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Weniger ist mehr

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Weniger ist mehr
Die von der EU angeordnete Flächenstillegung führt nicht zur mehr Lebensraum für Tiere. Im Gegenteil: Jetzt haben sie noch weniger Platz.

Seit 1993 müssen alle Landwirte in der Europäischen Union ab einer bestimmten Betriebsgröße einen Teil ihrer Flächen stillegen. Derzeit sind es zehn Prozent der Gesamtfläche, auf die ein Bauer zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen verzichten muß, wenn er Getreide oder Öl- und Eiweißfrüchte auf mehr als 16,5 Hektar anbauen will. Diese Zwangsmaßnahme sollte eigentlich den Produktionsüberschüssen in der EU entgegenwirken. Umweltschützer erhofften sich einen positiven Effekt auf die rapide abnehmende Zahl vieler Tierarten in der heutigen Feldflur. Doch diese Erwartung wurde enttäuscht. Der Grund: Fast immer nehmen Landwirte bei der Stillegung eine große Fläche aus der Produktion. Und davon haben Rebhuhn, Hase und Hamster wenig. Eine bessere Alternative zeigt jetzt eine neue Studie auf: Landwirte sollten die stillgelegte Fläche in kleinere Portionen aufteilen. „ Die meisten Tiere im Feld benötigen eben nicht große unbearbeitete Flächen, sondern möglichst viele Randbereiche zwischen bestellten und unbestellten Zonen“, erläutert Dr. Heinrich Spittler vom Dezernat für Jagdkunde und Wildschadensverhütung der Landesanstalt für Ökologie, Bodenordnung und Forsten, LÖBF, in Bonn. Ein Beispiel ist das Rebhuhn, dessen Küken zum Sonnen und Staubbaden unbewachsene Areale benötigen. Der Vogel kann daher von großen Feldschlägen nur etwa 20 Meter Randzone für das Brüten nutzen. 1995 begann Spittler mit einem Versuch auf einer Gesamtfläche von 100 Hektar in der Zülpicher Börde bei Nemmenich, die sechs Landwirte zusammen bearbeiteten. Spittler veranlaßte die Bauern, das Areal in neun „maschinengerechte“ Streifen von jeweils 18 Meter Breite gleichmäßig über die Gesamtfläche aufzuteilen. In die Mitte der Streifen wurde eine Mischung von Futter- und Begleitpflanzen der Ackerflora ausgesät. Die drei Meter breiten Seitenareale wurden hingegen durch zweimal jährliches „Grubbern“ weitgehend frei von Bewuchs gehalten. In den folgenden Jahren erfaßte der Biologe die Bestände an Rebhühnern, Hasen und Insekten. Ergebnis: Während 1995 zu Beginn des Versuchs auf der Gesamtfläche 30 Rebhühner gezählt wurden, waren es 1999 über 70 Tiere. Die Zahl der Hasen stieg ebenso wie die Zahl der Insekten. Selbst der Feldhamster, der in der Gegend als ausgestorben galt, kehrte zurück. Spittler: „1999 haben wir in den Brachestreifen insgesamt 15 Hamsterbaue gefunden – das ist die höchste Feldhamsterdichte in ganz Nordrhein-Westfalen.“ Jetzt sieht Spittler die Politik am Zuge. Die Anlage solcher Streifen sei gegenüber der Stilllegung am Stück für den Landwirt nur mit geringem Mehraufwand verbunden. Doch müsse der Gesetzgeber einen entsprechenden Passus in die Durchführungsbestimmungen zur Richtlinie für Flächenstilllegung aufnehmen. Die Resonanz aus dem Landwirtschaftsministerium in Berlin sei positiv. Vor Ort sieht das anders aus. Der Versuch mußte vorzeitig beendet werden. Einer der beteiligten Landwirte, der rund 60 Prozent zur Gesamtfläche beisteuerte, ist ausgestiegen. Ihn plagten Bedenken, daß seine Anbaufläche jetzt unter Naturschutz gestellt wird.

Bernhard Epping

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