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Himmlisch präzise

Astronomie|Physik Erde|Umwelt

Himmlisch präzise
Aus der technischen Meisterleistung wird nun auch eine astronomische: Die Raumsonde Planck erforscht die Milchstraße und das erste Licht nach dem Urknall.

„Wir öffnen die Tür zu einer Goldader“, schwärmt David Southwood. „Dort können Forscher Nuggets finden, die uns viel besser verstehen lassen, wie unser Universum zu dem wurde, was es heute ist.“ Der wissenschaftliche Direktor der Europäischen Raumfahrtagentur ESA übertreibt nicht: Das Weltraum-Observatorium Planck hat seine erste vollständige Himmelskartierung im Mikrowellenbereich abgeschlossen. In diesen Daten verbergen sich die genauesten Kennziffern unseres Kosmos, die jemals gewonnen wurden: Angaben über das Alter und die Entstehung des Weltalls, seine Zusammensetzung, Struktur, Geometrie, Entwicklung und sogar seine Zukunft.

Das lässt sich freilich nicht direkt aus dem prächtigen Weltraum-Panorama in pink, violett und blau ablesen, das die ESA im Juli veröffentlicht hat (Bild rechts). In der ovalen Darstellung ist der ganze Himmel um uns herum zweidimensional abgebildet – ähnlich wie bei einer Karte der Erde, nur dass es sich dort um die Projektion einer Kugeloberfläche handelt, während der Himmel hier als Innenseite einer Hohlkugel repräsentiert wird. „Das Bild selbst und seine hohe Qualität ist ein Triumph für die Ingenieure, die Planck gebaut haben und betreiben. Nun beginnt die wissenschaftliche Ernte“, sagt Jan Tauber von der ESA. Tatsächlich verbirgt sich in der Farbenpracht die beste Aufnahme unseres Universums nach dem Urknall, die je gemacht wurde. Und doch ist das erst der Anfang. „Dieses Bild ist nur ein flüchtiger Blick auf das, was Planck schließlich sehen wird“, betont Tauber, der wissenschaftliche Projektleiter der Planck-Mission.

KOSMISCHE PIONIERE

So wie die Entdeckung neuer Kontinente auf der Erde historische Meilensteine sind, so ist auch die Bestimmung der Eigenschaften des Universums, wenn sie bis an die Grenze der Messgenauigkeit gelingt, etwas Einmaliges. Das betrifft auch grundlegende Kenngrößen der Kosmologie. Einige dieser Informationen über die dunkelsten, kältesten und ältesten Bereiche des Alls werden gegenwärtig mit großer Präzision ermittelt – wir leben also in einer sehr aufregenden Zeit der Erforschung des Weltraums. Aber es sind keine bärtigen Männer, die unter großen Entbehrungen die weißen Flecken auf den Landkarten füllen, sondern hochentwickelte Messgeräte und Supercomputer, die das All ausloten. Die Planck-Sonde ist ein solcher Pionier – und zusammen mit dem Infrarot-Observatorium Herschel die aufwendigste astronomische Mission, die Europa bislang realisiert hat.

Beide Teleskope wurden gemeinsam am 14. Mai 2009 um 15.12 Uhr MESZ vom europäischen Weltraum-Bahnhof Kourou in Französisch-Guyana mit einer Ariane-5-Rakete ins All geschossen. Seither überwacht und steuert das European Space Operations Centre der ESA in Darmstadt ihren Flug. Beide Observatorien umrunden seit dem Juli 2009 einen himmelsmechanisch stabilen Punkt, 1,5 Millionen Kilometer von der Erde entfernt auf der unserer Sonne entgegengesetzten Seite. Dort haben sie einen ungestörten Ausblick ins All.

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Seither scannt die rotierende Planck-Sonde unermüdlich und präzise wie ein Uhrwerk den Himmel. Knapp eine Minute braucht sie für einen Streifen, dann kommt, leicht verschoben, der nächste. Auf diese Weise hat sie inzwischen ein Bild des gesamten Himmels im Mikrowellenbereich zusammengetragen, in neun verschiedenen Frequenzkanälen zwischen 30 und 857 Gigahertz (0,3 bis 100 Millimeter Wellenlänge). Planck wiederholt diese Prozedur bis 2012 noch dreimal, sodass das Panoramabild noch schärfer und genauer wird. Alles funktioniert wunderbar und die Wissenschaftler sind begeistert. „Wir sehen in diesem Bild Schnappschüsse verschiedener Zeiten“, betont Charles Lawrence. Der Astronom am Jet Propulsion Laboratory in Kalifornien arbeitet für die NASA bei Planck mit. „Die Strahlung der Milchstraße war Hunderte bis Tausende von Jahren unterwegs, um uns zu erreichen – die Strahlung aus der Urzeit des Universums dagegen 13,7 Milliarden Jahre.“

