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Das Gehirn lügt nicht…

Allgemein

Das Gehirn lügt nicht…
…aber die Erinnerung täuscht sich.

Ein 50-jähriger Beamter aus dem Taunus war in erster Instanz vom Amtsgericht wegen Missbrauchs eines zweijährigen Mädchens verurteilt worden. Das Landgericht Wiesbaden sprach den Mann in zweiter Instanz frei. Begründung: Ob die Erinnerungen des Kindes der Wahrheit entsprächen oder ihm erst von einer umstrittenen Gutachterin suggeriert worden seien, lasse sich nicht mehr klären. Solche Fälle sind inzwischen auch hierzulande nicht selten. In den USA haben sogar mit therapeutischer Nachhilfe „ wiedergefundene Erinnerungen“ zu einer Welle von Schadensersatzforderungen geführt. Wie leicht sich falsche Erinnerungen ins Gedächtnis schleichen, bewies die Psychologin Elizabeth Loftus von der Universität Washington schon vor einigen Jahren: Sie ließ eingeweihte Verwandte in einem Versuch agieren. Denen gelang es in jedem vierten Fall jungen Familienmitgliedern weiszumachen, sie seien einmal als Kind in einem Einkaufszentrum verloren gegangen. Die „Verlorengegangenen“ glaubten das nicht nur, sondern schmückten die fiktive Geschichte in der Folge sogar mit Details aus und hielten sie fortan für authentische eigene Erinnerungen. Wenn sich schon das eigene Gedächtnis so leicht beeinflussen lässt – was ist dann später „die Wahrheit“? An der Universität Missouri kann ein Forscherteam nun mit Hilfe des EEG richtige von falschen Erinnerungen unterscheiden – wenn auch vorläufig nur im Laborversuch. Die Psychologen Monica Fabiani, Michael Stadler und Peter Wessels führen zunächst mit einem bewährten Forschertrick das Gedächtnis in die Irre: Sie lassen ihre Probanden mehrere Dutzend hintereinander auf einem Bildschirm aufleuchtende Wörter lernen, etwa Glas, Sims, Scheibe, Vorhang, Aussicht, Rahmen. In einer zweiten Testphase werden die Versuchspersonen abermals mit Wörtern konfrontiert und müssen entscheiden, ob diese neuen Vokabeln schon unter den bereits gelernten waren oder nicht: Stand etwa „Fenster“ auf der Monitor-Liste? Ja, behaupten die meisten Testteilnehmer und enthüllen damit eine falsche Erinnerung. „Fenster“ war zuvor nie aufgetaucht, doch viele der gezeigten Begriffe weckten Assoziationen daran. Dennoch, so die Grundidee des Teams, unterscheidet das Gehirn zwischen bekannten Wörtern und den trickreich ins Spiel gebrachten „falschen Zielen“. Denn beim Erinnern werden, der Theorie nach, im Hirn gespeicherte Sinneseindrücke wieder aktiviert – für die falschen Ziele kann es solche Speicher-Nachrichten nicht geben, da sie nicht gezeigt wurden. Der genaue Ort im Gehirn für diese gespeicherten und dann aktivierten Sinneseindrücke ist nicht bekannt. Er muss in der Gehirnhälfte liegen, die für die Verarbeitung des Gesehenen zuständig ist – bei Wörtern, die im rechten Teil des Monitors gezeigt wurden, ist das die linke Gehirnhälfte. Die echten Ziele – also die richtigen Erinnerungen – müssten also die zuständige Hirnhälfte besonders stark auf Trab bringen. Die nicht gezeigten, falschen Ziele dagegen sollten beide Hirnhemisphären gleich stark aktivieren. Genau das zeigte sich bei der Auswertung der mit 19 aufgeklebten Elektroden abgeleiteten Gehirnströme: Echte Ziele regten speziell eine Hirnhälfte an, falsche beide Hälften gleichmäßig. Welche speziellen Regionen des Gehirns für derartige Aktivität verantwortlich sind, lässt sich mit dieser Methode nicht sicher klären, dazu ist das EEG zu ungenau. Die Forscher sind mit den Aussichten dennoch zufrieden: „Selbst wenn Versuchspersonen nicht bewusst zwischen wahren und falschen Erinnerungen unterscheiden können, gibt die Aktivität ihres Gehirns Informationen preis, die bei dieser Unterscheidung helfen.“

Jochen Paulus

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