden sieben Themenbereiche sind besonders brisant. Die ersten drei betreffen die Gültigkeit von Einsteins Äquivalenzprinzip der Allgemeinen Relativitätstheorie, die vier anderen beziehen sich auf hypothetische Eigenschaften der Raumzeit auf kleinsten Skalen.

• Sehr wichtig ist die Suche nach der Verletzung der Lorentz-Invarianz. Unter dieser Bezeichnung firmiert die zentrale Erkenntnis von Einstein in seiner Speziellen Relativitätstheorie, derzufolge die Lichtgeschwindigkeit im Vakuum immer denselben Wert hat und verschiedene Bezugssysteme mit keiner oder konstanter Bewegung gleichberechtigt sind. Die Lorentz-Invarianz ist ein universelles Phänomen, ihre Verletzung ließe sich nicht abschirmen wie etwa der Einfluss einer bislang unbekannten fünften Naturkraft. Mit weit präziseren Interferometer-Experimenten als vor und nach Einsteins Wunderjahr 1905 wird sich die Gültigkeit der Lorentz-Invarianz in den nächsten Jahren testen lassen. Auch andere Experimente, zum Beispiel mit oszillierenden atomaren Prozessen oder mit Laserstrahlen, die in einem von Spiegeln gebildeten Hohlraum hin und her flitzen, sollen weiterhelfen. Astronomische Beobachtungen tragen ebenfalls dazu bei, die Gültigkeit der Lorentz-Invarianz zu überprüfen. So lässt sich aus der Synchrotronstrahlung von Elektronen, die in Magnetfeldern beschleunigt wurden, auf deren Geschwindigkeit schließen. David Mattingly von der University of Maryland tat dies bei der Strahlung vom Krabben-Nebel, einem Supernova-Überrest im Sternbild Stier. Die Elektronen wurden dort auf fast Lichtgeschwindigkeit beschleunigt – sie bewegen sich nur um 0,01 Billiardstel Prozent langsamer –, was gewisse Hypothesen der Lorentz-Invarianz-Verletzung bereits widerlegt und die Relativitätstheorie erneut bestätigt hat.

• Gesucht wird außerdem nach einer Verletzung der Universalität des freien Falls beziehungsweise der Äquivalenz von träger und schwerer Masse. Schon Galileo Galilei hatte erkannt, dass der Fall nicht von der Masse oder der Art der Materie abzuhängen scheint. Ein Stahlhammer und eine Feder fallen folglich gleich schnell – wenn der Luftwiderstand nicht stört –, wie die Astronauten auf dem Mond ja auch eindrucksvoll demonstriert haben. Aber vielleicht gibt es doch subtile Unterschiede zwischen Objekten aus verschiedenen Elementen oder zwischen neutraler und elektrisch geladener Materie oder zwischen Materie und Antimaterie. Im Rahmen der Stringtheorie wird das beispielsweise vermutet, wenn ein spezielles Feld, das Dilaton, unterschiedlich mit den diversen Teilchen wechselwirkt. Im Fallturm der Universität Bremen (110 Meter hoch, 4,5 Sekunden Fallzeit) sind bereits Experimente angelaufen. Sie dienen auch zur Vorbereitung zweier Forschungssatelliten, die den freien Fall mit einer Präzision von 1 zu 1015 beziehungsweise 1 zu 1018 testen sollen: die 2007 startende MICROSCOPE-Mission (MICRO Satellite à traînée Compensée pour l’Observation du Principe d’E quivalence) des französischen Centre National d’Etudes Spatiales und die für frühestens 2010 vorgesehene europäisch-amerikanische STEP-Mission (Satellite Test of the Equivalence Principle).

• Hinter der Suche nach einer Verletzung der „Universalität der Gravitationsrotverschiebung“ verbirgt sich die Analyse der Ganggenauigkeit verschiedener Arten von Uhren in unterschiedlichen Schwerefeldern. So schlugen Lute Maleki und John D. Prestage vom Jet Propulsion Laboratory vor, eine Raumsonde mit Atomuhren bis zu drei Millionen Kilometer nah an den Sonnenrand zu bringen. Im starken Schwerefeld der Sonne wäre eine Messgenauigkeit von 1 zu 1015 zu erreichen.

