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Rettung über Umwege

Erde|Umwelt

Rettung über Umwege

HUNDERTTAUSENDE Europäische Störe (Acipenser sturio) schwammen Ende des 19. Jahrhunderts allein in der Nordsee und in deren Zuflüssen. Mittlerweile hat sich ihr Bestand in ganz Europa extrem reduziert. Eine Restpopulation von 200 bis 400 Tieren hat ihre Heimat in der Gironde im Südwesten Frankreichs. Um die Wanderfische vor dem Aussterben zu bewahren, versucht die 1994 gegründete Gesellschaft zur Rettung des Störs in Rostock gemeinsam mit Kooperationspartnern, Störe in Zuchtbecken zu vermehren. Die Jungtiere sollen später ausgesetzt werden. Das Problem: 10 bis 15 Jahre brauchen die archaischen Knochenfische, bis sie geschlechtsreif sind. Und dass sie sich dann tatsächlich vermehren, ist nicht gesagt.

Französischen Forschern gelang 1995 die erste kontrollierte Vermehrung von Europäischen Stören. Doch es folgten Fehlschläge. Ein kleiner Teil der Jungtiere von 1995 lebt heute in den Anlagen des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) in Berlin (bild der wissenschaft 12/2002, „Störe für den Rhein“). Doch die nun 16 Jahre alten Tiere haben noch nie Nachwuchs gezeugt.

Trotzdem hat sich die Situation für den Europäischen Stör gebessert. Denn in Frankreich hatten die Stör-Schützer inzwischen erneut Erfolg: Seit 2007 glückte ihnen wiederholt die Vermehrung der Tiere. Seit 2008 haben die deutschen Kollegen 1670 dieser Europäischen Störe in der Elbe und deren Nebenflüssen ausgesetzt. Wie erwartet, wanderten die Tiere Richtung Nordsee. Damit die Rückkehrer ihre Laichplätze erreichen, ging 2010 am Stauwehr von Geesthacht – 142 Kilometer oberhalb der Elbmündung – eine neue Fischtreppe in Betrieb. Sie ist auch für einen drei Meter großen Stör passierbar.

Die Zeit zwischen der ersten Vermehrung 1995 bis zur zweiten 2007 nutzten die Stör-Retter, um die biologischen Grundlagen der Tiere zu erforschen. Dafür entnahmen Forscher DNA-Proben aus Museumspräparaten von Stören aus der Nord- und Ostsee. „Manchmal kamen wir uns dabei vor wie in einem Krimi“, sagt Henning von Nordheim, Meeresbiologe im Bundesamt für Naturschutz und Fachbetreuer für das Projekt. Die Ergebnisse der DNA-Analysen überraschten. Jörn Geßner, Biologe und Projektmanager am IGB, erklärt: „Die Tiere aus der Nordsee entsprachen genetisch den heutigen in der Gironde, waren also Europäische Störe – die Tiere in der Ostsee jedoch nicht.“

Bis 2001 dachten die Forscher, der Europäische Stör habe ursprünglich in Nord- und Ostsee gelebt. Die DNA-Proben zeigten aber, dass in der Ostsee einst der Baltische Stör (Acipenser oxyrinchus) heimisch war. Er ist genetisch fast identisch mit einer in Kanada lebenden Stör-Population. Um die ursprünglichen genetischen Verhältnisse wiederherzustellen, ließen die deutschen Aktivisten Jungtiere aus Kanada einfliegen und setzten 200 000 davon im Ostsee-Zufluss Oder aus. Diese Spezies ist glücklicherweise nicht bedroht wie der Europäische Stör. Die kanadischen Bestände sind sogar so groß, dass sie kommerziell befischt werden. Trotzdem haben die deutschen Stör-Retter inzwischen einen eigenen Elterntierbestand aufgebaut, um künftig vom Import unabhängig zu sein.

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Frühestens in etwa 15 Jahren wird sich zeigen, wie viele Ostsee-Störe in die Oder zurückkehren, um zu laichen. „Wenn wir sich selbst erhaltende Populationen – also eine natürliche Fortpflanzung – nachweisen können, haben wir es geschafft“, meint Henning von Nordheim. Und sein Mitstreiter Jörn Geßner leistet sich schon mal ein wenig Vorfreude: „Noch 1996 haben alle gesagt, den Stör in Deutschland wieder anzusiedeln, sei reine Fantasie. Aber bis jetzt kommen wir gut voran.“ Maria Georgi ■

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♦ Elek|tro|pho|re|se  〈f. 19; unz.〉 Bewegung von elektrisch geladenen Kolloidteilchen in einem elektr. Feld, um diese zu trennen od. auszufällen

♦ Die Buchstabenfolge elek|tr… kann in Fremdwörtern auch elekt|r… getrennt werden.
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