„Unsinkbar“ – an keinem Wort wird die Tragödie der Titanic deutlicher. Wie können 53 000 Tonnen Stahl unsinkbar sein? Aus heutiger Sicht klingt das absurd, aber 1912 glaubten es viele Menschen. Noch als bekannt wurde, dass die Titanic in Seenot war, beteuerte Phillip Franklin, der Vizepräsident der White Star Line, sein „absolutes Vertrauen in die Titanic. Wir glauben, dass das Schiff unsinkbar ist.“
Der Untergang der Titanic war der erste große Schlag gegen das Vertrauen in die Technik. So groß war der Schrecken, so stark die Verklärung, dass die nüchternen Fakten dahinter verschwanden. Es ist das Verdienst des Dortmunder Physikprofessors Metin Tolan, sie wieder hervorzuholen, noch dazu auf bemerkenswert vergnügliche Weise. Er weiht den Leser ein in die Physik von Ozeandampfern und Eisbergen und rekonstruiert akribisch die Ereignisse jener Tage im April 1912. Eine der Überraschungen, die dabei zutage treten: Der Hollywood-Schinken „Titanic“ von James Cameron stellt diese Ereignisse weitgehend korrekt dar.
Auf die große Frage indes verweigert Tolan die Antwort: Woran lag es? An minderwertigen Nieten, mutmaßen Forscher neuerdings. Derart monokausal denkt Tolan nicht. Er erzählt das Titanic-Desaster als Kette kleiner Zufälle, von denen keiner für sich genommen allzu unwahrscheinlich, auch keiner ein schwerer menschlicher Fehler war, die aber zusammen zur Tragödie führten. Das ist weniger spektakulär als die üblichen Titanic-Geschichten – dafür wohl näher an der Wahrheit. Tobias Hürter
Metin Tolan TITANIC Mit Physik in den Untergang Piper, München 2011, 208 S., € 17,99 ISBN 978–3–492–05458-4