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Glas zum Einreiben

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Glas zum Einreiben
Eine neue Art von fein gemahlenem Glas ist hautverträglich und soll nach Angaben des Herstellers sogar eine heilende Wirkung entfalten.

Glas als Wohltat für die Haut – das hört sich unglaublich an. Doch Forscher des Mainzer Technologiekonzerns Schott haben eine Form von Glas entwickelt, die nicht scharfkantig und verletzend, sondern sanft zur Haut ist. Der staubfein gemahlene Glaspuder soll zudem wahre Wunder wirken, versprechen die Mainzer: Mikroorganismen abtöten und Hautentzündungen hemmen. Daher könne das Material als Grundsubstanz für besonders verträgliche Kosmetika dienen.

Der Grund für die behauptete Wirkung des „bioaktiven“ Glaspuders, sagen Schott-Sprecher, sei seine Zusammensetzung. Er enthält Oxide von Silizium, Kalzium, Natrium und Phosphor, die in besonderen Elementverhältnissen und in hoher Reinheit zusammengeführt werden. Der Puder bestehe ausschließlich aus Substanzen, die auch im menschlichen Körper vorhanden sind, unterstreichen seine Hersteller.

Dass Glaspartikel aus Silizium, Kalzium, Natrium und Phosphor eine stimulierende Wirkung auf den Körper haben können, ist nicht neu. So setzt man ein Granulat aus bioaktivem Glas in der Zahnmedizin ein, um geschädigte Kieferknochen zu regenerieren. „ Bei fortgeschrittenen Fällen von Parodontose kommt es oft auch zu Knochenverlusten“, erläutert die Zahnärztin Dr. Heike Förster aus Mönchengladbach. „In Fällen, bei denen schon große Teile des zahntragenden Knochens und der Fasern zerstört sind, muss versucht werden, das Gewebe wieder aufzubauen, um dem Zahn die nötige Stabilität zu verleihen.“ Dazu bringt der Zahnarzt bioaktives Glas in Form von Partikeln, die etwa die Größe von grob gemahlenem Zucker haben, in die erkrankten Abschnitte des Kieferknochens ein. Sie mineralisieren das Knochengewebe und regen es zu neuem Wachstum an. „So erhält der betroffene Zahn wieder neuen Halt und Stabilität“, erklärt Heike Förster. Auch das Verwachsen von Zahn-Implantaten mit dem Knochen wird so erleichtert.

Seit Anfang der neunziger Jahre wird bioaktives Glas zudem als Werkstoff für Knochenimplantate verwendet. Chirurgen nutzen es beispielsweise, um geschädig-te Bandscheiben oder Wirbelsäulen-Knochen bei Osteoporose-Patienten wieder aufzubauen. Auch in Zahncreme findet sich bioaktives Glas: Das Unternehmen Novamin bietet eine entsprechende Dentalpaste seit kurzem unter dem Namen Oravive an – als Mittel, um das Weiß der Zähne zu erhalten und das Gebiss unempfindlicher gegen Schmerzen zu machen. Selbst Forscher der NASA experimentieren mit dem Werkstoff. Ihr Ziel: Bioaktives Glas soll künftig die Regeneration der Knochen von Astronauten fördern, deren Substanz bei längeren All-Aufenthalten abgebaut wird.

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Alle bisherigen Anwendungen nutzen ausschließlich die mineralisierende Wirkung des Glases. Zum Beispiel beim Knochenaufbau, der durch das Glas gefördert wird, weil es eine Mineralschicht an seiner Oberfläche bildet, die chemisch äquivalent zum Knochenmineral ist. Auch der nun entwickelte Glaspuder mache sich den Mineralisierungseffekt zu eigen, um Haut, Haare und Nägel zu festigen, argumentieren seine Entwickler.

„Daneben nutzen wir mit dem bioaktiven Glaspuder erstmals auch, dass das Material Bakterien abtöten und Entzündungen hemmen kann“, sagt Dr. Sean Lee, Leiter des Teams für Bioactive Technologies bei Schott. „Wie diese Wirkung genau zustande kommt, ist bisher unklar“, gesteht der Forscher. Dass die Wirkung bestehe, belegten allerdings etliche wissenschaftliche Studien. Lee zitiert Forscher um Prof. Lyle L. Moldawer vom University of Florida College of Medicine, die vor kurzem im Fachmagazin „Shock“ über Versuche an Mäusen berichteten, wobei bioaktives Glas dem Entstehen von Entzündungen entgegengewirkt habe.

Zur Herstellung des Puders werden zunächst alle Bestandteile des Glases eingeschmolzen. Danach wird die Schmelze zu hauchdünnen Flakes geformt und abgekühlt. Anschließend werden die Flocken zu Partikeln gemahlen, die nur wenige Tausendstelmillimeter groß sind. In Hautcremes soll der Puder Ausschläge und Rötungen lindern, in Deodorants von Bakterien verursachte Körpergerüche hemmen. Erste Kosmetika, die das Glas enthalten, sollen noch in diesem Jahr auf den Markt kommen. ■

Cynthia Mouchbahani

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