• Unter einer modifizierten Dispersionsrelation verstehen Physiker Unterschiede in der Ankunftszeit simultan abgestrahlter elektromagnetischer Signale abhängig von ihrer Energie. So müssten hochenergetische Photonen aus kosmischen Entfernungen kleine Abweichungen vom klassischen Weg zeigen, wenn sie an dem diskreten „Spin-Netzwerk“ gestreut werden, aus dem nach der Quantengeometrie die Raumzeit besteht. Das Gamma Ray Large Area Telescope, das 2006 starten wird, könnte schon die erforderliche Empfindlichkeit zum Nachweis dieses mikroskopischen Zickzack-Kurses haben: Strahlung höherer Energie sollte geringfügig später von der Quelle eintreffen als solche mit kleineren Frequenzen. Floyd Stecker vom Goddard Space Flight Center der NASA und Ted Jacobson von der University of Maryland haben bereits einen fernen Gammastrahlen-Ausbruch im All auf Anzeichen einer Dispersion hin untersucht – ohne Erfolg. Auch bei den Galaxien Makarian 421 und 501 fand Stecker keine Indizien. Vom „Glattheitsgrad“ der Raumzeit hängt auch die höchste Energie ab, mit der Teilchen aus dem fernen All die Erde treffen können, denn sie wechselwirken unterwegs mit den Photonen der Kosmischen Hintergrundstrahlung und verlieren dabei Energie durch die Erzeugung von Pionen. Diese Obergrenze, „GZK cut-off“ genannt, beträgt ungefähr 5 mal 1019 Elektronenvolt. Das ist geringer als die 3 mal 1020 Elektronenvolt, die Tadashi Kifune von der Universität von Tokio am AGASA-Observatorium (Akeno Giant Air Shower Array) in Japan gemessen hat. Diese Daten sind allerdings umstritten und passen nicht zu anderen Messungen.

• Die Suche nach Raumzeit-Fluktuationen testet die Vorhersage der Quantengravitationstheorien, dass Raum und Zeit auf der Planck-Skala von etwa 10–33 Zentimetern und 10–43 Sekunden nicht mehr kontinuierlich sind, sondern gequantelt, das heißt körnig und ruckartig. Lotet man den Raum über weite Distanzen aus, könnte sich der Effekt in einer gewissen Grundunschärfe der Bilder ferner Objekte bemerkbar machen. Richard Lieu und Lloyd Hillman von der University of Alabama in Huntsville analysierten bereits Fotos des Hubble-Weltraumteleskops von vier Milliarden Lichtjahren entfernten Galaxien, und Roberto Ragazzoni vom Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg nahm sich die Hubble-Aufnahme einer Sternexplosion in einer über fünf Milliarden Lichtjahre fernen Milchstraße vor. Ergebnis: Es war keine „Verschmierung“ zu erkennen. Auch andere Tests sind in der Diskussion. Stecker und der Physik-Nobelpreistäger Sheldon Glashow berechneten, dass der Quantenschaum auch hochenergetische Gammastrahlung bremst. Dann könnte sie bei der Kollision mit Infrarotstrahlung womöglich keine Elektronen-Positronen-Paare mehr erzeugen, was sich in der Umgebung supermassereicher Schwarzer Löcher nachweisen ließe. Und Amelino-Camelia hat vorgeschlagen, mit Hilfe der Interferometer in den bereits aktiven Gravitationswellen-Detektoren nach dem „Knistern“ des Raumzeit-Schaums zu lauschen.

