Allein in Deutschland leben über eine halbe Million Menschen, die wegen chronischer Schmerzen in ständiger Behandlung sind. Bisher gibt es für diese Schmerzpatienten keine dauerhaft wirksame Therapie. Ein Drittel der Kranken ließ sich wegen der Schmerzen zwar operieren, doch meist ohne Erfolg. Schätzungsweise 2000 bis 3000 Menschen in Deutschland pro Jahr töten sich selbst wegen ihrer chronischen Schmerzen. Jetzt haben kanadische Wissenschaftler der University of Toronto einen genetischen Kontrollmechanismus entdeckt, der das Schmerzempfinden reguliert. Das Team um Michael Salter konzentrierte sich dabei auf die Bedeutung des Gens „DREAM” (Downstream Regulatory Element Antagonistic Regulator). Es war bekannt, dass DREAM im Organismus die Ausschüttung von Dynorphin hemmt. Dieser Eiweißstoff gehört zu den so genannten Endorphinen, die Schmerzen dämpfen. Die Forscher züchteten genetisch veränderte Mäuse, denen DREAM fehlte. Die Tiere bildeten verstärkt Dynorphin und waren gegenüber Schmerzen weit weniger empfindlich als normale Mäuse. Salter: „Alle Arten von Schmerz in allen getesteten Geweben wurden weniger stark empfunden. Das gilt auch für den neuropathischen Schmerz, der durch Nervenverletzungen ausgelöst wird und bisher nicht behandelt werden kann.” Dabei waren die körperlichen und geistigen Funktionen der Mäuse nicht beeinträchtigt. Sie entwickelten auch keine Abhängigkeit von den eigenen im Überschuss produzierten Endorphinen. „Unsere Ergebnisse zeigen einen völlig neuen Ansatz bei der Schmerztherapie”, erklärt Salter. Bisher konzentrierte sich die Forschung auf Morphin und andere schmerzstillende Opiate, die die Wirkung von Endorphinen nachahmen. Diese Behandlung birgt jedoch das Risiko körperlicher Abhängigkeit. Jetzt will Salter nach einer Möglichkeit suchen, das DREAM-Gen zu hemmen oder abzuschalten.
Hans Groth