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Riesenaugen blicken zum Himmel

Allgemein

Riesenaugen blicken zum Himmel
Größer, dünner, flexibler – die Trends für neue Teleskope. An der Wende zum nächsten Jahrtausend wartet ein Arsenal noch größerer und leistunsfähigerer Teleskope auf seinen Einsatz. Die neue Generation der Leichtgewichte ist mit allen technischen Finessen gerüstet – sie kann sogar das Flimmern der Luft austricksen.

Die einzige Information der Astronomen sind winzige Lichtteilchen, die von fernen, nie gesehenen Regionen des Weltalls künden. Um die kosmischen Botschafter festzuhalten, werden sie mit riesigen Teleskopspiegeln eingefangen. Rekorde sind das tägliche Brot der Astronomen. Die Gigantomanie hat einen tiefen Grund: Damit auch noch leuchtschwache Galaxien in vielen Milliarden Lichtjahren Entfernung sichtbar werden, muß die lichtsammelnde Spiegelfläche sehr groß sein. In der Vergangenheit führte das in ein Dilemma, denn übergroße Spiegel treiben auch das Gewicht in die Höhe. Die Spiegel verbogen sich unter der eigenen Last – mangelhafte Bildqualität war die Folge. Abspecken heißt deshalb heute die Devise.

In der Praxis bedeutete das: Der Spiegel muß dünn sein, verformbar und auf vielen beweglichen Stützen gelagert, die ihn computergesteuert in die optimale Form bringen. Vorreiter der „aktiven Optik“ waren in den achtziger Jahren die Europäer, die den 24 Zentimeter dikken 3,6-Meter-Spiegel des New Technology Telescopes (NTT) damit ausrüsteten.

Die Amerikaner übernahmen das erfolgreiche Konzept für segmentierte Spiegel. Die beiden 10-Meter-Keck- Teleskope auf dem hawaiianischen Mauna Kea, die sich aus jeweils 36 sechseckigen, nur 7,5 Zentimeter dicken Einzelspiegeln zusammensetzen, galten noch bis vor kurzem als die weltweit größten Teleskope. Den Ruf des weltgrößten Teleskops haben die Keck-Zwillinge im Oktober 1997 an das Hobby-Eberly Telescope (HET) abgeben müssen, das am McDonald-Observatorium in den Davies Mountains in West-Texas eingeweiht wurde. Sein segmentierter 11-Meter-Spiegel besteht aus 91 gleichen Sechsecken, die zu einer fast halbkugelförmigen Schale zusammengefügt sind. Die Modulbauweise hat die Kosten des Teleskops gedrückt: Mit 13,5 Millionen Dollar (rund 24 Millionen Mark) ist es nur ein Fünftel so teuer wie jedes der Keck-Teleskope.

Allerdings haben sphärische Spiegel immer Abbildungsfehler, weil die äußeren Spiegelsegmente kürzere Brennweiten liefern als die inneren. Damit alle Lichtstrahlen in einem einzigen Punkt vereinigt werden, muß ein Sekundärspiegel die Fehler ausgleichen. Ein weiteres Manko: Der riesige HET-Spiegel kann nur um eine Achse – in Nord-Süd-Richtung – geschwenkt werden. Die zweite Achse borgt sich das Teleskop von der Erdrotation: Bei der Wanderung über den Himmel verschiebt sich das vom Hauptspiegel reflektierte Licht der Sterne. Weil der Sekundärspiegel beweglich ist, kann er dieser Wanderung ein Stück folgen, so daß minutenlange Belichtungen möglich sind.

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Die eingeschränkte Beweglichkeit reduziert freilich auch den Blickwinkel: Nur 70 Prozent des Himmels sind dem HET zugänglich. Doch das reicht für das Projekt, an dem auch die Sternwarten der Maximilians-Universität München und der Universität Göttingen beteiligt sind, um präzise spektroskopische Messungen vorzunehmen. Sie geben Auskunft über chemische Zusammensetzung, Temperatur, Rotation und Distanz weit entfernter Himmelsobjekte.

Im Jahr 2002 wird das HET einen Zwillingsbruder bekommen. Das geplante Southern African Large Telescope (SALT) soll in internationaler Zusammenarbeit im südafrikanischen Sutherland entstehen.

Mit großem Erfolg hat im vorigen Jahr der erste der vier 8,2-Meter-Spiegel des Very Large Telescope (VLT) der Europäischen Südsternwarte (ESO) sein „erstes Licht“ gesehen (bild der wissenschaft 8/1998, „Der vieräugige Riese“). Das Großteleskop wird auf dem 2664 Meter hohen Cerro Paranal in der chilenischen Atacama-Wüste errichtet und soll kurz nach der Jahrtausendwende in Betrieb gehen.

Geplant ist, die Spiegel nicht nur einzeln und unabhängig voneinander zu benutzen, sondern sie auch zu einem Interferometer zusammenzuschalten. Auf diese Weise wird ein optisches Teleskop mit einem Durchmesser von rund 130 Metern simuliert. „Die Stärke des VLT liegt gerade in dieser Betriebsweise“, freut sich ESO-Astronom Richard West. „Wir erreichen dann ein ausgezeichnetes Auflösungsvermögen von etwa einer bis zehn Millibogensekunden. Das ist rund hundertmal besser als das Hubble Weltraumteleskop. Der direkte Nachweis von fremden Planeten rückt in greifbare Nähe.“

Die neue Technik der flexiblen Spiegel hat einen Boom in der Sternenbranche ausgelöst. Gemeinsam ist den neuen Projekten: Alle Spiegel sind nur knapp 20 Zentimeter dick und können daher mit „aktiver Optik“ ausgerüstet werden.

