Anzeige
1 Monat GRATIS testen, danach für nur 9,90€/Monat!
Startseite »

Der Glaube an den Einzigen

Allgemein

Der Glaube an den Einzigen
Echnatons Monotheismus war weitaus radikaler als der jüdisch-christliche. Handelte der Pharao aus politischem Kalkül, oder stiftete er eine neue Kosmologie?

Im ganzen Reich schwärmten Trupps von Steinmetzen und Soldaten aus. Ihr Auftrag: Zerstört alle Inschriften, in denen der Name „ Amun” vorkommt – Echnaton, der Aton-Anhänger, hatte den mächtigen Reichsgott verfemt. Auch Weihungen mit dem Plural „Götter” fielen dem Bildersturm zum Opfer – Echnaton, der Ketzer-König, ließ die vielen Himmlischen aus dem altägyptischen Pantheon vertreiben. Bis an die Spitzen der Obelisken hangelten sich die Zerstörer hoch, und selbst Privatgräber blieben nicht unversehrt. Der Monotheismus wurde in einem Bildersturm geboren. „Woran glaubten die Heiden denn nun wirklich?”, möchte Jan Assmann wissen. Der Experte für Monotheismus an der Universität Heidelberg setzt sich von bequemen Interpretationen ab: Polytheismus, klärt er erst einmal die Begriffe, gebe es nicht, das sei eine polemische Fremdbezeichnung durch die, die sich Monotheisten nennen. Denn auch in den altägyptischen Hymnen der Vor-Echnaton-Zeit ist von der „Einheit Gottes” die Rede, von „dem Einen” oder gar von „dem Einzigen”. Ein Gott steht jeweils so im Zentrum der Anbetung, dass er alle anderen Götter überstrahlt. Überall dort, wo viele Götter verehrt werden, geht es laut Assmann um den Gott „Welt”: Der Kosmos ist die Manifestation Gottes. Diesen „Kosmotheismus” – statt Polytheismus – stellt Assmann dem Monotheismus gegenüber: Die Anhänger des Kosmotheismus bekennen sich zum Gott „Welt”. Die Verfechter des Monotheismus bekennen sich zu dem einen Schöpfer-Gott außerhalb der Welt. Echnaton steht mit der von ihm gestifteten Religion um den einzigen Gott Aton in einer vertrackten Weise zwischen den beiden Polen: Er betet die Sonne an – also eine „innerweltliche” Macht. Zugleich ist er aber der Erste, der sagt: Es gibt keine anderen Götter. Ein Postulat, das nicht einmal der jüdisch-christliche Monotheismus aufstellt. Die alten Ägypter hatten vielfach zwei Bezeichnungen für eine Sache. So ist Re (auch Ra genannt) der Sonnengott, Aton das Sonnenlicht, symbolisiert durch die Sonnenscheibe. Die Verehrung von Re war im nordägyptischen Heliopolis beheimatet. Im Süden des Reiches, in Theben, war der lokale Gott Amun während der Expansion Ägyptens zum Hauptgott aufgestiegen.