• Einen regelrechten kosmischen Abdruck könnte die Quantengravitation auch am ganzen Himmel hinterlassen haben – in der Kosmischen Hintergrundstrahlung vom Urknall. Wenn es vor ihrer Freisetzung eine Epoche einer rasanten Raumausdehnung gegeben hat, wie das populäre Szenario von der Kosmischen Inflation besagt, dann könnten quantengravitative Effekte auf heute beobachtbare Maßstäbe mit aufgebläht worden sein. Voraussagen der Stringkosmologie hierzu lassen sich schon in den nächsten Jahren mit dem Planck-Satelliten überprüfen.

• Besonders abenteuerlich ist die Suche nach großen Extradimensionen. Die Stringtheorie geht von der Existenz sechs oder sieben zusätzlicher Raum-Dimensionen aus. Wenn diese nicht winzig klein sind, gleichsam auf Planck-Länge zusammengerollt, sondern eine Ausdehnung von Millimeter-Bruchteilen hätten, würden sie sich indirekt bemerkbar machen. Zum einen gälte Isaac Newtons Gravitationsgesetz bei kleinen Abständen nicht mehr, da ein Teil der Schwerkraft in die Extradimensionen vordringen kann. Das würde auch erklären, warum die Schwerkraft so viel schwächer ist als die anderen Naturkräfte. „Es ist amüsant, dass die Überprüfung der klassischen Gravitation wichtige Informationen über die Quantengravitation enthalten könnte“, schmunzelt Amelino-Camelia. Solche Experimente sind sehr schwierig. Doch Joshua C. Long und seine Kollegen von der University of Colorado in Boulder konnten bereits zeigen, dass das Gravitationsgesetz noch bei Abständen von 0,1 Millimetern gilt – die hypothetischen Extradimensionen müssen also kompakter sein. Die von der Supernova 1987A gemessenen Neutrinos geben sogar einen indirekten Hinweis darauf, dass die Extradimensionen kleiner als ein Millionstel oder gar Milliardstel Meter sind. Eine andere messbare Konsequenz großer Extradimensionen wäre die Entstehung von winzigen Schwarzen Löchern bei Teilchenkollisionen. Sie würden sofort wieder zerstrahlen – und wären dadurch nachweisbar. Das eröffnet die aufregende Chance, vielleicht schon ab 2007 im Large Hadron Collider am CERN Schwarze Mini-Löcher zu produzieren. Jonathan Feng und Alfred Shapere vom Massachusetts Institute of Technology haben ausgerechnet, dass sich Schwarze Löcher auch bei der Kollision von Partikeln der Kosmischen Strahlung mit Molekülen in der Erdatmosphäre bilden würden. Das ist vielleicht bereits gemessen worden, meinen Theodore Tomaras von der Universität von Kreta in Heraklion und zwei russische Forscher. Ein paar Dutzend Ereignisse, die Detektoren in den Anden und in Tadschikistan registriert hatten, könnten auf das kurzfristige Entstehen und Vergehen von zehn Mikrogramm schweren Schwarzen Löchern hindeuten. Aber es gibt auch andere, nicht minder spannende Erklärungsmöglichkeiten wie zusammengeballte strange-Quarks oder ein unerwartetes Verhalten der Starken Kraft bei hohen Energien. Das aus 1600 Detektoren bestehende Pierre-Auger-Observatorium in Westargentinien wird hier bald Klarheit schaffen. Sobald es im November eingeweiht ist, wird es das empfindlichste Messgerät für Kosmische Strahlen sein.

Der Forschungszweig der Quantengravitationsphänomenologie beginnt sich also zu etablieren. Und Amelino-Camelias Zuversicht ist keineswegs Wunschdenken. Die Quantengravitation kann nicht länger als prinzipiell unüberprüfbar abgewiesen werden.