Noch einen Schritt weiter geht die Technik der „adaptiven Optik“. Sie hilft den Astronomen, störende Luftturbulenzen auszutricksen: Piezoelektrisch gesteuerte Stellelemente verbiegen einen Hilfsspiegel im Brennpunkt des Hauptspiegels genau im Takt mit der flimmernden Luft über dem Teleskop. Die Korrekturen müssen sehr rasch erfolgen: 100- bis 120mal in der Sekunde. Für die blitzschnelle Signalanalyse ist ein Supercomputer mit einem neuronalen Netz nötig, der auch die Ausgleichsbewegungen des Spiegels steuert.

Das raffinierte Verfahren haben Wissenschaftler dem amerikanischen SDI-Projekt abgeschaut. Dort diente es dazu, die Zielgenauigkeit von Raketen zu verbessern. Die Technik aus dem Krieg der Sterne sorgt nun bei der neuen Teleskop-Generation für einen klaren Blick in den Himmel.

Dazu gehören sowohl der japanische 8,3-Meter-Subaru-Spiegel, der sein Auge seit dem vorigen Jahr geöffnet hat, als auch die beiden 8,1-Meter-Spiegel für die beiden von einem internationalen Konsortium errichteten Gemini-Teleskope. Der erste der Zwillinge wurde 1998 ebenfalls auf Hawaiis erloschenem Vulkankegel Mauna Kea stationiert. Der zweite, beheimatet auf dem Cerro Pachon in Chile, soll im Jahr 2000 folgen und den Südhimmel ins Visier nehmen.

Mit der Technik des Honigwabenbaus lassen sich stabile und leichte Spiegel herstellen. Auf die Idee geht schon der 1948 in Dienst gestellte legendäre 5-Meter-Spiegel auf dem Mount Palomar in Kalifornien zurück. Roger Angel und sein Team vom Steward Observatorium und dem Optical Science Center in Tucson, Arizona, haben die Bauweise wieder aufgenommen.

Für das Large Binocular Telescope, einen Riesen aus zwei nebeneinander montierten 8,4-Meter-Spiegeln, wurde bereits die erste 15,6 Tonnen schwere Wabenkonstruktion gegossen. An dem 130-Millionen-Mark-Projekt sind nicht nur amerikanische Universitäten und Forschungsinstitute, sondern auch das italienische Astrophysikalische Observatorium Arcetri in Florenz und drei Max-Planck-Institute in Heidelberg, Garching und Bonn mit einem deutschen Anteil von 16,6 Millionen Mark beteiligt. Das zweiäugige Riesenteleskop auf dem Mount Graham in Arizona soll ab 2003/2004 den Himmel nach leuchtschwachen Galaxien am Rande des Universums durchsuchen. Durch interferometrische Überlagerung können beide Spiegel zusammengeschaltet werden. Sie liefern dann Bilder von der Schärfe eines 22,8-Meter-Spiegels.

Das wohl wagemutigste Projekt haben sich deutsche Forscher zusammen mit der NASA vorgenommen: ein 2,7- Meter-Spiegelteleskop, das, eingebaut in einen Jumbo-Jet, in wenigen Jahren zu Forschungsflügen in die Stratosphäre starten soll. In 12 bis 14 Kilometer Höhe hat das Teleskop einen großen Teil des Wasserdampfs der Erdatmosphäre, der die Wärmestrahlung aus dem All weitgehend verschluckt, hinter sich.

Damit ist SOFIA – Kurzform für: Stratosphären-Observatorium für Infrarot-Astronomie – wie geschaffen für Beobachtungen in einem sehr breiten Wellenlängenbereich. Er reicht vom Ultraviolett über das sichtbare Licht, den Infrarot- und Submillimeter- bis zum Mikrowellenbereich: ideale Bedingungen für die Erforschung der optisch undurchdringlichen Staubregionen der Milchstraße und anderer Galaxien, wo neue Sterne und Planeten entstehen.

Bei der fliegenden Sternwarte kann die NASA zwar auf Erfahrungen mit dem Kuiper-Airborne-Observatorium zurückgreifen. Doch dabei handelte es sich um ein kleineres Teleskop, das in einer Lockheed C141 Platz fand. Das 850 Kilogramm schwere SOFIA-Instrument paßt trotz seiner kompakten Bauweise nicht in einen geschlossenen Jumbo-Jet. Für das auf rund 420 Millionen Mark veranschlagte Projekt wollen die Amerikaner eine gebrauchte Boeing 747 SP so umbauen, daß SOFIA aus einer geöffneten Luke im Heck des Flugzeugs hinausschaut.

Das stellt freilich höchste Ansprüche an die 70 Millionen Mark teure Technik des Teleskops, für die ein Konsortium aus den drei deutschen Unternehmen MAN, Kayser-Threde und Schott verantwortlich ist. Immerhin muß SOFIA Temperaturen zwischen plus 40 und minus 60 Grad Celsius, hohe mechanische Belastungen während des Flugs und das Neunfache der Erdbeschleunigung im Falle einer Notlandung aushalten können.

Da mutet die prognostizierte Betriebsdauer von 20 Jahren mit mehr als 25000 Beobachtungsstunden wie ein kleines technisches Wunder an.

Silvia von der Weiden

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