Im Sinne der Staatsideologie von der Einheit der beiden Länder Ober- und Unterägypten wurden die beiden Götter fusioniert zu Amun-Re – mit Hauptsitz in Theben, speziell im gigantischen Karnak-Tempelbezirk. Die Priester des Amun („Der Verborgene”) waren als die eigentlichen Wirtschaftsbosse des Landes reich und als Pfleger des Reichsgottes politisch mächtig. Manche Ägyptologen sehen sie als Staat im Staate. Unter Echnatons Großvater setzte eine Rollback-Bewegung in Richtung Re ein, die Sonnenscheibe Aton rückte dabei in den Vordergrund der Verehrung. Das kosmotheistische Weltbild geriet in eine Krise, weil sich die Göttlichkeit der Gesamtwelt so immer mehr auf die Sonne konzentrierte. Echnatons Vater trieb diese „Neue Sonnentheologie” voran und formte sie zum Königskult. Echnaton „macht eigentlich nichts anderes”, so Assmann, „als dieses Weltbild zu radikalisieren und zu institutionalisieren”. Die Welt ist nicht mehr die Erscheinung des einen, verborgenen Gottes, sondern sie ist die Schöpfung der Sonne. Da Aton für den Menschen nicht direkt ansprechbar ist, kann man den Sonnengott nur über den König erreichen. In den Texten der Armanazeit wird Echnaton folgerichtig als Gott tituliert. Der König wird, so Assmann, „ während er, nicht die Priester, der Sonne die Opfer darbringt, von dieser jeden Tag aufs Neue als Sohn gezeugt – eine ganz unmittelbare Beziehung also zwischen König und Gott”. Und damit eine neue Beziehung zwischen König und Volk. Denn Echnaton erhört die Gebete, er entscheidet über das Schicksal der Menschen. Es wurden nicht nur die alten Götter verdammt, sondern auch der persönliche Zugang zum nun alleinigen Gott verwehrt. Zu dem abstrakten Gott – an sich ja schon eine heftige Zumutung für die Menschen – hat nur der König Zugang. Nicholas Reeves zitiert in seinem Buch „Echnaton” zustimmend den amerikanischen Ägyptologen James Allen: „Der Gott von Echnatons Religion ist Echnaton selbst” . Der scharfzüngige Reeves fällt das Urteil: „Die Aton-Religion war in Wahrheit nichts anderes als ein pragmatisches Instrument der politischen Kontrolle.” „Unfug”, sagt Prof. Othmar Keel, „wer so etwas behautet, hat von Religiosität nichts begriffen.” Der Alttestament-Forscher von der Universität im schweizerischen Fribourg verweist auf die neue Weltsicht, die durch Echnatons Religions-Revolte beschworen wurde: Lebe jetzt! Es gibt kein Jenseits! Allein mit dieser These überforderte Echnaton die todessüchtigen Alt-Ägypter, die in nichts mehr Geld investierten als in ihre Gräber. Wenn es allein um Macht gegangen wäre, so Keel, „hätte Echnaton es sich wahrlich leichter machen können”. Jan Assmann streitet die politische Komponente der neuen Religion nicht ab, da der Aton-Kult tatsächlich die Beziehungen zwischen Gott, König und Volk neu regelt. Der Heidelberger Ägyptologe meint aber wie Keel, dass es Echnaton hauptsächlich um eine neue Kosmologie ging: Durch die Betonung der Sonne, die alles beseelt, wird die kosmotheistische Welt „entgöttlicht”, sie ist nur noch das Gefäß für die Schöpfung durch den einen Gott – eine völlig neue Weltsicht. Und noch etwas „Bahnbrechendes” hat Assmann bei Echnaton gefunden, nämlich seine Idee, dass die Sonne nicht nur das Licht hervorbringt, sondern auch die Zeit. In der traditionellen Kosmologie der Ägypter wurde die Zeit durch das Zusammenwirken aller Götter in einem selbstregulierenden Prozess geschaffen. Wenn nun aber, wie bei Echnaton, alles, was ist, entsteht und vergeht, das Werk der Sonne ist, werden die Götter überflüssig. Und die Zeit wird durch einen von außen angestoßenen Prozess generiert – eben durch die schöpferische Sonne. Diese Echnaton-Idee ist „so bahnbrechend, dass seine Nachfolger sie in ihr Gottesbild übernahmen und raffiniert ausbauten. Das kommt dann sehr nah an Biblisches heran”, resümiert Assmann. Ideen sterben nicht, sie wandern – unter Umständen weit und lange. Ist von Echnatons Monotheismus etwas – und sei es unterschwellig – in den jüdischen Monotheismus eingegangen? Nein, sagt Assmann: „Wenn man die frühesten Ansätze der Bibel verfolgt, ist das etwas vollkommen anderes als bei der Amarna-Religion. Echnaton sagt: Die anderen Götter gibt es nicht. In der Bibel gibt es die anderen Götter durchaus – aber sie sind verboten.” Deshalb lautet ja auch das jüdisch-christliche Erste Gebot: „Du sollst keine anderen Götter haben neben mir.” Hier kommt, so der Heidelberger Monotheismus-Forscher, ein Motiv in die Religionsgeschichte, das bei den Ägyptern keine Rolle spielte: die Treue. „Ein vollkommen neuer Gedanke mit einem politischen Sinn”, sagt Assmann. Die palästinensischen Völker lebten damals in einem ständig umkämpften Gebiet. Daraus ergab sich die ganz praktische Erfahrung: Wenn ein Stadtstaat Bündnispartner von Assyrien war, aber dennoch einen Vertrag mit Ägypten schloss, war das für Assyrien Anlass für eine furchtbare Bestrafung. „Das ist der politische Raum, in dem Israel seinen Monotheismus erfindet”, doziert Assmann. „Wir steigen aus dem System aus, bei dem man sich ständig entscheiden muss, mit wem man geht, und schließen einen Vertrag mit einem Dritten, von dem die anderen keine Ahnung haben – mit Jahwe.” Assmanns Fazit: „Israels Schritt zum Monotheismus ist eine ungeheuere Revolution und Innovation. Und es ist dieser Weg, der unsere Welt verändert und bestimmt hat, und nicht der ägyptische.”

Michael Zick

Anzeige
Anzeige

Wissenschaftsjournalist Tim Schröder im Gespräch mit Forscherinnen und Forschern zu Fragen, die uns bewegen:

  • Wie kann die Wissenschaft helfen, die Herausforderungen unserer Zeit zu meistern?
  • Was werden die nächsten großen Innovationen?
  • Was gibt es auf der Erde und im Universum noch zu entdecken?

Hören Sie hier die aktuelle Episode:

Aktueller Buchtipp

Sonderpublikation in Zusammenarbeit  mit der Baden-Württemberg Stiftung
Jetzt ist morgen
Wie Forscher aus dem Südwesten die digitale Zukunft gestalten

Wissenschaftslexikon

Ker|rie  〈[–ri] f. 19; Bot.〉 in Ostasien heimischer, auch nach Europa eingeführter Zierstrauch mit goldgelben Blüten: Keria japonica [nach dem engl. Botaniker W. Kerr … mehr

Emp|fangs|sta|ti|on  〈f. 20; Funkw.; Radio; TV〉 Ort, an dem Funksendungen empfangen werden

G–Dur  〈[ge–] n.; –; unz.; Mus.; Abk.: G〉 auf dem Grundton G beruhende Dur–Tonart

» im Lexikon stöbern
Anzeige
Anzeige
Anzeige