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Der zerbrochene Spiegel

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Der zerbrochene Spiegel
Antimaterie scheint eine perfekte Spiegelvariante der normalen Materie zu sein. Winzigen Störungen in dieser Symmetrie verdanken wir unsere Existenz.

Die Welt mitsamt vieler Naturgesetze ist nicht völlig symmetrisch. Das zeigt sich immer wieder. Die jüngste Messung einer Symmetriebrechung machten Physiker am europäischen Forschungszentrum CERN bei Genf. Dort hat der Teilchenbeschleuniger LHC (Large Hadron Collider) mit der wahrscheinlichen Entdeckung des Higgs-Teilchens Geschichte geschrieben.

Doch die Suche nach diesem letzten fehlenden Baustein des Standardmodells der Elementarteilchen und Kräfte war nur eine der Aufgaben, für die der Superbeschleuniger gebaut wurde. Er soll außerdem die seltsame Asymmetrie in der Häufigkeit von Materie und Antimaterie erkunden: Physikalisch scheinen beide gleichberechtigt zu sein, doch bislang wurden keinerlei Hinweise auf Gestirne oder Galaxien aus Antimaterie gefunden.

Um diese Diskrepanz zu erklären – und einiges mehr –, wurde am LHC eigens einer der vier hausgroßen Detektoren gebaut: LHCb („ LHC beauty“). Er dient speziell dazu, bestimmte Zerfälle von sogenannten Mesonen zu untersuchen, also Teilchen aus einem Quark-Antiquark-Paar. Ende April dieses Jahres gelang es dem über 800 Mitglieder starken Forscherteam, aus dem immensen Datenstrom ein kleines Signal herauszufiltern, das eine bisher nicht gemessene Asymmetrie zwischen Materie und Antimaterie zeigte. Das ist ein großer Erfolg des LHC.

„Wir freuen uns natürlich über das tolle Ergebnis“, sagt der an dem Experiment beteiligte Michael Schmelling vom Max-Planck-Institut für Kernphysik in Heidelberg. „Aber leider erklärt es uns immer noch nicht, warum es überhaupt Materie im Universum gibt.“ Um diese fundamentale Frage zu verstehen, muss man in die wechselvolle Geschichte der Teilchenphysik zurückblicken. Der Lohn dieser Zeit- und Ideenreise: eine Einsicht in die tiefgründigen Symmetrien und Asymmetrien der Natur.

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Symmetrien und Erhaltung

Am Anfang war die Symmetrie. Sie spielt in der Physik eine grundlegende Rolle, auch wenn die Natur im Alltag nicht überall symmetrisch erscheint. Aber Physiker fassen diesen Begriff weiter als Laien. Sie verstehen darunter beispielsweise die Frage, ob ein Vorgang von seiner Lage in Raum und Zeit abhängt oder nicht.

Wenn man den Umlauf des Mondes um die Erde beschreibt, spielt es keine Rolle, wann die Uhr zu laufen beginnt – er ist immer gleich. Aus dieser sogenannten Zeit-Invarianz folgt der grundlegende Energieerhaltungssatz: In einem abgeschlossenen System kann Energie nicht verloren gehen oder erzeugt werden. Ebenso folgt aus der Unabhängigkeit vom Ort des Vorgangs die Impulserhaltung.

Diese elementaren Zusammenhänge zwischen geometrischen Symmetrien in Raum und Zeit einerseits und physikalischen Erhaltungssätzen andererseits hat die deutsche Mathematikerin Emmy Noether entdeckt. Nachdem es erst einige Schwierigkeiten gab, konnte sie ihren Beweis ein paar Jahre später, 1918, dann doch veröffentlichen.

In der Welt der Elementarteilchen haben Physiker drei grundlegende Symmetrien gefunden. Der Quantenpionier Wolfgang Pauli stellte 1955 fest, dass der Ablauf des radioaktiven Zerfalls eines Atoms in der Theorie unverändert bleibt, wenn man erstens die Ladung umkehrt – das heißt Materie durch Antimaterie ersetzt –, zweitens ihn räumlich gespiegelt und drittens zeitlich rückwärts erfolgen lässt. Physiker sprechen dabei von dem CPT- Theorem – aufgrund der englischen Begriffe Charge (Ladung), Parity (Raumspiegelung) und Time (Zeit).