Der Potsdamer Physiker Thomas Thiemann sieht die Herausforderung freilich nicht nur im experimentellen Bereich. Ohne theoretische Fortschritte wird es nicht gehen, ist er überzeugt. So lange bleibt Einsteins Vermächtnis uneingelöst. „Im Moment steht jeder Kandidat für eine Theorie der Quantengravitation vor dem Problem, beweisen zu müssen, dass er die bisher bekannte Niederenergie-Physik im Grenzfall enthält. Bevor das nicht gelungen ist, halte ich jede Art von phänomenologischer Betrachtung zwar für wichtig. Doch leider basiert die Quantengravitationsphä-nomenologie bei nicht vollendeten Theorien auf unbewiesenen Annahmen, sodass man zu keinen schlüssigen Vorhersagen kommen kann. Allenfalls sind qualitative Aussagen möglich, nicht aber quantitative.“

Die vereinheitliche Beschreibung aller Naturkräfte und eine Theorie der Quantengravitation würden erstmals in der Geschichte der Wissenschaft alle bekannten fundamentalen Erscheinungen gemeinsam erklären. Dann wäre Einsteins Vermächtnis erfüllt. Seine Relativitätstheorie wird diese Entwicklung vermutlich nicht unbeschadet überstehen, sicher aber weiter näherungsweise gültig sein – und eine der größten Leistungen menschlichen Denkens bleiben. ■

Rüdiger Vaas

Ohne Titel

Albert Einsteins todestag jährt sich 2005 zum 50. Mal und das „ Wunderjahr“ mit seinen bahnbrechenden Arbeiten zur Atomphysik, Quantentheorie und Speziellen Relativitätstheorie zum 100. Mal. Dies nimmt das Deutsche Museum in München zum Anlass, die Leistungen des Jahrhundertforschers zu würdigen. Über 50 Originalexponate, Experimente und Computersimulationen spüren den herausragenden Entdeckungen Einsteins nach und geben Einblicke in aktuelle Forschungsthemen der Physik und Kosmologie. Alle in diesem Artikel abgebildeten Geräte stammen aus dem Deutschen Museum und sind in der Ausstellung zu sehen. Diese beginnt mit Zeugnissen aus der Elektrotechnischen Fabrik der Familie Einstein in München. So kann sich der Besucher in die Gedankenwelt des jungen Albert Einstein hineinversetzen. Zwei Rundwege führen durch sein Leben und Werk. Der eine zeigt die Entwicklung und Experimente der Relativitäts- und Quantentheorie sowie deren Bedeutung für die Gegenwart. Der zweite skizziert Einsteins Biografie und sein wissenschaftliches Wirken im politischen und kulturgeschichtlichen Kontext. Der Besucher erlebt Forschung als faszinierendes und spannendes Abenteuer.

ABENTEUER DER ERKENNTNIS

Albert Einstein und die Physik des 20. Jahrhunderts

Eine Ausstellung im Deutschen Museum

vom 5. Mai 2005 bis 30. Dezember 2005

Geöffnet täglich 9–17 Uhr

Eintritt: € 7,50 (ermäßigt € 5,–/3,–)

www.deutsches-museum.de/

Ohne Titel

• Das große Ziel der Physik ist eine Vereinheitlichung aller Naturkräfte sowie die Verbindung von Quantentheorie und Allgemeiner Relativitätstheorie.

• Zur Zeit werden raffinierte Experimente im Labor, Teilchenbeschleuniger und Weltraum vorbereitet, um die theoretischen Anstrengungen mit Beobachtungsdaten zu überprüfen und zu lenken. Erste Messungen gibt es bereits.

• Ein neuer Forschungszweig ist den Rätseln von Raum und Zeit auf der Spur: die „Quantengravitationsphänomenologie“.

Ohne Titel

ENDE FEBRUAR 1920 erhielt Albert Einstein einen Brief von Oskar von Miller, dem Gründer des Deutschen Museums in München. Darin stand, dass Einstein vom Vorstandsrat „einstimmig in den Ausschuss des Deutschen Museums berufen“ wor-den sei. Einstein bestätigte die Annahme der Wahl brieflich mit einem einzigen Satz. Als er wenig später seine Ernennungsurkunde erhielt, bedankte er sich ebenso kurz und unterzeichnete den Dankesbrief „ in der Hoffnung, Ihrem verdienstlichen Unternehmen irgendwie von Nutzen sein zu können“.

