Feuchtigkeit und Schimmel in der Wohnung sind häufige Gründe für Rechtsstreitigkeiten zwischen Mietern und Wohnungsbesitzern. Nicht selten werden dann auch die möglichen gesundheitlichen Gefahren des Pilzbewuchses heraufbeschworen. Einige selbst ernannte Baufachleute rücken die Pilze sogar in die Nähe von biologischen Kampfmitteln. Doch für Mediziner und Wissenschaftler ist der Zusammenhang zwischen Wohnungsschimmel und gesundheitlichen Störungen alles andere als eindeutig. Caroline Herr vom Institut für Hygiene und Umweltmedizin in Gießen meint: „ Schimmel ist meist ein Anzeichen für bauliche Mängel, die auf jeden Fall beseitigt werden sollten. Aber sein Beitrag zu gesundheitlichen Störungen ist vermutlich eher minimal. Wegen eines kleineren Schimmelflecks in der Zimmerecke braucht niemand in Panik zu verfallen.”
Bisher ist noch nicht einmal geklärt, was den Schimmel gefährlich machen könnte. In der Luft lassen sich zwar die für den typischen Schimmelgeruch verantwortlichen flüchtigen organischen Verbindungen sowie Sporen oder giftige Pilzsubstanzen nachweisen, doch lediglich bei Arbeitern beispielsweise in Kompostanlagen oder in landwirtschaftlichen Betrieben, die mit großen Mengen angeschimmelter Materialen hantieren, sind direkte Auswirkungen wie Schleimhautreizungen, das grippeähnliche Getreide- oder Mühlenfieber oder allergische Reaktionen bekannt. Die Konzentrationen, die in schimmligen Wohnungen gemessen werden, sind jedoch mindestens um den Faktor 10 000 kleiner. Als das größte gesundheitliche Risiko werden oft Schimmel-Allergene angesehen. Tatsächlich finden sich bei fünf Prozent der Deutschen Antikörper gegen die Sporen im Blut, was auf eine mögliche Allergie hindeutet. Doch Caroline Herr gibt zu bedenken: „ Pilzsporen sind nahezu überall verbreitet. Wer kann da schon mit Sicherheit sagen, ob die Allergie auf eine mit Schimmelpilzen belastete Wohnung zurückgeht?” Je nach Jahreszeit finden sich in der Außenluft sogar mehr Sporen als in feuchten Räumen.
Sehr häufig werden von den Patienten Husten, Asthma, Kopfschmerz oder heuschnupfenähnliche Symptome mit dem Schimmel in Verbindung gebracht. Doch in wissenschaftlichen Studien ist es bisher nicht gelungen, diese Beschwerden auf messbare Sporenkonzentrationen zurückzuführen. Auch die Gießener Umweltmediziner nehmen solche Messungen vor. „Wir haben bei 20 Kindern mit Atemwegserkrankungen fünfmal pro Jahr die Zimmerluft auf Pilzsporen untersucht. Doch eine offensichtliche Korrelation mit Atembeschwerden hat sich nicht ergeben”, betont Caroline Herr.
Für die Medizinerin ist es – trotz der fehlenden Belege für eine direkte gesundheitliche Beeinträchtigung – selbstverständlich niemandem zuzumuten, in einer von Schimmel befallenen Wohnung zu leben. Um die Belastung möglichst gering zu halten, rät sie dazu, Wäsche nicht bei geschlossenem Fenster in der Wohnung zu trocknen und regelmäßig zu lüften – besonders im Bad nach dem Duschen. Und was die wenigsten beachten würden: Der schlecht oder zu lange gelagerte Biomüll in der Küche ist oft eine größere Sporenschleuder als der Schimmelfleck an der Wohnungsdecke. Dr. Ulrich Fricke
Medinfo im Juli: Haarrupfsucht
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Die Broschüren „Schimmelpilz-Leitfaden” und „Hilfe! Schimmel im Haus” gibt es kostenlos beim Umweltbundesamt, Postfach 33 00 22, 14191 Berlin
Tel.: 030| 8903–0
Fax: 030| 8903–2285
oder im Internet:
www.umweltbundesamt.org/fpdf-l/2199.pdf
Kontakt
Dr. med. Caroline Herr
Institut für Hygiene und Umweltmedizin
der Justus-Liebig-Universität
Friedrichstraße 16
35392 Gießen
Tel.: 0641 | 99 41 451
www.med.uni-giessen.de/hygiene