Jeder, der regelmäßig Sport macht, kennt den Effekt: Je mehr man trainiert, desto fitter wird man. Im Laufe der Zeit erhöht sich nicht nur die sportliche Leistung, man hält auch länger durch. Biochemisch gesprochen bedeutet dies, dass die Muskeln länger aerob arbeiten können: Sie verbrennen Zucker oder Fett unter Sauerstoffverbrauch zu Energie. Allerdings hat dies auch Grenzen: Powert man sich zu stark aus, beispielsweise bei einem Marathon oder Triathlon, kann man einen Zustand vollständiger geistiger und körperlicher Erschöpfung erreichen. Im Englischen sprechen Sportler dabei sehr bildlich von „hitting the Wall“ – gegen die Wand laufen. Der Grund dafür: „Dieser Moment tritt ein, wenn Dein Gehirn nicht mehr genügend Zucker bekommen kann – Du bist im Eimer“, erklärt Studienleiter Ronald Evans vom Salk Institute for Biological Studies in La Jolla. Nach gängiger Theorie verschiebt Training diesen Moment nach hinten, weil die Muskeln eher auf Fettverbrennung umstellen und so mehr Zucker für das Gehirn übrig bleibt.
Ein Gen ist entscheidend
Doch wie sich jetzt zeigt, könnte sich dieser Trainingseffekt auch ganz ohne Sport erreichen lassen – allein durch einen chemischen Wirkstoff. Die Idee dazu kam Evans und seinen Kollegen, als sie die Funktion des Gens PRARD näher untersuchten. In Experimenten mit Mäusen stellten sie fest, dass die Tiere selbst bei intensivem Ausdauertraining keinerlei Kondition hinzugewannen, wenn dieses Gen ausgeschaltet worden war. Umgekehrt zeigte sich, dass regelmäßiges Laufradtraining die Aktivität von PRARD erhöhte. „Das deutet darauf hin, dass PRARD eine zentrale Rolle für den Trainingseffekt spielt“, erklärt Evans‘ Kollege Michael Downes. Nähere Untersuchungen ergaben, dass der von diesem Gen kontrollierte Signalweg die Muskeln dazu bringt, weniger Zucker zu verbrauchen und früher auf Fettverbrennung umzustellen.
Die große Frage war nun: Lässt sich dieser positive Effekt auch durch einen Wirkstoff erreichen? Um das herauszufinden, suchten die Forscher nach einer chemischen Verbindung, die das Gen PRARD zu verstärkter Aktivität bringen kann. Bei dem Molekül GW1516 wurden sie fündig. Wie gut dieses wirkt, testeten Evans und seine Kollegen in einem Ausdauerversuch mit Mäusen. Diese erhielten acht Wochen lang mit dem Futter regelmäßig eine Dosis von 40 Milligramm GW pro Kilogramm Körpergewicht und hatten weder ein Laufrad im Käfig noch eine andere Gelegenheit, sich viel zu bewegen. Nach dieser Zeit testeten die Forscher die Ausdauer der Mäuse im Laufrad und untersuchten ihren Stoffwechsel.
Fitness-Pille macht Mäuse ausdauernder
Das Ergebnis: Während unbehandelte Kontrolltiere schon nach 160 Minuten schlapp machten, hielten die mit GW behandelten Mäuse 270 Minuten lang durch. „Die achtwöchige Behandlung mit GW reichte demnach aus, um diesen Tieren eine eineinhalb Stunden längere Ausdauer zu verleihen“, sagen Evans und seine Kollegen. Das Mittel wirkte damit ähnlich effektiv wie ein wochenlanges Sporttraining – ohne dass sich die Mäuse dafür bewegen mussten. Blutproben bestätigten, dass der Blutzucker bei diesen Mäusen während des Rennens deutlich später und langsamer absank als bei den Kontrolltieren. Dadurch erreichte sie den für die Erschöpfung typischen Grenzwert von 70 Milligramm Glukose pro Deziliter Blut entsprechend später, wie die Forscher berichten. Das Überraschende daran: Diese Verbesserung der Kondition fand statt, ohne dass sich die Struktur der Muskeln veränderte. Während durch intensives Training die Zahl der Blutgefäße und Mitochondrien im Muskel wächst und sich der Fasertyp verändert, zeigten sich diese Veränderungen bei den Muskeln der mit GW behandelten Mäuse nicht. „Das spricht dafür, dass die verbesserte Ausdauer in erster Linie auf Stoffwechselveränderungen beruht“, schlussfolgern Evans und seine Kollegen. Tatsächlich erwiesen sich die Mäuse während der Einnahme von GW auch als weniger anfällig für eine Gewichtszunahme und reagierten besser auf Insulin – auch dies Anzeichen für einen veränderten Fett- und Zuckerstoffwechsel.
Noch wurde diese „Fitness-Pille“ nur bei Mäusen getestet. Die Forscher glauben aber, dass die positiven Effekte auch auf den Menschen übertragbar sein könnten. „Wir demonstrieren in dieser Studie, dass es mehr als eine Art gibt, die ‚Mauer‘ der Erschöpfung zu verschieben“, sagt Evans. „Die Standardmethode ist das Training, man wird mit jedem Lauf ein wenig besser. Aber wir haben gezeigt, dass es auch ohne die Bewegung geht.“ Den Nutzen dieses und ähnlicher Wirkstoffe sehen die Wissenschaftler vor allem in der Behandlung von Menschen mit eingeschränkten Bewegungsmöglichkeiten. Der Wirkstoff könnte ihren Stoffwechsel auf Fitness trimmen und so Übergewicht, Diabetes oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen entgegenwirken. Allerdings: Die Vorteile einer solchen Ausdauer-Pille dürften auch Leistungssportler schnell für sich erkennen – als Dopingmittel.