als das all durchsichtig wurde

Diesem ersten Licht gilt Plancks Hauptaufmerksamkeit. Es wurde 380 000 Jahre nach dem Urknall freigesetzt, als die Temperatur so weit gesunken war, dass sich Atome bilden konnten, der Weltraum „ durchsichtig“ wurde und das Licht somit freie Bahn bekam. Inzwischen hat sich seine Wellenlänge mit der Ausdehnung des Raums um das 1100-Fache in den Millimeter-Bereich gestreckt. Etwa 90 Prozent der primordialen Photonen sind heute noch übrig, also bisher nicht absorbiert worden – rund 400 Photonen in jedem Kubikzentimeter Weltraum. Diese Kosmische Hintergrundstrahlung zu erhaschen und ihre Eigenschaften zu charakterisieren, ist das Hauptziel der Planck-Mission. Benannt wurde sie zu Ehren des Physikers Max Planck, der 1900 erstmals das ganze Spektrum der thermischen Strahlung mit einer Formel beschrieb und damit die Quantenphysik begründete. Ein gutes Beispiel für das Plancksche Strahlungsgesetz ist das Spektrum der Kosmischen Hintergrundstrahlung – mit Abweichungen von der idealen Kurve um nur 0,01 Prozent das Beste überhaupt in der Natur.

In dieser 2,725 plus/minus 0,002 Grad Celsius über dem Absoluten Nullpunkt (minus 273,15 Grad Celsius) kalten Strahlung gibt es winzige Temperaturschwankungen um wenige Hunderttausendstel Grad. In ihr sind die Kennziffern des Kosmos codiert, aber auch Informationen aus der Zeit, nachdem das All durchsichtig geworden war. Denn die Photonen haben Galaxienhaufen und Leerräume durchquert, deren Größe, Entwicklung und Bewegung quasi „Fingerabdrücke“ in der Frequenzverteilung der Hintergrundstrahlung hinterließen. Die Kosmologen schließen aus ihnen auf die mysteriöse Dunkle Energie sowie auf einen noch seltsameren Dunklen Fluss. (Details dazu stehen in bild der wissenschaft 4 und 5/2010.)

Von diesen fundamentalen Eigenschaften unseres Universums wissen Astronomen erst seit wenigen Jahren – durch die 2001 gestartete und bis heute den Himmel scannende NASA-Sonde WMAP (Wilkinson Microwave Anisotropy Probe). Planck wird die Leistungen von WMAP wesentlich übertreffen: Dank seiner höheren Detektorempfindlichkeit wird die Sonde noch ein Zehntel so starke Signale wie WMAP nachweisen können. Mit ihrem größeren Teleskop wird sie außerdem eine dreimal so hohe Winkelauflösung erreichen (etwa 10 Bogenminuten). Und sie wird noch Strahlung von einem Zehntel der Wellenlänge detektieren, die WMAP registriert. Die Kombination all dieser Faktoren wird es ermöglichen, aus dem sogenannten Winkelleistungsspektrum der Kosmischen Hintergrundstrahlung 15 Mal mehr Informationen herauszuholen, als es WMAP gelungen ist.

MUTMASSLICHE BLÄHUNG

Besonderes aufschlussreich ist die Polarisation der Kosmischen Hintergrundstrahlung. Sie sagt zum einen etwas darüber aus, wann und wie stark der im Urknall entstandene Wasserstoff wieder ionisiert wurde – durch die energiereiche Strahlung der ersten Sterne und die heiße Umgebung Schwarzer Löcher (bild der wissenschaft 4/2009, „Das Ende des Dunklen Zeitalters“). Zum anderen könnten die Gravitationswellen, die zu Beginn des Urknalls entstanden sind, zur Polarisation beigetragen haben. Wie stark diese Schwingungen der Raumzeit sind, ist allerdings noch unklar. Wenn sie einen messbaren Abdruck hinterlassen haben, gibt dies außerordentlich wertvolle Informationen über die Entstehung des Universums und seine mutmaßlich exponentielle Aufblähung im ersten Sekundenbruchteil. Diese Hypothese der „Kosmischen Inflation“ würde sich erhärten, wenn die Sonde die Spuren der primordialen Gravitationswellen fände – das wäre eine gleich mehrfach nobelpreiswürdige Sensation.

Doch bis sich diese Weltgeheimnisse lösen lassen, müssen die Astronomen erst einmal den Schleier im All lüften – und das ist wörtlich gemeint. Denn der kalte Staub in der Milchstraße und anderen Galaxien bildet eine Störquelle im Vordergrund, die sich nur mit großem Aufwand erfassen und eliminieren lässt. Aber Plancks Messungen in unterschiedlichen Frequenzen erlauben dies besser als jemals zuvor.

Andererseits ist der störende Staub selbst eine wertvolle Informationsquelle. Und so gibt Plancks Himmelsdurchmusterung bereits jetzt die Sicht frei in galaktische Gas- und Staubwolken und somit zugleich in aktive Sternentstehungsgebiete – etwa in den Orion-Nebel und die Perseus-Region. Vor allem die Strahlung der Kohlenmonoxid-Moleküle kartiert Planck in beispiellos guter Qualität. Sie sind ein ausgezeichneter und noch wenig erforschter Indikator für die Sternentstehung.

