Die urtümlichsten und häufigsten Vertreter der Asteroiden sind die sogenannten Chondrite. Bei diesen meist grau gefärbten Brocken sind rundliche, bis zu einem Zentimeter große Gesteinskörnchen – Chondrulen – in eine feinkörnigere Grundsubstanz eingeschlossen. In der Regel bestehen diese Körnchen aus Silikaten, die als besonders ursprünglich geltenden Kohligen Chondrite enthalten aber zusätzlich auch bis zu drei Prozent Kohlenstoff, meist in Form von Graphit, Karbonaten und organischen Verbindungen. Die chemische Zusammensetzung dieser Brocken spiegelt gängiger Theorie nach die Elemente und Moleküle wieder, die es im Innenbereich der solaren Urwolke gab. Diese Chondrite gelten auch als die Bausteine, aus denen einst die Gesteinsplaneten entstanden.
Paradox bei uralten Chondriten
Das Seltsame jedoch: Ausgerechnet diese ursprünglichsten, nicht nachträglich durch hohe Temperaturen veränderten Asteroiden, erweisen sich als hydrothermal verändert. Sie enthalten noch heute relativ viel Wasser und bis zu 95 Prozent ihrer Minerale und Moleküle können nur in Gegenwart von reichlich Flüssigkeit entstanden sein. Dies jedoch passt eher zum gängigen Bild von Kometen als zu dem langsam heranwachsender, eher trockener Staub- und Gesteinsbrocken. „Alle bisherigen Studien gehen davon aus, dass diese Asteroiden steinig waren: Ein wasserfreier Steinbrocken reagiert nachträglich mit Wasser“, erklären Philip Bland von der Curtin University of Technology in Perth und Bryan Travis vom Planetary Science Institute in Tucson. Doch diese Modelle können die typischen Merkmale der Kohligen Chrondriten nur zum Teil erklären.
Die beiden Forscher haben daher nach einer Erklärung gesucht, die zu den ungewöhnlichen Eigenschaften der Kohligen Chondriten passt – und auch zu dem, was wir über den Urnebel und die physikalisch-chemischen Prozesse in Himmelskörpern wissen. Für ihre Studie gingen sie von einem ganz neuen Szenario aus: Was wäre, wenn die ältesten Asteroiden gar nicht als Gesteinsbrocken begannen, sondern als lose zusammenklebende Schlammklumpen? „Es gibt keinen Grund, warum sie von Anfang an steinig gewesen sein sollen“, konstatieren sie. Ihrem Szenario nach wuchsen die ersten Asteroiden durch die allmähliche Ansammlung von Material aus der Urwolke heran: Staub, Eis und Silikatbröckchen klebten zu losen Gebilden zusammen. Sie ähnelten damit eher heutigen Kometen als Asteroiden. Etwa 900.000 Jahre nach der Akkretion jedoch begann das Eis zu schmelzen – weil im Klumpen eingeschlossene, kurzlebige radioaktive Elemente zerfallen und dabei Hitze entwickeln, wie die Forscher erklären. Aus den Eisklumpen wurden Schlammklumpen.
Erst Konvektion, dann Schichtung
Ob dieses Szenario realistisch ist und vor allem, was dann mit den Schlammklumpen geschah, haben Bland und Travis in aufwändigen Computersimulationen nachvollzogen. Sie bildeten dabei die Entwicklung von Asteroiden verschiedener Schlamm/Chondrulen-Verhältnisse und von Größen zwischen 50 und 500 Kilometern nach. Dabei zeigte sich: In den frischen Schlamm-Asteroiden bilden sich durch Temperaturunterschiede relativ schnell Konvektionsströmungen aus. Diese Durchmischung fördert chemische Reaktionen und führt zur Bildung der Minerale und organischen Moleküle, die für Kohlige Chondriten typisch sind. „Dies könnte erklären, warum die chemisch ursprünglichsten Meteoriten am meiste durch Wassereinfluss verändert scheinen“ , sagen die Forscher. „Und es passt dazu, dass die Kanten der Karbonatkörnchen bei Kohligen Chondriten meist abgerundet sind.“
Wie ihre Simulation ergab, kommt es bei den größeren Asteroiden durch die Strömungen im Laufe der Zeit zu einer inneren Schichtung: Kleinere, leichtere Partikel werden näher an die Oberfläche getragen, größere Körnchen sinken ins Zentrum des Schlammklumpens. „Die Chondrulen setzen sich ab und bilden einen ungeordneten Kern aus Bröckchen und Schlamm“, berichten die Forscher. Darüber entsteht ein Schlammozean, der von einer Eiskruste bedeckt ist und im Laufe der Zeit nach und nach ebenfalls abkühlt und gefriert. Den Forschern zufolge, könnte dieses Szenario auch erklären, wie größere Asteroiden wie der Kleinplanet Ceres ihre innere Schichtung und ihre eisige Kruste bekamen. Und warum auch in kleineren Brocken die Chondrulen oft der Größe nach sortiert erscheinen. „Unsere Ergebnisse stimmen gut mit den Eigenschaften von CL- und CM-Chondriten und den Spektren primitiver Asteroiden überein“, konstatieren Bland und Travis.