1903 bewies der amerikanische Mathematik-Professor Simon Newcomb in einem Fachartikel, daß Maschinen, die schwerer als Luft sind, niemals fliegen werden. Zwei Wochen später gelang den Brüdern Wright der erste Flug. Etwas Ähnliches passierte dem großen Physiker Henri Poincaré. Für ihn war klar, daß man niemals von Europa nach Amerika funken könnte, da die Funkwellen nicht der Erdkrümmung folgen und spätestens nach 300 Kilometern im All verschwinden würden. Den Elektro-Tüftler Guglielmo Marconi kümmerten die physikalischen Belege nicht – er probierte es einfach aus. 1901 kam das erste Funktelegramm über den Atlantik. Was beide nicht wußten: Poincaré hatte zwar recht, aber die Ionosphäre reflektiert die Funkwellen wieder zurück auf die Erde.
Sogar Isaac Newton kam rein zufällig zu seinen Erkenntnissen über die Schwerkraft. Er war eigentlich auf der Suche nach einer wissenschaftlichen Methode, um die Wahrheit in den verschiedenen Interpretationen der Bibel zu erkennen. Während er als Theologe scheiterte, entwickelte er eine gute Methode, um die Natur zu erklären.
Den wissenschaftlichen Querdenkern, Ketzern und Außenseitern hat der italienische Wissenschaftshistoriker Federico Di Trocchio ein Buch gewidmet. „Newtons Koffer“ ist ein Plädoyer, auch skurrilen Ideen zuzuhören, selbst wenn sie dem, was als wahr gilt, widersprechen. Die Wissenschaft tut sich meist schwer mit ihren Außenseitern. Sie werden zwar heutzutage nicht mehr verbrannt, aber oft totgeschwiegen und müssen damit rechnen, ihr Labor und sogar ihre Anstellung zu verlieren.
Übrigens: Die Wissenschaftsgemeinde glaubte noch jahrelang nicht den Piloten, sondern Professor Newcombs mathematischen „Beweisen“, nach denen Flugzeuge nicht fliegen können – bis 1908 US-Präsident Roosevelt die ganze Angelegenheit mit einer öffentlichen Flugvorführung klären ließ.
Federico Di Trocchio NEWTONS KOFFER Campus Verlag Frankfurt 1998 280 S., DM 48,-
Thomas Willke / Federico Di Trocchio