DER KETZER Amenophis IV., der sich als junger Mann in Echnaton umbenannte, ist eine ebenso herausragende wie umstrittene Figur auf dem Thron des alten Ägypten. Klar ist: Er war der Erste, der den Glauben an den einzigen Gott propagierte. Alle ägyptischen Gottheiten stieß er vom Sockel – den mächtigen Reichsgott Amun ebenso wie den Totengott Osiris – nur Aton, der Sonnengott, konnte vor Echnaton („Glanz des Aton“) bestehen. Welche Rolle er, der vor knapp 3400 Jahren lebte, wirklich spielte, wird wohl nie zu klären sein. Für den britischen Archäologen Nicholas Reeves ist er „die größte Katastrophe, die Ägypten je heimgesucht hat“. Für den Basler Ägyptologen Erik Hornung ist Echnaton „der erste moderne Mensch“, weil er die Natur- und Menschenwelt erstmals aus einem Prinzip erklären wollte. bdw-Archäologie-Experte Michael Zick hat den Wissenschaftlerstreit um Echnaton aus den Studierstuben und Grabungsstätten herausgeholt und aus ihm einen wissenschaftsjournalistischen Beitrag gemacht – um Längen spannender und inhaltsreicher als die mit großem Pomp angekündigte TVLife- Übertragung „Die Nacht der Pyramiden“, mit der am 17. September an die 800 000 Fernsehzuschauer im ZDF ihre Zeit vergeudeten. Wenn Sie nach unserer Titelgeschichte noch mehr über Echnaton wissen wollen, sollten Sie einen historischen Roman über den Ketzerpharao lesen, der 1985 erschien, aber erst seit drei Jahren auf Deutsch zu haben ist: „Echnaton“ von Nagib Machfus, dem ersten arabischen Literatur-Nobelpreisträger (Laureat 1988). Er zeichnet den Pharao aus der Perspektive seiner Feinde und Freunde nach – auch die hübsche Nofretete, seine Frau, kommt zu Wort. Durch einen geschickten Kunstgriff, der das Buch in 15 abgeschlossene Kapitel zerlegt, gelingt es dem heute 91-jährigen Machfus, Echnaton ähnlich ambivalent zu charakterisieren, wie ihn die Wissenschaftler sehen. Zunächst wünsche ich Ihnen freilich ein intellektuelles Vergnügen mit „ unserem“ Echnaton.
Wolfgang Hess