Das CPT-Theorem spielt eine fundamentale Rolle in der Physik. Wenn es auch nur wenig verletzt wäre, stünden die moderne Quantenfeldtheorie sowie die Relativitätstheorie auf der Kippe. Entscheidend am CPT-Theorem ist, dass die drei Umkehrungen in einem Experiment gleichzeitig vorgenommen werden müssen. Jede einzelne Transformation für sich könnte allerdings im Prinzip die naturgesetzliche Symmetrie verletzen. In der Sprache der Physiker: Prozesse ohne eine C-, P- oder CP-Invarianz sind denkbar – wie man heute weiß.

Verletzte Symmetrie

Schon 1956 sagten die chinesischen, in den USA forschenden Physiker Tsung-Dao Lee und Chen Ning Yang voraus, dass ein Experiment bei Raumspiegelung nicht unverändert bleibt, wenn eine der vier Grundkräfte daran beteiligt ist: die schwache Kraft. Sie wirkt nur innerhalb der Atomkerne und erzeugt bestimmte Arten des radioaktiven Zerfalls.

Als die ebenfalls aus China stammende und in den USA tätige Physikerin Chien-Shiung Wu diese Arbeit las, sagte sie umgehend eine bereits gebuchte Schiffsreise nach Europa ab und begab sich in ihr Labor. Dort untersuchte sie den radioaktiven Zerfall von Cobalt-60, bei dem aus dem Kern ein Elektron und ein Antineutrino herausfliegen.

Chien-Shiung Wu entdeckte, dass Elektronen zwar entgegengesetzt, aber nicht parallel zur Drehrichtung des Atomkerns – zum Spin – emittiert werden. Der gespiegelte Prozess kommt in der Natur nicht vor. Damit war die P- Invarianz, auch P-Symmetrie genannt, bei diesem Prozess zu 100 Prozent und somit maximal verletzt.

VORENTHALTENER NOBELPREIS

Nach dieser physikalischen Sensation soll Chien-Shiung Wu mit ihren Kollegen noch im Labor eine Flasche Bordeaux geöffnet und auf den Bruch der Symmetrie angestoßen haben. Den Physik-Nobelpreis verwehrte man ihr allerdings und verlieh ihn noch im selben Jahr an Lee und Yang.

Wenig später wurde auch der Grund für die die P-Verletzung erkannt: Wenn man sich Elementarteilchen wie kleine Kugeln vorstellt, die wie die Erde um eine Achse rotieren, dann ist es bei vollständiger Symmetrie egal, welchen Rotationssinn ein Elementarteilchen im Hinblick auf seine Bewegungsrichtung besitzt. Aber die Natur hat anscheinend ausnahmslos „linkshändige“ Neutrinos und „rechtshändige“ Antineutrinos hervorgebracht – und damit die perfekte Symmetrie gebrochen. Neutrinos und Antineutrinos mit dem umgekehrten inneren Drehsinn (Spin) wurden jedenfalls nie gemessen.

Dieser Bruch im Spiegel der Natur verursachte erheblichen Wirbel unter den Physikern. Doch sie dachten, dass die Naturgesetze wenigstens dann unverändert bleiben, wenn man die Ladungsumkehr und die Spiegelung gleichzeitig vornimmt. Aber auch da irrten sie sich.

Im Jahr 1964 erzeugten James Cronin und Val Fitch in einem Beschleuniger des Brookhaven National Laboratory in Teilchenkollisionen neutrale K-Mesonen, auch Kaonen genannt. Diese Partikel enthalten ein down-Quark und ein strange-Antiquark. Sie sind instabil und zerfallen in Bruchteilen einer Sekunde nach ihrer Erzeugung. Cronin und Fitch untersuchten die Zerfälle der K-Mesonen und verglichen diese mit denen von Antikanonen im gespiegelten Experiment. Sie änderten also C und P gleichzeitig.

„Als sie einen winzigen Unterschied im Promille-Bereich fanden, war das damals geradezu ein Schock für die Physiker“, sagt Schmelling. Doch sie erholten sich schnell davon und integrierten die so unerwartet gemessene CP-Verletzung ins Standardmodell der Elementarteilchen. Für diese mathematische Erweiterung, die erstaunlich gut funktioniert und richtige Voraussagen erlaubte, erhielten Toshihide Maskawa und Makoto Kobayashi 2008 den Physik-Nobelpreis. Cronin und Fitch wurden damit bereits 1978 geehrt.

