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„Das ist alles Quacksalberei“

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„Das ist alles Quacksalberei”

„Das ist alles Quacksalberei” Die Anti-Aging-Industrie boomt und macht ein Milliarden-Dollar-Geschäft. Unter diesem diffusen Begriff firmiert der 50-Dollar-pro-Flasche-Cocktail aus Antioxidantien und Vitaminen genauso wie „magisches Wasser” und magnetische Zehenringe. In den USA nehmen mehr als 60 Prozent der über 50-Jährigen Nahrungszusatzstoffe. Auch in Deutschland hat die Jungbrunnen-Medizin Fuß gefasst. In jeder größeren Stadt gibt es ein entsprechendes Institut. Aber halten die Produkte auch, was ihre Hersteller versprechen? „Nein, ganz gewiss nicht”, meinen 51 namhafte Alternsforscher. Im Juni gingen sie auf die Barrikaden. Sie publizierten gemeinsam eine Erklärung, in der sie die Öffentlichkeit in deutlichen Worten darauf hinweisen, dass es keine Medizin und kein Wundermittel gegen das Altern gibt. Der Mediziner und Epidemiologe Jay Olshansky von der Universität von Illinois in Chicago war einer von den drei Forschern, die diese Initiative organisierten. bdw: Die Hersteller der unterschiedlichsten Anti-Aging-Produkte werben damit, dass sie den Alterungsprozess aufhalten oder zumindest hinausschieben können. Was halten Sie davon?

Olshansky: Das ist alles Quacksalberei. Derzeit gibt es kein Mittel, das nachweislich den Alterungsprozess beeinflussen kann. Wir raten dringend, Produkte und auch Eingriffe, die angeblich das Altern verlangsamen, stoppen oder rückgängig machen, weder zu kaufen noch anzuwenden. Man würde nur sein Geld zum Fenster hinauswerfen.

bdw: Aber es gibt Studien, die darauf hinweisen, dass Antioxidantien das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen senken.

Olshansky: Die Studien, die Sie meinen, wurden alle mit Nahrungsmitteln gemacht, die einen hohen Anteil an Antioxidantien haben. Es gibt aber keinen Beweis dafür, dass Nahrungsergänzungsmittel, also Präparate mit den Vitaminen A, C, E oder Co-Enzym Q, das auch tun.

bdw: Wenn sie schon nicht helfen, sind die Anti-Aging-Mittel dann wenigstens unschädlich?

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Olshansky: Die meisten sind harmlos, sie schädigen höchstens den Geldbeutel derjenigen, die sie kaufen. Es gibt aber eine Ausnahme: Hormone. Menschliches Wachstumshormon, Melatonin, Geschlechtshormone und DHEA gehören zum Standard-Repertoire der Anti-Aging-Medizin. Man hat zwar gezeigt, dass Wachstumshormon die Muskelkraft und die geistige Leistungsfähigkeit stärkt. Die Haut wird elastischer, die Libido steigt, und der Knochenschwund wird weniger. Aber diese Effekte kann man auch durch körperliches Training erreichen. Hormone dagegen können schwere Nebenwirkungen auslösen, etwa Diabetes.

bdw: Warum haben Sie den ungewöhnlich offensiven Schritt in die Öffentlichkeit getan?

Olshansky: Die Idee hatten wir auf einem Kongress über Altern im letzten Jahr. Viele Wissenschaftler meinten, sie müssten die Bevölkerung über diese Anti-Aging-Quacksalberei informieren, denn sie fühlten sich diskreditiert. Die Forscher haben in den letzten Jahren immer besser verstanden, was Altern ist – doch diese Ergebnisse reklamieren die Anti-Aging-Scharlatane jetzt für sich. Sie behaupten, die Quelle der Jugend gefunden zu haben. Aber die gibt es nicht.

bdw: Haben Sie einen persönlichen Anti-Aging-Favoriten?

Olshansky: Ja – es ist eine Lichtpistole, die Krankheiten und Altern bekämpfen soll, indem sie Energie aus dem Universum in den Körper leitet. Dieses Gerät habe ich auf dem Kongress der US-Gesellschaft für Anti-Aging-Medizin (A4M) gesehen. Es ist eine simple Taschenlampe. Für besonders dubiose Produkte habe ich den „ Silver Fleece Award” ausgelobt – in Anlehnung an den „Golden Fleece Award”, den es für besonders sinnlose Forschung mit öffentlichen Geldern gibt. Den Silver Fleece Award habe ich dem Hersteller von geclustertem Wasser und der American Academy of Anti-Aging-Medicine verliehen. Das hat mächtig Aufsehen erregt. Auch für den zweiten Preis, den ich im nächsten Februar vergeben will, habe ich schon viele Anwärter. Beispielsweise war ich kürzlich zu einem Vortrag in einem Ort in Österreich. Dort gehen die Leute in Höhlen und atmen Radon ein, ein radioaktives Gas, um gesünder und länger zu leben. So ein Blödsinn.

bdw: Es gibt also keine Methode, das Leben zu verlängern?

Olshansky: Doch, die gibt es. Aber Sie werden sie nicht mögen. Es ist eine Diät: Etwa 20 Prozent weniger Kalorien würde Sie länger am Leben halten. Das haben Tierversuche gezeigt. Aber wir machen ja im Moment genau das Gegenteil: Wir essen zu viel. Ansonsten empfehle ich körperliches Training. Bewegen Sie sich – im Garten, beim Sex, oder gehen Sie spazieren. Training kommt der Quelle der Jugend noch am nächsten.

Karin Hollricher

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