Die Grippe ist noch immer eine der häufigsten und schwerwiegendsten Atemwegsinfektionen weltweit. Immerhin drei bis fünf Millionen Fälle gibt es jede Saison, bis zu 500.000 Menschen sterben jährlich an einer Influenza. Gegen die saisonale Grippe kann meist eine Impfung schützen, anders ist dies jedoch, wenn unvorhergesehen eine Influenza-Pandemie ausbricht: Weil es typischerweise mehrere Monate dauert, bis ein passender Impfstoff in ausreichender Menge produziert werden kann, sind dann antivirale Medikamente das erste Mittel der Wahl. Das Problem dabei: Die Influenza-Viren entwickeln schnell Resistenzen gegen die gängigen Wirkstoffe, wie Joshy Jacob von der Emory University in Atlanta und seine Kollegen erklären. „Wir müssen daher dringend neue antivirale Mittel entwickeln“, so die Forscher. Um dies zu erreichen, suchten sie nach schon in der Natur vorhandenen Wirkstoffen, im speziellen nach Peptiden der angeborenen Immunabwehr.
Peptide sind kurze Aminosäureketten, die von vielen Tieren und auch von uns Menschen produziert werden. Viele dieser Abwehrpeptide haben die Fähigkeit, Bakterien oder Viren zu beschädigen oder zu zerstören – sie bieten sich daher als Ausgangspunkt für eine Suche nach neuen antiviralen Mitteln an. Einen besonders reichhaltigen Cocktail solcher Abwehrpeptide produzieren die Hautdrüsen der Frösche und Kröten. „Verschiedene Froscharten erzeugen dabei ganz unterschiedliche Peptide – je nachdem, in welchem Habitat sie leben“, erklärt Jacob. Er und seine Kollegen sammelten für ihre Studie das Hautsekret des in Indien heimischen Frosches Hydrophylax bahuvistara, der etwa tennisballgroß und buntgefärbt ist. Chemische Analysen ergaben, dass das Hautsekret dieses Frosches 32 verschiedene Abwehrpeptide enthält. Als die Wissenschaftler diese Peptide auf ihre Wirksamkeit gegen Influenzaviren testeten, erwiesen sich gleich vier davon als hochgradig wirksam – und das gleich gegen zahlreiche alte und neue Stämme des H1-Influenza-Virus.
Wirksam gegen zahlreiche Grippe-Stämme
„Das hat mich fast vom Stuhl gehauen“, sagt Jacob. „Ich hatte erwartet, dass man bei der Suche nach Wirkstoffen erst Tausende, vielleicht sogar eine Million von Kandidaten durchgehen muss, bis man einen oder zwei Treffer bekommt. Und hier hatten wir bloß 32 Peptide und gleich vier Treffer!“ Allerdings: Drei der vier Peptide erwiesen sich in weiteren Tests als toxisch für menschliche Blutzellen und scheiden daher als Wirkstoffkandidaten wieder aus. Das vierte Peptid jedoch, von den Forschern „Urumin“ getauft, schützte auch menschliche Zellen effektiv vor dem Angriff der Grippeviren. Lebende Mäuse waren nach einer Dosis mittels Nasenspray verabreichten Peptids selbst gegen eine tödliche Dosis Grippeviren geschützt, wie die Forscher berichten. Elektronenmikroskopische Aufnahmen enthüllten, dass das Frosch-Peptid die Viren komplett zerstörte.
Noch ist der Wirkmechanismus des Frosch-Peptids nicht vollständig geklärt. Die Wissenschaftler vermuten jedoch, dass das Abwehr-Peptid an das Hemagglutinin-Protein an der Virenoberfläche bindet. „Das Virus benötigt das Hemagglutinin um in unsere Zellen zu gelangen“, erklärt Jacob. „Dieses Peptid bindet an dieses Protein und destabilisiert das Virus dadurch. Dann tötet es das Virus vollständig ab.“ Nach Ansicht der Forscher hat das Urumin damit das Potenzial, zu einem antiviralen Wirkstoff bei plötzlichen Influenzaausbrüchen zu werden. Bevor es allerdings soweit ist, müssen noch zahlreiche weitere Versuche mit dem neuentdeckten Frosch-Peptid durchgeführt werden, wie die Wissenschaftler betonen. Sollten sie diese ersten vorläufigen Ergebnisse bestätigen, dann könnte sich wieder einmal ein Rezept der Natur als hilfreich im Kampf gegen Krankheiten erweisen.