Schon im Jahr 1967 hatte der russische Physiker und spätere Friedensnobelpreisträger Andrei Sacharow seine Kollegen mit einer kühnen Hypothese verblüfft: Die CP-Verletzung könnte die Ursache dafür sein, dass es überhaupt noch Materie in unserem Universum gibt. Denn dies ist keineswegs selbstverständlich: Wenn Materie- und Antimaterieteilchen zusammenkommen, vernichten sie sich gegenseitig und gehen in Strahlung auf.

Die grosse vernichtung

Dieses selbstzerstörerische Verhalten hat bei der Entstehung des Universums eine entscheidende Rolle gespielt. In den ersten Milliardstel Sekunden nach dem Urknall war das extrem heiße Universum erfüllt von Strahlung und Materie. Ständig vernichteten sich die Teilchen-Antiteilchen-Partner gegenseitig, und umgekehrt formten sich aus der Strahlung solche Paare – wie es Albert Einsteins berühmte Formel E = mc² beschreibt. Sie besagt: Energie und Masse sind über die Lichtgeschwindigkeit miteinander äquivalent. Eigentlich hätte nach diesem Existenzkampf nur Strahlung übrig bleiben dürfen, als das Universum sich infolge seiner Ausdehnung so weit abgekühlt hatte, dass die Energie nicht mehr ausreichte, um Materie und Antimaterie zu erzeugen.

Es muss also in der ersten Phase des Universums ein winziges Ungleichgewicht geherrscht haben: Bei dem Zerstrahlen von jeweils mehreren Milliarden Materie-Antimaterie-Paaren blieb ein einziges Materie-Teilchen übrig. Das ist etwa so, als würden an ein und demselben Tag alle auf der Erde lebenden Männer und Frauen heiraten – und dabei bliebe ein einziger Mensch solo.

Obwohl diese Differenz winzig erscheint, kann sie nicht zufällig zustande gekommen sein, nahm Sacharow an. Und dieser kleinen Abweichung von der perfekten Symmetrie zwischen Materie und Antimaterie verdanken wir unsere Existenz.

Nach Andrei Sacharows Hypothese muss in dieser Phase das rasch expandierende Universum durch einen Zustand thermischen Ungleichgewichts gegangen sein. „Man kann sich das als Phasenübergang vorstellen – ähnlich wie beim Gefrieren von Wasser zu Eis“, erklärt der Heidelberger Max-Planck-Physiker Michael Schmelling. „Dabei wurde die Asymmetrie gewissermaßen eingefroren und die Übermacht der Materie im Universum festgeschrieben.“

ZU kleine Asymmetrie

Doch mit Cronin und Fitchs Entdeckung der Asymmetrie im Zerfall von Kaonen und Antikaonen war diese fundamentale Frage keineswegs beantwortet. Diese Asymmetrie ist nämlich viel zu klein, wie Theoretiker bald herausfanden. „Sie müsste eine Milliarde Mal größer sein, um die Überzahl der Materie gegenüber der Antimaterie zu erklären“, sagt Schmelling.

Dennoch hoffen viele Physiker, dass des Rätsels Lösung irgendwo in der CP-Verletzung verborgen liegt. Deswegen setzen sie alles daran, sie auch bei anderen Teilchen zu messen. Besonders bei den sogenannten B-Mesonen erwarteten Theoretiker einen hohen Wert. Auch diese Teilchen zerfallen bereits Sekundenbruchteile nach ihrer Entstehung. Das geschieht auf verschiedene Weisen.

Ein wichtiger Zweig ist der Zerfall des B-Mesons in ein Kaon und ein Antipion. Das Anti-B-Meson zerfällt dann analog in ein Antikaon und ein Pion. Bei vollständiger Symmetrie sollten diese beiden Zerfallsmöglichkeiten mit gleicher Häufigkeit auftreten. Das ist jedoch nicht der Fall, wie Physiker in den USA und Japan bei B0-Mesonen entdeckt haben. Sie fanden eine starke Asymmetrie und damit CP-Verletzung von acht Prozent. (Wer es genauer wissen will: B0- Mesonen, die aus einem down-Quark und einem bottom-Antiquark bestehen, zerfallen in ein Kaon und Antipion – und zwar zu acht Prozent häufiger, als B0-Antimesonen, die aus einem down-Antiquark und einem bottom-Quark zusammengesetzt sind, in ein Antikaon und ein Pion zerfallen.)

