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Wenn Forscher Rot sehen

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Wenn Forscher Rot sehen
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Diese Frau ist vermutlich gerade fruchtbar - glaubt man einem kanadischen Psychologenduo. (Thinkstock)
Man könnte meinen, es handele sich um die Suche nach dem heiligen Gral, so ausdauernd suchen einige Wissenschaftler nach äußeren Anzeichen für die fruchtbare Phase im Zyklus von Frauen. Die müsse es einfach geben, sind die Suchenden überzeugt, denn schließlich haben alle nahen Verwandten des Menschen ja ein solches Signalsystem – bei Schimpansen ist es etwa ein geschwollenes rotes Hinterteil. So richtig erfolgreich war bisher aber noch niemand bei der Suche. Jetzt glauben zwei kanadische Psychologen aber, wirklich fündig geworden zu sein: Sie haben entdeckt, dass Frauen rund um den Eisprung häufiger bestimmte Farben tragen. Im Speziellen: Rot und Rosa.

Regelrecht beleidigt wirken manche Kommentare, mit denen Psychologen ihre Veröffentlichungen zum Thema sichtbarer Eisprung einleiten. Bei Alec Beall und Jessica Tracy von der University of British Columbia klingt das zum Beispiel so: Es sei doch vorteilhaft für Frauen, wenn sie das Zeitfenster öffentlich und für Männer attraktiv anzeigen, in dem sie fruchtbar sind – schließlich münde Geschlechtsverkehr ja nur an wenigen Tagen des Zyklus in einer Empfängnis. Trotzdem sei es ungeachtet der vielen, vielen Versuche bisher nicht gelungen, eine klar zu beobachtende, objektive Verhaltensweise oder physische Besonderheit zu identifizieren, die mit dem Eisprung bei menschlichen Frauen assoziiert sei.

Nichts genaues weiß man nicht

Lediglich vage Hinweise auf bestimmte Tendenzen konnten dingfest gemacht werden. Frauen scheinen sich beispielweise eher sexy zu fühlen, wenn ihr Eisprung naht, und sich auch entsprechend zu kleiden. Ihre Stimmlage verändert sich etwas, ebenso wie ihr Körpergeruch und ihre Gesichtsform – die wirkt zu dieser Zeit irgendwie attraktiver auf Männer. Auch halten Frauen angeblich vermehrt Ausschau nach sehr männlichen Sexualpartnern und versuchen, sich besonders attraktiv zu präsentieren. Allerdings stammen die meisten dieser Erkenntnisse aus Labortests. Ob sie auch sozusagen in freier Wildbahn beobachtet werden können und damit als zuverlässige Signale für einen Eisprung dienen, bleibt ungewiss.

Da das offensichtlich kein haltbarer Zustand ist, nahmen Beall und Tracy jetzt erneut einen Anlauf, um derartige Signale zu finden. Sie konzentrierten sich dabei auf die Farbe Rot, schon lange die Lieblingsfarbe der Eisprung-Forscher. Denn Rot ist nicht nur die Farbe, die am ehesten Aufmerksamkeit erregt und als Signal dient, sie wird auch in vielen Kulturen mit Liebe und Sex verbunden – man denke nur an Rotlichtbezirke, blutroten Lippenstift oder rote Rosen als Zeichen der Leidenschaft. Zudem ist sie, wie bereits erwähnt, bei unserer affigen Verwandtschaft sehr beliebt, um den Herren der Schöpfung eine gewisse Paarungsbereitschaft zu signalisieren.

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Männer denken nur an das Eine…

Das Beste an Rot ist aber, dass es auch bei menschlichen Männern wirkt: Sie finden Frauen, die rote Kleidung tragen, nämlich sexuell besonders attraktiv – auch wenn es sich nicht um ein hautenges rotes Kleid, sondern nur um ein rotes T-Shirt handelt. Das gilt übrigens nicht nur für die westliche Welt, sondern auch für andere Kulturen, hatten Beall und Tracy erst Anfang dieses Jahres nachgewiesen: Auch Männer aus einer ziemlich isoliert lebenden Dorfgemeinschaft in Burkina Faso reagieren ähnlich auf Rot – und das, obwohl die Farbe dort ausschließlich mit negativen Assoziationen verbunden ist.

Kurz gesagt: Rot besitzt alles, was es braucht, um zum Hauptverdächtigen unter den potenziellen Eisprung-Signalen aufzusteigen. Daher testeten Beall und Tracy, ob Frauen möglicherweise während ihrer fruchtbaren Phase eher Kleidung in Rot – oder auch Rot light, also Rosa – tragen. Dazu rekrutierten sie 124 Frauen, 100 aus den USA und 24 aus Kanada. Alle nahmen an einem Online-Test teil, in dem es zwei schlichte Fragen zu beantworten galt: „Wann war Ihre letzte Periode?“ und „Welche Farbe hat das Oberteil, das Sie gerade tragen?“. Bei letzterer gab es die vorgegebenen Antwortmöglichkeiten schwarz, blau, grau, grün, rosa, rot, weiß, gelb und andere.

Rot und Rosa hoch im Kurs

Anschließend werteten die Forscher die Antworten aus und ordneten die Frauen dabei, basierend auf den Angaben zum Zyklus, in zwei Kategorien ein: Empfängnis wahrscheinlich und Empfängnis unwahrscheinlich. Und fanden – Überraschung – tatsächlich einen Zusammenhang: Von den Frauen aus der Gruppe „Empfängnis wahrscheinlich“ trugen 26 Prozent der Amerikanerinnen und 40 Prozent der Kanadierinnen Rot und Rosa – in der Gruppe mit der geringen Empfängniswahrscheinlichkeit waren es nur 8 beziehungsweise 7 Prozent. Damit war die Chance, dass eine Frau in ihrer fruchtbaren Phase eine rötliche Farbe trägt, 3,5-mal so hoch wie in ihrer nicht fruchtbaren Phase. Das kann man auch anders herum ausdrücken: Von den Frauen, die Rot oder Rosa trugen, befanden sich rund 80 Prozent in der Zeit rund um ihren Eisprung.

Die Forscher freuen sich natürlich über dieses Ergebnis. Das zeige, dass Rot wirklich ein starker Indikator für den weiblichen Eisprung sei, schließen sie selbstbewusst. Es bleibe nur noch zu klären, warum genau die Frauen auf Rot setzen – und warum die Männer so stark darauf reagieren. Ist es nur die Signalwirkung der Farbe? Ihre Assoziation mit sich rötender Haut bei sexueller Erregung? Das Erbe eines frühen gemeinsamen Vorfahren aller Primaten, der wie die Schimpansen heute auf ein geschwollenes rotes Hinterteil setzte? Dass diese Fragen noch nicht geklärt sind und dass die Ergebnisse ja nun doch nicht so ganz eindeutig ausfielen, garantiert zumindest eins: Die Suche wird weitergehen.

Quelle:

© wissenschaft.de – Ilka Lehnen-Beyel
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