Drei auf einen Streich

Die unterschiedliche Frequenz-Empfindlichkeit Plancks macht erstmals mehrere Prozesse zugleich sichtbar: Bei kleinen Frequenzen misst die Sonde die Emission von fast lichtschnellen Elektronen, die mit den Magnetfeldern der Milchstraße wechselwirken, sowie die Strahlung rotierender Staubteilchen. Bei mittleren Frequenzen bringt sie Gas zum Vorschein, das von jungen Sternen aufgeheizt wird. Und bei höheren Frequenzen registriert sie die schwache Strahlung von kaltem Staub, aus dem sich neue Sterne bilden. Außerdem kartiert Planck die Polarisation der Vordergrundstrahlung. Das hilft beispielsweise, die Struktur des galaktischen Magnetfelds aufzuklären. Die Sonde hat ferner viele punktförmige Strahlungsquellen im Visier. Dazu gehören Supernova-Überreste, Wolken aus ionisiertem Wasserstoff sowie junge Sternentstehungsgebiete – und sogar Körper unseres Sonnensystems. Hinzu kommen Zehntausende Galaxien, die Synchrotronstrahlung und thermische Emissionen von Staub aussenden. Einige dieser Quellen kann man sogar mühelos mit bloßem Auge auf der Planck-Karte (Seite 55, unten) erkennen.

All diese Vordergrund-Objekte werden bereits Anfang nächsten Jahres in einem ersten umfassenden Katalog veröffentlicht, der allen Astronomen zur Verfügung steht. Und 2012 werden, wenn alles klappt, die Analysen der Temperaturschwankungen der Hintergrundstrahlung abgeschlossen sein und publiziert werden. Auf diesen Moment warten viele mit Spannung. Denn einige der letzten großen weißen Flecken auf unseren Karten der Raumzeit sind dann ein für alle Mal getilgt. ■

von Rüdiger Vaas

KOMPAKT

· Die europäische Raumsonde Planck hat den gesamten Himmel im Mikrowellenbereich mit höchster Präzision kartiert.

· Die Karte gibt Aufschluss über die Sternbildung in der Milchstraße sowie über die Struktur, Entstehung und Entwicklung des Universums.

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LESEN

Über die Erforschung der Kosmischen Hintergrundstrahlung sind bdw-Leser stets auf dem Laufenden:

bild der wissenschaft 6/2001, 8/2003, 10/2003, 9/2008, 9/2009, 11/2009, 5/2010

INTERNET

Planck-Homepage der ESA: www.esa.int/SPECIALS/Planck/index.html

Die kühlste Sonde aller Zeiten

Das Planck-Observatorium ist 4,2 Meter groß, in Höhe und Durchmesser. Seine Startmasse betrug 1,92 Tonnen. Es wurde seit 1994 von der ESA unter dem Namen COBRAS/SAMBA konzipiert (Cosmic Background Radiation Anisotropy Satellite/Satellite for Measurement of Background Anisotropies), weil es aus zwei unabhängigen Entwürfen hervorgegangen ist. Gebaut wurde Planck von zahlreichen Unternehmen und Institutionen. Hauptvertragsnehmer der ESA war Thales Alenia Space in Cannes. Wichtige Beiträge kamen auch von EADS-Astrium in Friedrichshafen (Teleskopspiegel) und Contraves Space in Zürich (Sondenstruktur).

Das Teleskop wurde so entwickelt, dass störende Quellen außerhalb des Gesichtsfelds stark abgeschirmt werden. Höchstens ein Milliardstel des Streulichts darf die Instrumente erreichen – eine strenge Toleranzgrenze, die bislang einzigartig in der Astronomie ist. Planck besitzt drei Abschirmungen zur effizienten passiven Kühlung sowie drei aktive Kühler, die in einem einzigen System integriert sind. Als Kühlmittel dienen 1500 Liter flüssiges Helium. Ein Teil der Detektoren muss auf 0,1 Kelvin gekühlt werden – niemals zuvor wurden so tiefen Temperaturen im Weltraum erzeugt und genutzt.

Plancks elliptischer parabolischer Hauptspiegel wiegt nur 28 Kilogramm und ist 1,9 mal 1,5 Meter groß. Der ebenfalls elliptische parabolische Sekundärspiegel misst 1,1 mal 1,0 Meter. In Plancks Fokalebene befinden sich die Hornantennen. Sie können die Mikrowellen mit extrem hoher Winkelauflösung aufsammeln. Dann gelangen die Photonen je nach Frequenz in eines der beiden wissenschaftlichen Instrumente, die von zwei Konsortien aus jeweils über 20 Instituten in Europa und den USA hergestellt wurden: Das Hochfrequenz-Instrument HFI (High Frequency Instrument) erfasst die Strahlung in sechs verschiedenen Frequenzen bei 100, 143, 217, 353, 545 und 857 Gigahertz. Es besteht aus Bolometern – 20 dieser röhrenförmigen Sensoren erfassen die unpolarisierte, 32 die polarisierte Strahlung. Das Niederfrequenz-Instrument LFI (Low Frequency Instrument) ist eine Anordnung von Radiometern. Sie messen die Strahlung bei 30, 44 und 70 Gigahertz sowie deren lineare Polarisation.

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