Die Wahl Einsteins war bemerkenswert. Einerseits war er eben gerade zu einer Berühmtheit geworden. Doch andererseits war er schon zu dieser Zeit in Deutschland eine umstrittene Persönlichkeit. So stieß zum einen die Fokussierung der Medien auf Einstein bei Fachkollegen auf Missbilligung, die einen solchen „Einstein-Rummel“ für überzogen hielten. Ferner hatte Einstein sich im Ersten Weltkrieg der nationalistischen Kriegsunterstützung verweigert. Auch klangen im Jahr 1920 schon antisemitische Ressentiments an: So sprach der Physiker Max von Laue in einem Brief an seinen Kollegen Arnold Sommerfeld im Zusammenhang mit öffentlichen Angriffen gegen Einstein und die Relativitätstheorie offen von einer „Verquickung mit antisemitischer Politik“.

Im Deutschen Museum gab es damals Pläne, die Relativitätstheorie in der Physik-Ausstellung aufzugreifen. Dieses Unterfangen erwies sich als äußerst schwierig. In einem Gespräch zwischen Oskar von Miller und Einstein Ende 1923 oder Anfang 1924 hatte Einstein eine Unterstützung „bei Darstellung seiner Arbeiten in weitestem Masse“ zugesagt. Sie beschränkte sich zunächst auf eine Empfehlung, den Wiener Physiker Hans Thirring anzusprechen, der 1921 ein populärwissenschaftliches Buch mit dem Titel: „Die Idee der Relativitätstheorie“ veröffentlicht hatte. Auch mit Hilfe Thirrings gelang es jedoch nicht, ein überzeugendes Ausstellungskonzept zu entwickeln, sodass die Pläne wieder fallen gelassen wurden.

Nach der Machtergreifung Hitlers erklärte Einstein in einem Brief vom 28. März 1933 seinen Austritt aus der Preußischen Akademie der Wissenschaften, da er die durch seine Stellung „ bedingte Abhängigkeit von der Preussischen Regierung … unter den gegenwärtigen Umständen als untragbar“ empfände. Die Bayerische Akademie der Wissenschaften legte Einstein ebenfalls den Austritt nahe, was Einstein dann auch tat. Im nationalsozialistischen Deutschland wurde Einstein vorgeworfen – sogar von der Preußischen Akademie der Wissenschaften –, er habe im Ausland gegen Deutschland Hetze betrieben. Von diesem Klima wurde auch das Deutsche Museum erfasst. Auf der Mitgliedskarte Einsteins wurde nach dessen Zwangsemigration nicht nur der Vermerk: „ unbekannt verzogen“ eingetragen und die Mitgliedschaft gestrichen, sondern noch hinzugefügt: „Grösster Deutschenhetzer“ .

Nach dem Ende der nationalsozialistischen Schreckensherrschaft bemühte sich die Bayerische Akademie der Wissenschaften wieder um Kontakt zu Einstein. Doch der reagierte ähnlich wie bei anderen Anfragen: „Nachdem die Deutschen meine jüdischen Brüder in Europa hingemordet haben, will ich nichts mehr mit Deutschen zu tun haben, auch nichts mit einer relativ harmlosen Akademie. Anders ist es mit den paar Einzelnen, die in dem Bereiche der Möglichkeit standhaft geblieben sind.“

Eine Ehrung Einsteins im Deutschen Museum wurde deshalb 1948 auch abgelehnt. Erst im Mai 1972 konnte nach langwierigen Verhandlungen mit dem Nachlassverwalter und der Familie Einstein eine Büste im Ehrensaal enthüllt werden. Werner Heisenberg hielt die Laudatio. Auch Einsteins Sohn Hans Albert war anwesend und erzählte Zeitungsberichten zufolge, „wie er 1925 mit seinem Vater das Deutsche Museum besucht habe und von den schon damals existierenden ‚Druckknopf- experimenten‘ beeindruckt gewesen sei“ .

Christian Sichau, Kurator und Physikhistoriker am Deutschen Museum

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