NEUE Mesonen WERDEN GEBRAUCHT

Das ließ Kollegen in aller Welt aufhorchen. Deshalb untersuchten sie als nächstes B0s-Mesonen und deren Antiteilchen. Da sich diese Partikel in den damals existierenden Beschleunigern praktisch nicht erzeugen ließen, versprach nur der LHC Aussicht auf Erfolg. „Dort entstehen in jeder Sekunde Zehntausende so viele B-Mesonen wie in derselben Zeit an den bisherigen Beschleunigern. Und es können alle Arten von B-Mesonen erzeugt werden“, schwärmt Schmelling.

Bis Ende 2012 wurden im LHC eine Billion Paare von B- und Anti-B-Mesonen erschaffen. Die Physiker haben also eine wahre Mammutaufgabe zu bewältigen, um die wenigen interessanten Zerfälle aus dem Feuerwerk von Billionen anderer Prozesse herauszufischen. Bei dieser sprichwörtlichen Suche nach der Nadel im Heuhaufen hatte das LHCb-Team im Mai dieses Jahres Erfolg. Es fand bei B0s-Mesonen eine CP-Verletzung von 27 Prozent – ein über dreimal so großer Wert wie bei den B0-Teilchen. Er bedeutet, dass 27 Prozent mehr B0s-Mesonen in je ein Antikaon und ein Pion zerfallen als B0s-Antimesonen in je ein Kaon und ein Antipion. Ist dies endlich das lange gesuchte Zeichen, das die Ursache der geheimnisvollen Bevorzugung der Materie im Urknall verrät?

Auch hier wieder: Fehlanzeige. Die starke Asymmetrie lässt sich vermutlich im Rahmen des Standardmodells erklären. Nur ein Wert, der nicht dort hineinpasst, könnte ein Hinweis auf eine „ neue Physik“ sein, also bislang unbekannte Teilchen oder Kräfte. Danach suchen die Forscher zurzeit akribisch mit dem LHC – aber bislang ohne Erfolg.

Wie verrückt es im Reich der Quantenphysik zugeht, demonstriert ein weiteres Ergebnis, das die LHCb- Kollaboration im April veröffentlichte. Es zeigt, dass B0s-Mesonen ihre Identität von Teilchen und Antiteilchen wechseln. B-Mesonen bestehen aus zwei Quarks. Das B0s-Meson enthält neben einem bottom-Antiquark ein strange-Quark, während das Anti-B0s-Meson aus einem bottom-Quark und einem strange-Antiquark besteht. Die schwache Kraft ändert jedoch ständig die Quark-Sorte, sodass das Meson periodisch zwischen dem Teilchen- und Antiteilchen-Zustand hin und her pendelt. Kürzlich gelang es, den periodischen Wechsel zwischen B0s- und Anti-B0s-Mesonen über mehrere Schwingungsperioden direkt zu messen (siehe Kasten „Schwingung und Zerfall“, S. 47). Das ist ein technisches Wunder, denn diese Wechselvorgänge ereignen sich rund 2,5 Billionen Mal pro Sekunde. „Die Teilchen oszillieren nach ihrer Erzeugung etwa 20 Mal zwischen den beiden Zuständen, bevor sie zerfallen“, sagt Ulrich Uwer. Er leitet zusammen mit Stephanie Hansmann-Menzemer an der Universität Heidelberg die größte LHCb-Gruppe in Deutschland. Theoretisch sollte sich auch bei dieser Oszillation eine leichte Asymmetrie zeigen. Doch selbst die bereits exzellente Datenqualität reicht nicht aus, um sie zu messen.

Die Suche nach CP-Verletzung mit dem LHC wird weitergehen. Zurzeit sind die Physiker von den Ergebnissen hin und her gerissen. Einerseits staunen sie über die Genauigkeit, mit der das Standardmodell vielfach bestätigt worden ist. Gleichzeitig macht sich Ernüchterung breit, weil große Überraschungen und ein Durchbruch zu völlig neuen Erkenntnissen ausgeblieben sind.

