Wer sich als weltfremder Kauz zur Erfolglosigkeit verurteilen möchte, könnte es mit folgendem Rezept versuchen: Man nehme ein Thema, das weltweit höchstens ein paar hundert Menschen verstehen, das von unserer Alltagswirklichkeit maximal entfernt ist und das auf absehbare Zeit keinerlei praktischen Nutzen verspricht – und schreibe darüber einen 500-Seiten-Wälzer ohne Farbfotos und Effekthascherei.
Hierzulande würden die meisten Verleger wohl schon das Porto für das Ablehnungsschreiben bedauern. Aber in den USA wurde ein solches Buch zum Kassenschlager. Mit einem Jahr Verspätung ist „ Das elegante Universum“ von Brian Greene nun auf deutsch erschienen. Wer sich für die fundamentalen Fragen der modernen Physik und Kosmologie interessiert, darf sich auf spannende Einsichten ins Innerste der Natur freuen.
Greene, Professor für Physik und Mathematik an der Columbia University in New York, geht es darum, die Superstring-Theorie allgemeinverständlich zu erklären. Sein Buch ist nicht das erste zum Thema, aber dank seiner Ausführlichkeit, Kompetenz und Aktualität das beste.
Zunächst nennt Greene die beiden Säulen, auf die sich unser physikalisches Weltbild hauptsächlich stützt: die Quantentheorie für den Mikrokosmos und die Relativitätstheorie für den Makrokosmos. Beide geraten dort, wo sie sich berühren, in Konflikte – etwa beim Problem des Urknalls oder bei Schwarzen Löchern. Für eine vereinheitlichte Beschreibung der Naturkräfte und Elementarteilchen ist daher eine umfassendere Theorie erforderlich. Eine solche „Weltformel“ könnte die Superstring-Theorie liefern – „ein Teil des 21. Jahrhunderts, den es zufällig ins 20. Jahrhundert verschlagen hat“, wie Superstring-Pionier Edward Witten sagt: Danach sind die Elementarteilchen nicht punktförmig, sondern aus schwingenden Saiten (Strings) beziehungsweise mehrdimensionalen Membranen (Branes) aufgebaut. Zu den vier vertrauten Dimensionen von Raum und Zeit kommen noch mindestens sechs weitere verborgene Raumdimensionen hinzu, die im Mikrokosmos gleichsam „aufgerollt“ sind.
Greene erzählt die Forschungsgeschichte und die Grundlagen dieser exotischen Theorie so spannend wie einen Krimi – und zwar aus erster Hand, denn er ist an den Forschungen beteiligt. Mit plastischen Vergleichen und pointierten Grafiken macht er selbst abstrakte und schwierige Sachverhalte verständlich. Er schildert, wie Physiker nach langen Durststrecken endlich Erfolg hatten: wie sich plötzlich neue Aspekte der ominösen Schwarzen Löcher verstehen lassen und wie allmählich sogar der Urknall in der kosmischen Sinfonie hörbar wird.
Greenes Buch über das elegante Universum widerlegt manche Schwarzmalerei, die den kulturellen Untergang des Abendlandes heranrasen sieht. Solange solche Bücher noch geschrieben, verlegt und gelesen werden, ist der menschliche Entdeckerdrang ungebrochen – Wissenschaft ist eben mehr als Verfahrenstechnik und Jagd nach Rekorden.
Brian Greene DAS ELEGANTE UNIVERSUM Siedler Verlag Berlin 2000 512 S., DM 49,90
Rüdiger Vaas / Brian Greene