NEUtrinos vermisst

„Viele Theoretiker erwarten mittlerweile die Lösung von Sacharows Problem nicht mehr bei den Quarks, sondern bei den Neutrinos“, sagt Uwer. Von diesen nur schwach und gravitativ wechselwirkenden Geisterteilchen gibt es drei Arten. In den letzten Jahren haben Physiker nachgewiesen, dass die Neutrinos eine sehr geringe Masse besitzen und sich ineinander umwandeln können – sie oszillieren gleichsam zwischen den Arten hin und her.

„Aus diesem Grund muss es theoretisch drei weitere Neutrino-Arten geben, die nicht wie die bekannten linkshändig sind, sondern rechtshändig“, sagt Uwer. Doch von diesen Teilchen fehlt bislang jede Spur. Vielleicht sind sie so schwer, dass sie sich selbst im LHC nicht erzeugen lassen? Niemand weiß das.

Immerhin haben Theoretische Physiker nun Modelle entwickelt, wie Neutrinos kurz nach dem Urknall ebenfalls eine CP-Verletzung erlitten haben könnten und dadurch einen winzigen Überschuss an Materie gegenüber der Antimaterie schufen. Diese CP-Verletzung bei den Neutrinos müsste sich dann in einem unbekannten Prozess auf die Quarks übertragen haben. Da Neutrinos zu den leichten Teilchen zählen, den sogenannten Leptonen, sprechen Physiker von der Leptogenese. Vielleicht schuf sie letztlich die Welt, wie wir sie kennen.

Sacharow hat seinen 1969 erschienenen Aufsatz „Symmetrie des Weltalls“ so beendet: „Dieser Artikel enthält mehr Fragen als Antworten auf diese Fragen.“ Einige seiner damaligen Fragen wurden zwar mittlerweile beantwortet, aber gleichzeitig tauchten neue auf. Das Rätsel der Materie – und fehlenden Antimaterie – im All ist nicht gelöst. H

THOMAS BÜHRKE arbeitet als Wissenschaftsjournalist in Schwetzingen. In bdw 4/2013 berichtete er über Supererden im All.

Von Thomas Bührke

Schwingung und Zerfall

Bei den Proton-Proton-Stößen des Large Hadron Collider entsteht eine Fülle neuer Partikel, darunter Mesonen. Diese bestehen aus zwei Quarks und sind instabil: Sie zerfallen im Bruchteil einer Sekunde in andere Teilchen, beispielsweise B0s-Mesonen. Sie enthalten ein bottom-Antiquark und ein strange-Quark. Das Antiteilchen des B0s-Mesons besteht aus einem bottom-Quark und einem strange-Antiquark. Die schwache Kraft bewirkt, dass sich diese Quarks und Antiquarks periodisch ineinander umwandeln. Als Folge davon oszilliert ein frisch erzeugtes Meson zwischen seinem Teilchen- und Antiteilchen-Zustand. Mit dem LHCb- Detektor konnte dieser erstaunliche Vorgang mit bislang unerreichter Zeitauflösung gemessen werden. Die Kurve, in der die Messdaten von 34 000 erzeugten B0s-Meson überlagert wurden, zeigt die Oszillation zwischen beiden Zuständen mit einer Periode von 0,35 · 10–12 (Billionstel) Sekunde. Der Abfall des Signals spiegelt den Zerfall der instabilen Partikel wider. Diese Messung ist ein Prüfstein für das Standardmodell und die sogenannte CP-Verletzung.

Kompakt

· Physiker haben am LHC eine starke Asymmetrie beim Zerfall von Teilchen und deren Antiteilchen gefunden.

· Doch diese sogenannte CP-Verletzung kann nicht erklären, wie es kurz nach dem Urknall zum Überschuss von Materie gegenüber Antimaterie kam.

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Andrei Sacharow Symmetrie des Weltalls Physikalische Blätter, Bd. 25, S. 202–209, 258–265 (1969) onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/phbl.v25.5/issuetoc onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/phbl.v25.6/issuetoc

Alban Kellerbauer Das Antimaterie-Rätsel Physik in unserer Zeit, Bd. 43, S. 174–180 (2012)

Gian Francesco Giudice ODYSSEE IM ZEPTORAUM Springer, Heidelberg 2012, € 24,95

Internet

Alpha Magnetic Spectrometer: www.ams02.org

Der LHCb-Detektor am CERN: lhcb.web.cern.ch/lhcb

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